Recep Tayyip Erdogan, Rede, Präsident, Türkei
Recep Tayyip Erdoğan, Präsident der Republik Türkei © Council of Europe

Kritik aus Ankara

Nordrhein-Westfalen will Erdogan-Auftritt in Deutschland verhindern

Nordrhein-Westfalen will einen Auftritt des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan in Deutschland verhindern. Scharfe Kritik kommt aus Ankara, die Türkische Gemeinde in Deutschland ist ebenfalls gegen ein Verbot.

Freitag, 24.02.2017, 4:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 26.02.2017, 20:12 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Nordrhein-Westfalen hat die Bundesregierung aufgefordert, einen Auftritt des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland zu verhindern. „Es ist Aufgabe des Bundes, dafür zu sorgen, dass solche Auftritte weder in NRW noch irgendwo anders in Deutschland stattfinden“, sagte Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) dem Kölner Stadt-Anzeiger. Scharfe Kritik ernten Jägers Äußerungen in Ankara. Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland lehnt ein Veranstaltungsverbot ab.

Jäger betonte, es müsse verhindert werden, dass innertürkische Konflikte in Deutschland ausgetragen werden. „Die Freiheit der Meinungsäußerung hier darf nicht missbraucht werden, um für eine Verfassungsänderung in der Türkei zu werben, mit der Grundrechte eingeschränkt und die Todesstrafe wieder eingeführt werden sollen“, sagte der Minister.

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Scharfe Kritik aus Ankara

Scharfe Kritik ernteten die Diskussionen um ein mögliches Verbot in Ankara. Der deutsch-türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu rief die deutsche Politik zu mehr Sachlichkeit und Selbstreflexion auf. Es stimme nicht, dass mit der Verfassungsänderung „die Todesstrafe wiedereingeführt“ werde. „Anstatt sich in Verbreiten von ‚Fake-News‘ zu üben und offenbar schon in Wahlkampfmanier die deutsche Öffentlichkeit in die Irre zu leiten, sollte Jäger vorerst seine eigenen Hausaufgaben machen“, so Yeneroğlu. „Seit vielen Jahren tragen insbesondere in Nordrhein-Westfalen Nebenorganisationen der verbotenen Terrororganisation PKK ungehindert innertürkische Konflikte auf deutschen Straßen und Plätzen aus, spalten die Gesellschaft, werben für den PKK-Terror, rekrutieren Terroristen und sammeln Geld zur Finanzierung von blutigen Terroranschlägen“, kritisierte der AKP-Politiker.

Viele der etwa 1,5 Millionen türkeistämmigen Wähler in Deutschland hätten „aufgrund restriktiver und ewiggestriger Einbürgerungspolitik“ kein Wahlrecht in Deutschland, erklärte Yeneroğlu. Aus demokratischer Sicht sei es „nicht nur geboten, sondern Pflicht, sie in den politischen Meinungsbildungsprozess – ob in Deutschland oder in der Türkei – einzubeziehen.“

Türkische Gemeinde gegen Verbot

Gegen ein Verbot sprach sich auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoğlu, aus. Die deutsche Demokratie halte das aus. „Erdoğan muss aber akzeptieren, dass er in Deutschland kritisiert wird und dass seine Kritiker keine Heimatverräter oder Terroristenschützer sind“, sagte Sofuoğlu der Rheinischen Post.

Der Gemeinde-Vorsitzende geht davon aus, dass der türkische Staatschef zwischen dem 27. März und dem 9. April nach Deutschland kommt. „In dieser Zeit können die im Ausland lebenden Türken ihre Stimme zum Referendum der Verfassungsänderung abgeben“, sagte er. Das Boulevardblatt Bild hatte berichtet, der Deutschland-Besuch Erdogans solle Ende März erfolgen.

Der türkische Präsident will mit der Verfassungsreform das parlamentarische System in seinem Land durch ein Präsidialsystem ersetzen. Bei dem Referendum dürfen auch in Deutschland lebende Türken abstimmen. Am Wochenende hatte bereits der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım vor Landsleuten in Oberhausen für die Verfassungsreform geworben. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. Tanja Özgur sagt:

    „Viele der etwa 1,5 Millionen türkeistämmigen Wähler in Deutschland hätten „aufgrund restriktiver und ewiggestriger Einbürgerungspolitik“ kein Wahlrecht in Deutschland, erklärte Yeneroğlu. Aus demokratischer Sicht sei es „nicht nur geboten, sondern Pflicht, sie in den politischen Meinungsbildungsprozess – ob in Deutschland oder in der Türkei – einzubeziehen.“

    Es wird immer schwieriger in Erdogan und der türkischen Regierung nur eine Diktatur zu sehen. Die Türkei (oder zumindest die AKP) versucht ganz klar Kolonialpolitik zu betreiben und mithilfe von ausgewanderten türkischen Bürgern Einfluss in anderen Ländern zu gewinnen. Diese Strategie ist kohärent mit dem agieren Erdogans in Syrien, seinem Auftreten in nordafrikanischen Ländern und seinen neo-osmanischen Träumen. Für ein bisschen Nationalstolz verhökert ein Großteil der Türken gerade ihr Land an einen Autokraten. Wer aber untergegangene Reiche wieder aufleben lassen will, lässt auch deren Untergang wieder aufleben.

    Ich würde Herrn Erdogan mal raten sich an die türkische Verfassung zu halten, laut die er überhaupt nicht für oder gegen das Referendum werben dürfte, dasselbe gilt auch für sehr viele andere Dinge die er gerade in der Türkei veranstaltet. Kriminell!

  2. aloo masala sagt:

    Man stelle sich vor, Ekrem Senol wird in Deutschland inhaftiert, weil er nur damit beschäftigt sei, mit Migazin das „Deutschtum“ zu beleidigen. Ich meine damit nicht, dass die kritische Berichterstattung in Mgazin das „Deutschtum“ beleidigt, sondern dass es von autoritären Typen wie AfD Höcke so gesehen würde, um unliebsame Journalisten wie Senol mundtot zu machen.

    Ich gehe davon aus, dass sein Kollege Deniz Yücel das Format und Rückgrat besitzt, um sich mit viel Wortkrawall für den inhaftierten Senol einzusetzen und Deutschland für seine Schandtaten verbal auseinander nehmen.

    Migazin selbst verliert kein Wort zu Yücels Inhaftierung und hält sich vornehm zurück. Ein ungewohntes Verhalten für ein Magazin, das sonst kein Blatt vor dem Mund nimmt, um der deutschen Politik und deutschen Gesellschaft genau auf die Finger zu schauen. Da reicht dann wohl einfach die Kraft nicht mehr, um sich mit einem Kollegen zu solidarisieren. Lieber mobilisiert man die letzten Reserven, um den Mann vor ungerechter deutscher Behandung zu schützen, der Yücel hinter Gitter gebracht hat.

  3. Ali sagt:

    @ aloo

    Was bitte ist das denn für ein Vergleich. Der hinkt ja nicht einmal mehr. Jetzt stellen Sie sich doch einmal vor, in Deutschland würde Terror wüten wie in der Türkei, ein seit 30 Jahren anhaltender Krieg mit einer Terrororganisation, die Zehntausende Menschenlebende auf dem Gewissen hat, im Wochenrhythmus Bombenanschläge auf Polizisten verübt auf offenen Straßen bei der auch Zivilisten ums Leben kommen. Eine Terrororganisation, das durch gezielte Bombenanschläge den wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes kaputtmacht und flächendeckend für Armut und Arbeitslosigkeit sorgt.

    Können Sie sich die Psychologie in so einem Deutschland überhaupt vorstellen? Können Sie sich ausmalen, welche Gesetzesverschärfungen die Politik verabschieden müsste, um den Zorn der Bevölkerung im Zaun zu halten?

    Und jetzt stellen sie sich weiter vor, Ekrem Senol würde den Kopf dieser Terrororganisation treffen, mit ihm Interviews führen, einseitig und verharmlosend über die Terrorakte dieser Organisation berichten – wenn überhaupt. Glauben Sie allen ernstes daran, irgendwer würde sich überhaupt trauen, Ekrem Senol öffentlich in Schutz zu nehmen in so einem Deutschland? Wenn ja, träumen Sie weiter.

    Ich finde Yücels Arbeit als Journalist bescheuert – in meinen Augen ist er kein Journalist, sondern ein bezahlter Aktivist, der sich nicht einmal die Mühe macht, objektiv über die Türkei zu berichten. Dennoch finde ich seine Verhaftung bescheuert. Ihren Vergleich finde ich aber auch bescheuert.

    Grüße
    Ali

  4. President Obama sagt:

    Unabhängig von der Sichtweise auf Yücel bekommt Erdogan vielleicht mehr türkische Stimmen beinernem Auftritt…. Aber ich glaube, die türkische AKP Community ist sich nicht darüber im Klaren, welche Sympathien Sie mittlerweile selbst bei SPD, Linken und Grünen verspielt.

  5. Dr. Cengiz K sagt:

    Ich gebe Ali recht, auch bzgl. seiner Ausführungen zu aloo masalas Ausführungen.. Weiterhin möchte ich sagen, dass ich Erdogans Besuch bei uns hier in Deutschland mit Spannung erwarte…

  6. aloo masala sagt:

    @Ali

    Um einen „Vergleic als bescheuert beurteilen zu können, sollte man auch erst einmal verstehen, was überhaupt miteinander verglichen wird. Wie dem auch immer, wäre ich der Erdogan von Deutschland, würde ich Sie sofort wegen denokratiefeindlicher und terroristischer Tendenzen inhaftieren. Ich gehe davon aus, dass Sie auch diesen „Vergleich“ nicht verstehen und bescheuert finden.

    @Dr Cengiz
    Erdogan hat meine Unterstützung, dass er hier seine Rede halten darf. Das ist allerdings nicht das Thema.

  7. ahmetzade sagt:

    Ich bin kein Erdoğan-Anhänger, aber es ist immer wieder erstaunlich, wie diejenigen, welche Erdoğan unterstellen, die Meinungsfreiheit zu beschneiden, selbst die Meinungsfreiheit von Erdoğan beschneiden wollen. Was für eine Doppelmoral.

  8. aloo masala sagt:

    @ahmetzade

    Einen Teil Ihrer Aussage unterstütze ich. Wer Erdogan für die Zerschredderung der Meinungsfreiheit kritisiert, aber Erdogans Meinungsfreiheit beschneidet sehen möchte, ist in der Tat ein bigotter Typ.

    Der andere Teil Ihrer Aussage bedarf einer Erklärung. Schränkt für Sie Erdogan die Meinungsfreiheit ein oder ist das lediglich eine Unterstellung bigotter Typen?