Anklagebank im Flüchtlingsheim

Prozessauftakt gegen mutmaßliche Rechtsterroristen der „Gruppe Freital“

Gegen die „Gruppe Freital“ beginnt am Dienstag der Prozess. Der Ort der Verhandlung in Dresden hat durchaus Brisanz: Verhandelt wird in der künftigen Kantine einer zentralen Flüchtlingsunterkunft. Eine Interimslösung für rund 5,5 Millionen Euro.

Acht Angeklagte, rund 60 Verhandlungstage, fünf Richter: Für die sächsische Justiz beginnt am Dienstag in Dresden einer der umfangreichsten Prozesse überhaupt. Vor dem Oberlandesgericht müssen sich sieben Männer und eine Frau im Alter von 19 bis 38 Jahren verantworten. Ihnen wird die Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung vorgeworfen. Bis Ende September sind in dem Hauptverfahren mehr als 60 Verhandlungstage angesetzt.

Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe hatte den Fall im April 2016 an sich gezogen. Im November teilte seine Behörde mit, dass die Angeschuldigten „hinreichend verdächtig sind, spätestens im Juli 2015 eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet zu haben“. Rädelsführer der „Gruppe Freital“ sollen Timo S. und Patrick F. sein. Beide Männer gehörten im Frühjahr 2015 zum Gründungszirkel der „Bürgerwehr FTL/360“, die unter anderem gegen Flüchtlinge vorgeht.

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Anklage wegen fünf fremdenfeindlichen Anschlägen

Dabei steht FTL für das Kfz-Kennzeichen von Freital bei Dresden und 360 für jene Buslinie, in der Timo S. und ein weiterer Mitstreiter als Busfahrer eingesetzt waren. In Freital war es immer wieder zu Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte und deren Unterstützer gekommen.

Die „Gruppe Freital“ muss sich wegen insgesamt fünf fremdenfeindlicher oder politisch motivierter Anschläge verantworten. Den acht Angeschuldigten werde in einer unterschiedlichen Zahl von Fällen gefährliche Körperverletzung, versuchte gefährliche Körperverletzung, die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie Sachbeschädigung vorgeworfen, hatte der Generalbundesanwalt mitgeteilt. Alle Tatverdächtigen sitzen in Untersuchungshaft.

Verhandelt wird in einer Flüchtlingsunterkunft

Der Ort des Prozesses in Dresden hat durchaus Brisanz: Verhandelt wird in der künftigen Kantine einer zentralen Flüchtlingsunterkunft. Das Gebäude im Dresdner Norden nahe der Autobahn und in unmittelbarer Nachbarschaft zur Justizvollzugsanstalt wurde für rund 5,5 Millionen zum Hochsicherheitstrakt ausgebaut. Allein 24 Plätze gibt es für die Angeklagten und ihre jeweils zwei Vertreter. Die 152 Zuschauerplätze, darunter 70 für Journalisten, sind mit Sicherheitsglas von den Prozessbeteiligten abgetrennt.

Aussagen werden über Fernseher zu den Zuschauern gestreamt. Wegen der Größe des Saals – etwa 400 Quadratmeter – wäre die Sicht sonst eingeschränkt, sagt Gerichtssprecherin Gesine Tews. Auch Zeugen könnten sonst nicht genau gesehen werden. Für die Übertragung wurde Tews zufolge in den Richtertisch, der der Zeugenbank direkt gegenübersteht, eine Kamera eingebaut.

Nach Prozessende wieder Flüchtlingsunterkunft

Das Oberlandesgericht, das seinen Sitz mitten in der Dresdner Altstadt hat, verfügt selbst über keinen Raum, der den Ansprüchen eines derart aufwendigen Prozesses entspricht. Trotz teurer Sicherheitsvorkehrungen ist der Verhandlungsort aber nur eine Interimslösung. Nach Prozessende soll das Gebäude am Hammerweg seinem ursprünglichen Zweck als Teil der Erstaufnahmeeinrichtung für 700 Geflüchtete dienen. Der Verhandlungssaal werde dann zur Kantine zurückgebaut, sagt Tews. Zumindest lautet so der bisherige Plan.

Für die Dauer des Verfahrens werden keine Geflüchteten auf dem Gelände untergebracht sein. Doch der Ort hat Symbolcharakter: Die zum Teil wegen Anschlägen auf Asylunterkünfte Angeklagten finden sich nun in einer solchen Unterkunft wieder, auch wenn diese unbewohnt ist. Im Keller des künftigen Versorgungsgebäudes mit Küche und Kantine entstanden acht Zellen für die acht Beschuldigten. (epd/mig)