Ein Jahr danach

Folgen der Silvesterübergriffe wirken bis heute

Der Silvester naht und die Ereignisse am Kölner Hauptbahnhof vor einem Jahr sind noch in guter Erinnerung. Was ist seit dem passiert? Nur wenige Täter wurden verurteilt, die meisten wegen Diebstahldelikten, viele Verdächtige wurden freigesprochen. Die politische Debatte wirkt bis heute. Ein Rückblick von Michael Bosse.

Licht gegen Angst: Mit einer Kunstinstallation am Dom will die Stadt Köln zum Jahreswechsel 2016/17 ein Zeichen setzen. Unter dem Motto „Time Drifts Cologne“ sollen die Domplatte und der Roncalli-Platz hell erleuchtet werden. Rund um die Kathedrale und in der Stadt werden mehrere Hundertschaften der Polizei im Einsatz sein, in der Domumgebung dürfen keine Raketen und Böller gezündet werden. Mit allen Mitteln soll verhindert werden, dass sich die Ereignisse der vergangenen Silvesternacht wiederholen.

Die sexuellen Übergriffe auf Frauen durch Einwanderer aus Nordafrika schockierten viele Politiker, Kirchenvertreter und Bürger. Die schlimmsten Befürchtungen und populistischen Klischees über die Gefahr durch alleinstehende junge Männer aus islamischen Ländern schienen wahr geworden zu sein.

___STEADY_PAYWALL___

Schon vor dem 31. Dezember 2015 hatte es Befürchtungen gegeben, ob die vielen Flüchtlinge in die deutsche Gesellschaft integriert werden können. Die Vorfälle von Köln wirkten wie ein Katalysator: „Und dann kam Köln“ – mit dieser Aussage wird seitdem auf das vermeintliche Scheitern der deutschen Integrationsbemühungen verwiesen.

Für Rechtspopulisten gehört der Hinweis zum festen Repertoire ihrer Beschwörungsrhetorik. Verschärfungen der Asylpolitik und Debatten um sichere Herkunftsländer waren die Folge. Derweil mahnen Vertreter von Kirchen und Islamverbänden beharrlich, Flüchtlinge allgemein und arabische Männer speziell nicht unter Generalverdacht zu stellen.

Schnell wurde auch deutlich, dass die Strafverfolgung der Tatverdächtigen nicht so einfach ist wie die Schuldzuweisung. Gut ein Jahr nach den Ereignissen am Hauptbahnhof sind 28 Beteiligte vom Amtsgericht Köln rechtskräftig verurteilt. Zwölf von ihnen stammen aus Marokko, elf aus Algerien. Weitere Täter kommen aus Libyen, dem Irak, Afghanistan und Tunesien.

Derzeit sind noch sechs weitere Strafverfahren mit sechs Angeklagten anhängig. Angesichts von mehr als 1.200 Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft Köln ist die Zahl der eröffneten Verfahren damit sehr gering.

Obwohl die sexuellen Übergriffe in der öffentlichen Diskussion vorherrschen, ging es in den Verfahren meist um den Vorwurf des Diebstahls, des Raubs oder der räuberischen Erpressung. Lediglich sechs Angeklagte mussten sich tatsächlich wegen sexueller Nötigung verantworten. Zwei von ihnen wurden verurteilt, in den weiteren Verfahren konnte der Vorwurf nicht nachgewiesen werden – etwa weil die Opfer die Angeklagten nicht zweifelsfrei wiedererkannten. In einem Fall wurde ein Angeklagter wegen „Grapschens“ verurteilt.

Das Alter der Angeklagten reicht von 16 bis 50 Jahren. In bislang sechs Fällen wurden Freiheitsstrafen ohne Bewährung ausgesprochen, ansonsten kamen die Täter mit Bewährungs- oder Geldstrafen davon. Die härteste Strafe wurde gegen einen Angeklagten verhängt, der wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Diebstahls verurteilt wurde: Er erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung.

Auch über die politische Verantwortung für die Vorfälle wird noch immer debattiert. Der damalige Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers musste bereits am 8. Januar seinen Hut nehmen. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Innenminister Ralf Jäger (beide SPD) mussten sich von der Opposition Versagen und Vertuschung vorwerfen lassen, weil sie die Vorfälle nicht eher öffentlich angesprochen haben. Noch immer befasst sich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Landtag mit dem Thema.

Nicht nur in Köln wird der bevorstehende Jahreswechsel unter dem Eindruck der vergangenen Silvesternacht wohl weniger unbeschwert gefeiert werden als in den Vorjahren. Auch in anderen deutschen Großstädten, wo es im vergangenen Jahr ebenfalls Übergriffe gab, wird die Polizei verstärkt im Einsatz sein. (epd/mig)