Leben in Ungewissheit

Nach Trumps Wahl fürchten in USA Hunderttausende ihre Abschiebung

Der designierte US-Präsident will Einwanderer ohne Papiere ausweisen lassen. Unklar bleibt, nach welchen Kriterien Trump abschieben will. Mit schlimmen Folgen – nicht nur für die Betroffenen.

Noch fehlen die Details, aber die Angst ist groß: Im Wahlkampf drohte Donald Trump, er werde Migranten ohne Papiere abschieben. Jeder, der illegal eingereist sei, könne deportiert werden, verkündete er. Nach seiner Wahl ist nun das Leben für die rund elf Millionen Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung in den USA deutlich ungewisser geworden.

Auch Marybeth Onyeukwu weiß nicht, wie es mit ihr weitergeht. Die 30-Jährige kam im Alter von zwei Jahren ohne Papiere mit ihren Eltern aus Nigeria in die USA. Erst als Teenager habe sie von ihrem ungewissen Status erfahren, sagte sie dem Radiosender WAMU bei einer Konferenz des Hilfsverbandes Alianza Americas. Sie stehe nun vor der Tatsache, dass sie offenbar „jeden Augenblick abgeschoben werden könnte.“

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700.000 gaben Daten freiwillig

Durch Barack Obama hatte Onyeukwu Hoffnung geschöpft. 2012 ordnete der Präsident trotz heftiger republikanischer Proteste per Exekutivanweisung an, dass papierlose Einwanderer, die als Kinder in die USA kamen, arbeiten dürfen und von Abschiebung verschont bleiben. Mehr als 700.000 junge Menschen meldeten sich. Nun wissen diese Migranten nicht, was passieren wird. Wegen ihrer Anträge verfügt die Einwanderungsbehörde über ihre Daten.

Trump hat mehrmals betont, er werde die Exekutivanordnung rückgängig machen. Wann ist nicht bekannt. Unklar ist auch, nach welchen Kriterien Trump abschieben will. Im Fernsehsender CBS sagte der designierte Präsident, er konzentriere sich erst einmal auf Menschen „mit einer kriminellen Vergangenheit, Mitglieder von Gangs, Drogendealer“. Davon gebe es „vermutlich zwei Millionen, es könnten sogar drei Millionen sein“.

Unter Obama 2,5 Millionen abgeschoben

Diese Zahlen lassen sich nicht belegen. Das „Migration Policy Institute“, ein Think Tank zu Migrationsfragen, kam aufgrund von Regierungsdaten zur Schätzung, dass etwa 820.000 der Einwohner ohne Papiere vorbestraft sind, 300.000 davon wegen schwerer Straftaten. Barack Obama habe seine Abschiebungen auf diese Täter konzentriert. Nach Regierungsangaben sind unter Obama von 2009 bis 2015 zweieinhalb Millionen Menschen abgeschoben worden.

In vielen Kirchen stößt Trumps Abschiebungsvorhaben auf scharfe Kritik. Der Verband der römisch-katholischen Bischöfe wählte jüngst Erzbischof José Gomez zum Vizepräsidenten, einen Einwanderer aus Mexiko. In seiner Diözese Los Angeles machen Latinos 70 Prozent der Gläubigen aus. Laut dem katholischen Portal cruxnow.com sagte Gomez, Kinder hätten Angst seit den Wahlen. „Sie denken, die Regierung werde kommen und ihre Eltern deportieren.“

Kommunen stellen sich quer

Viele Kommunen stellen sich quer bei den Deportationen. Rund 350 Landkreise und Städte, darunter New York, Miami, Los Angeles, Chicago und Washington, verstehen sich als „Sanctuary“-Orte, also als Zufluchtsorte. Dort leistet die Polizei der Einwanderungsbehörde nur begrenzt Amtshilfe. Die örtlichen Behörden prüfen nicht einmal die Staatsangehörigkeit festgenommener Personen. Er werde an dieser Praxis festhalten, sagte der Polizeichef von Los Angeles, Charlie Beck, in der „Los Angeles Times“. Die Bürgermeister von Chicago, New York und Washington haben Ähnliches signalisiert. Trump drohte, er werde diesen Städten Finanzhilfen streichen.

Bei Trumps hartem Kurs ließe sich auch Geld verdienen. Der Aktienkurs von CoreCivic, dem größten Privatgefängnisunternehmen in den USA, schoss nach Trumps Wahlsieg in die Höhe. 60 Prozent der Betten in den rund 200 Haftanstalten der Einwanderungsbehörde werden von kommerziellen Firmen gemanagt.

Andere Industriesparten sind hingegen besorgt. Papierlose Einwanderer arbeiten vornehmlich in der Landwirtschaft, auf dem Bau und im Hotel- und Gastgewerbe. Die Landwirtschaft brauche Niedriglohnarbeiter, schrieb das Fachmagazin „Modern Farmer“. Es sei eine „große Ironie“, dass die ländlichen Gebieten überwältigend für Trump gestimmt hätten. Vielleicht nähmen Menschen dort an, Trump werde seine Versprechen nicht wahr machen. (epd/mig)