Entbehrliches Gesetz

Innenministerium will gegen religiöse Ehen Minderjähriger vorgehen

Beim Verbot von Kinderehen bringt das Bundesinnenministerium eine 2009 abgeschaffte Regelung wieder ins Gespräch. Es will religiöse Trauungen von Minderjährigen am Standesamt vorbei verbieten. Kirchen und Muslime sind überrascht.

In der Debatte um ein Verbot sogenannter Kinderehen will das Bundesinnenministerium religiöse Heiratsrituale mit Minderjährigen am Standesamt vorbei untersagen. Ein Sprecher bestätigte am Mittwoch in Berlin einen Bericht der Welt, nach dem ein Vorschlag unterbreitet wurde, solche Eheschließungen als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Die Geldbuße soll dem Bericht zufolge bis zu 1.000 Euro betragen.

Dem Sprecher zufolge regt das Innenministerium dafür eine Änderung des Personenstandsgesetzes an. Für religiöse Eheschließungen soll dort wieder ein sogenanntes Voraustrauungs-Verbot eingeführt werden, zumindest für Ehen mit Minderjährigen.

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Ein entbehrliches Gesetz

Solch ein Verbot hatte es früher bereits gegeben. Es besagte bis Ende 2008, dass religiös – in der Regel hieß das in Deutschland kirchlich – geschlossene Ehen nur möglich sind, wenn sie zuvor auch vor dem Standesamt zivilrechtlich eingegangen wurden. 2009 entfiel die Regelung im reformierten Personenstandsrecht, weil sie inzwischen für entbehrlich gehalten wurde. In beiden Kirchen gehört es heute zur Praxis, nur standesamtlich verheiratete Paare zu trauen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) veröffentlichte 2009 eine Orientierungshilfe, in der sie bekräftigt, dass eine kirchliche Trauung eine zivilrechtliche Eheschließung voraussetzt.

Eine Wiedereinführung des Voraustrauungs-Verbots hätte damit wahrscheinlich keine Auswirkungen auf die Kirchen, auch wenn das Verbot für sie genauso gelten würde. Aus der EKD hieß es zudem, es gebe zwar keine Statistiken über das Alter von Brautleuten, man gehe aber davon aus, dass die Zahl von Trauungen mit Minderjährigen gen Null tendiere. Eine ähnliche Praxis pflegen auch Imame aus der Türkei. Sie unterstehen der türkischen Religionsbehörde Diyanet und dürfen Eheschließungen ebenfalls nur vornehmen, wenn die Ehe zuvor vor einem Standesbeamten geschlossen wurde.

Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte dem Evangelischen Pressedienst, in Moscheen seines Verbands würden Trauungen ebenfalls generell erst vorgenommen, nachdem die standesamtliche Urkunde vorliegt. Er wies aber auch darauf hin, dass nach deutschem Recht 16- und 17-Jährige unter bestimmten Umständen heiraten dürfen. „Diese Regelung sollte bei der Erfassung im Ausland entstandener Eheschließungen ebenso berücksichtigt werden“, sagte er.

Statistikamt: Dutzende Ehen von Minderjährigen

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe berät derzeit unter Federführung des Bundesjustizministeriums über ein mögliches Verbot sogenannter Kinderehen, die durch die Flüchtlingszuwanderung aus muslimisch geprägten Ländern in den Fokus geraten sind. Im Ausländerzentralregister waren Ende Juli dieses Jahres 1.475 ausländische Jugendliche als „verheiratet“ verzeichnet, davon 481 unter 16 Jahren. 1.152 minderjährige Ehepartner waren Mädchen.

Im Ausland von Minderjährigen geschlossene Ehen werden unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland anerkannt. Das deutsche Recht schreibt ein Mindestheiratsalter von 18 Jahren vor, in Ausnahmen von 16 Jahren.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gingen in den vergangenen Jahren auch dutzende Minderjährige mit deutscher Staatsangehörigkeit eine Ehe ein. 2015 waren es 67 16- und 17-Jährige, davon 63 Mädchen. Demgegenüber gibt die Statistik 47 Eheschließungen ausländischer Minderjähriger aus. 2014 gingen 50 deutsche 16- und 17-Jährige eine Ehe ein, 2013 waren es 55. (epd/mig)