Eingriff in die Selbstkontrolle

Gewerkschaften verteidigen Diskriminierungsrichtlinie im Pressekodex

Sollen Medien die Herkunft von Straftätern grundsätzlich nennen, wie es CSU-Generalsekretär Scheuer mit Blick auf den Pressekodex fordert? Journalistenverbände reagieren empört – sie sehen in dem Vorstoß einen Eingriff in die mediale Selbstkontrolle. Muslime fordern mehr Mitbestimmung in den Rundfunkräten.

Journalistengewerkschaften haben Forderungen zurückgewiesen, in der Medienberichterstattung grundsätzlich die ethnische Herkunft von Straftätern zu nennen. „Damit wären haltlosen Spekulationen und diffamierender Hetze Tür und Tor geöffnet“, sagte der Vorsitzendes des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, am Freitag in Berlin. Zuvor hatte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer gefordert, die entsprechende Richtlinie im Pressekodex zu ändern. Auch die Deutsche Journalisten-Union (dju) äußerte sich ablehnend.

Der Deutsche Presserat schreibt in Ziffer 12.1 des Pressekodex vor, dass Medien die Herkunft oder Religion von Straftätern nur dann nennen dürfen, wenn ein „begründbarer Sachbezug“ zu der Straftat besteht. Scheuer hatte am Donnerstag in einem Interview mit der Welt argumentiert, die Herkunft von Tätern und Opfern müsse grundsätzlich genannt werden. „Es braucht Medien, die Vermutungen Einhalt gebieten, indem sie aber auch klar die manchmal unangenehmen Wahrheiten benennen“, sagte der CSU-Generalsekretär.

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Der DJV hält die gegenwärtige Regelung dagegen für ausreichend. „Der Pressekodex lässt in seiner geltenden Fassung die Nennung von Nationalität und Ethnie zu, wenn das für das Verständnis der Tat erforderlich ist“, sagte der Bundesvorsitzende Überall: „Mehr brauchen wir nicht“.

Journalistenverband: Unsachgemäße politische Einmischung

Die dju kritisierte Scheuers Forderung als „unsachgemäße politische Einmischung in die Selbstregulierung der Medien“. Die Presse sei zum Glück und mit gutem Grund in Deutschland staatsfern organisiert, sagte dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß. „Seriöse Medien unterscheiden sich von den sogenannten sozialen Medien, indem sie sich selber ethische Regeln geben, die die Persönlichkeitsrechte aller vor Diffamierung und Hetze schützen“, unterstrich Haß, die auch Vorsitzende des Trägervereins des Presserats ist.

Scheuer hatte dagegen argumentiert, seriöse Medien müssten heute alle bekannten Fakten äußern, um wilden Spekulationen Einhalt zu gebieten. „Seit es soziale Medien gibt, lässt sich ohnehin nichts mehr zurückhalten“, sagte der CSU-Politiker.

Mazyek sieht Defizite bei der Umsetzung des Pressekodex

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, hingegen sieht Defizite bei der Umsetzung des Pressekodex aus einer anderen Perspektive. Medienmacher beugten sich häufig dem Druck von rechts und stellten bei der Berichterstattung über Straftaten Herkunft oder Religion der Tatverdächtigen in den Vordergrund. Diese Vorgehensweise widerspreche aber dem Pressekodex, sagte Mazyek in einem Interview mit diesem Magazin.

Der ZMD-Vorsitzende fordert deshalb mehr muslimische Vertreter in Rundfunkräten. Gerade mit Blick auf die Berichterstattung über den Islam und die Muslime sei der Sitz in einem Rundfunkrat „eine wichtige Position, da es über die Rundfunkräte auch Korrektive gibt. Muslime zahlten „jährlich zig Millionen an Gebühren an die Anstalten“, ohne mitbestimmen zu können. Bislang sind Muslime nur in wenigen Medien- und Rundfunkräten vertreten.

Diskriminierungsrichtlinie wiederholt in der Kritik

Hintergrund der Debatte ist die Verhaftung eines minderjährigen Flüchtlings aus Afghanistan in Freiburg. Ihm wird vorgeworfen, eine Studentin vergewaltigt und ermordet zu haben. Die Tagesschau hatte am vergangenen Samstag entschieden, den Fall nicht in ihrer 20 Uhr-Hauptausgabe zu thematisieren. Dafür war die Redaktion in sozialen Netzwerken, aber auch in der Medienberichterstattung kritisiert worden.

Die Diskriminierungsrichtlinie geriet bereits nach den Silvester-Übergriffen in Köln in die Kritik. Das Plenum des Presserats sprach sich jedoch im März mit klarer Mehrheit für die Beibehaltung der Regel aus. Der Presserat ist das einzige Gremium zur freiwilligen Selbstkontrolle von Online- und Printmedien. Im Pressekodex formuliert er ethische Richtlinien für die Arbeit von Journalisten. (epd/mig)