Flüchtlingsbürokratie

In Bedingungen hausen, die man niemandem wünschen kann

Die Schaffung einer neuen Flüchtlingsbehörde in Berlin hat kaum Verbesserungen gebracht, kritisiert der Direktor der Berliner Stadtmission. Aufgrund bürokratischer Hürden müssten viele Familien in Turnhallen leben, obwohl Einrichtungen bereitstehen.

Der Direktor der Berliner Stadtmission, Joachim Lenz, hat die schleppende Unterbringung von Flüchtlingen in der Bundeshauptstadt scharf kritisiert. „Wir haben Menschen, die unter Bedingungen hausen müssen, die man niemandem wünschen kann“, sagte Lenz dem Evangelischen Pressedienst. Viele Familien müssten noch in Turnhallen leben. Dabei gebe es leerstehende Einrichtungen und Betreiber, die dafür bereitstehen. Die Ausschreibungen, die das neue Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten auf den Weg gebracht hat, seien allerdings juristisch angefochten worden.

Nach der Einschätzung des Betreibers zahlreicher Notunterkünfte hat die Schaffung der neuen Flüchtlingsbehörde keine wirklichen Verbesserungen gebracht. „Die Menschen, die dort arbeiten, sind dieselben, die vorher im Lageso gearbeitet haben“, sagte Lenz. Der Stadtmissionschef beklagte zudem die Zahlungsmoral der Behörde: „Die Betreiber gehen in die Knie, weil sie fest vereinbarte Abschlagszahlungen nicht bekommen.“

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Es sei weiterhin sehr schwierig, die Behörde auch nur zu einer Aussage zu bewegen, kritisierte der Theologe und Sozialmanager. „Es gibt wenig Mut bei den Beamten, einfach mal etwas Notwendiges anzuordnen.“ Angesichts der hohen Auflagen in Deutschland wollten viele nichts auf die eigene Kappe nehmen. Der Appell der Bundeskanzlerin im Vorjahr, bürokratische Vorschriften nicht zu eng auszulegen, sei verhallt: „Da hakt ganz viel.“ So warte die Stadtmission zum Beispiel seit fast einem Jahr auf einen Anschluss von Duschcontainern in einer Notunterkunft.

In diesem Winter ist Bedarf höher

Zur Adventszeit will die Stadtmission in ihren Einrichtungen deutsche Bräuche erläutern und die Geschichten dazu erzählen. „Als Christenmenschen glauben wir ja, dass die Welt, wie sie ist, nicht so bleiben muss, sondern dass Gott noch etwas Gutes mit ihr vorhat. Wenn wir diese hoffnungsvolle Perspektive an Geflüchtete weitergeben könnten, wäre das gut“, sagte Lenz. Wichtig sei aber, „dass keiner das Gefühl hat, er wird vereinnahmt.“

Der Chef der Stadtmission, die traditionell in der Hauptstadt auch Obdachlosenarbeit und Kältehilfe organisiert, wies Befürchtungen zurück, dass die Hilfe für Flüchtlinge zu Lasten von Obdachlosen gehen könne. „Im letzten Winter war sehr klar zu sehen, dass nichts zu Lasten von anderen Gruppen geht“, sagte Lenz. Der Senat habe es geschafft, die Zahl der Unterkunftsplätze zu erhöhen. „In diesem Winter ist der Bedarf aber noch höher“, schätzt der Sozialexperte. Die Kleiderkammern seien dank der großen Spendenbereitschaft der Bevölkerung gut gefüllt. (epd/mig)