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Die Polizei im Einsatz Caruso Pinguin @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Stellvertreterkrieg

Stimmung in Bautzen weiter aufgeheizt

"Unserers Landes nicht würdig": Die Bundesregierung verurteilt die Gewalt im sächsischen Bautzen. Dort kam es erneut zu fremdenfeindlichen Protesten, die aber nicht in Gewalt umschlugen. Weitere Demos wurden vorerst abgesagt.

Montag, 19.09.2016, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 19.09.2016, 18:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Im sächsischen Bautzen bleibt die Situation nach den Zusammenstößen zwischen Rechten und Flüchtlingen in den vergangenen Tagen angespannt. Fremdenfeindliche Gruppen kündigten im Internet an, ihre Proteste gegen Asylbewerber vorerst zu stoppen. Sollte es aber nicht „zu einer spürbaren Verbesserung der Situation in der Stadt“ kommen, werde es neue Kundgebungen geben, hieß es auf der Facebook-Seite „Die Sachsen Demonstrationen“. Oberbürgermeister Alexander Ahrens (parteilos) erklärte, er sei zu einem Gespräch mit den rechten Initiatoren der Proteste bereit.

Die Bundesregierung verurteilte unterdessen die Ausschreitungen vom Mittwoch zwischen Flüchtlingen und Deutschen. Es müsse dafür gesorgt werden, dass die Gesetze sowohl von Asylbewerbern als auch von einheimischen Bürgern eingehalten werden, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin. Aggressive, fremdenfeindliche und gewalttätige Ausschreitungen seien „unseres Landes nicht würdig“, betonte sie.

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Ausgehverbot für Flüchtlinge

Am Mittwochabend waren rund 20 junge Flüchtlinge und etwa 80 gewaltbereite Jugendliche, zum großen Teil rechtsextreme Einheimische, aufeinander losgegangen. Die Polizei trennte beide Lager und verhinderte so eine größere Eskalation. Für minderjährige Flüchtlinge wurde anschließend ein Ausgehverbot verhängt.

Am Donnerstagabend versammelten sich erneut etwa 350 Menschen um den zentralen Bautzner Kornmarkt. Viele von ihnen waren „augenscheinlich dem rechten Spektrum“ zuzuordnen. Anders als zuvor blieb es jedoch weitgehend friedlich.

Bürgermeisterin räumt Versäumnisse ein

Der stellvertretende Ministerpräsident Sachsens, Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig (SPD), erklärte, die Ereignisse in Bautzen und anderen sächsischen Orten zeigten, „dass Integration kein Selbstläufer ist“. „Wir brauchen ausreichend Personal, um diese große Aufgabe zu lösen.“ Gerade geflüchtete Kinder und Jugendliche dürften nicht sich selbst überlassen werden. Um die Situation vor Ort zu befrieden, setze er auf eine starke Bürgergesellschaft.

Oberbürgermeister Ahrens räumte nach den Unruhen Versäumnisse ein: „Ich sehe das schon selbstkritisch, dass wir hier die Entwicklung auf dem Kornmarkt ein bisschen unterschätzt haben. Dass es dann so eskaliert, damit habe ich auch nicht gerechnet“, sagte Ahrens dem Hessischen Rundfunk. Er kündigte den Einsatz von Sozialarbeitern auf dem Platz an und versprach mehr Polizeipräsenz.

Ausländerbeauftragte: Beängstigende Gemengenlage

Zu der Ankündigung der rechtsgerichteten Demonstranten, vorerst die Proteste zu stoppen, erklärte Ahrens: „Zu einem sachlichen Gespräch bin ich immer bereit“. Dabei könne auch über Versäumnisse und Missstände gesprochen werden. Bedingungen lehnte er indes ab. Die Rechtsextremen hatten unter anderem erklärt, „Gruppierungen von trinkenden, pöbelnden und aggressiven Asylbewerbern» würden nicht mehr geduldet.“

Der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth (CDU) sprach von einer „beängstigenden Gemengelage“ in Bautzen. Unabhängig von der notwendigen weiteren Aufklärung der Ereignisse hätten „beteiligte Gruppen“ und hinter ihnen Stehende Bautzen „möglicherweise als strategisches Ziel für eine Art Stellvertreterkrieg ausgewählt“.

Die ostsächsische Stadt war bereits in der Vergangenheit in die Schlagzeilen geraten, als Einwohner den Brand einer geplanten Flüchtlingsunterkunft bejubelten und Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Besuch von Pöblern als „Volksverräter“ beleidigt wurde. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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  1. Volker K. sagt:

    Es steht wohl außer Frage, daß man die Gewaltausbrüche nicht dulden darf. Keine Gruppierung hat das Recht sich über das Gewaltmonopol des Staates zu stellen, so lange dieser auch Willens und in der Lage ist dieses Gewaltmonopol auch deutlich und angebracht wahrzunehmen. Ich habe keine Ahnung wie es konkret in Bautzen zugeht und ob nicht gerade durch eine gewisse Untätigkeit der Staatsgewalt dort rechtsfreie Räume entstanden sind. Dazu müßte man vor Ort sein und sich selbst ein Bild von der Situation machen. Was mir allerdings sehr gut gefällt ist, daß Ahrens Gesprächsbereit ist um die Betroffenen anzuhören und um sie zu verstehen. Ein wichtiger und besonders mutiger Schritt, der deutlich hervorgehoben werden muß. Schließlich spielt es keine Rolle welche Gesinnung in den Köpfen der Bautzener herumgeistert, denn niemand kann den Einheimischen dort das Recht absprechen auf geordnete Zustände in ihrer Heimatstadt zu bestehen. Da geht es nicht um Links oder Rechts,da geht es um das Recht der Bürger auf eine sichere und friedliche Heimatstadt. Wenn die Bautzener das Gefühl haben, daß beides nicht mehr gewährleistet wird, dann dürfen sie natürlich dagegen demonstrieren. Und sie müssen Ernst genommen warden und Ahrens scheint das begriffen zu haben. Dafür steht auch die Bereitschaft Selbstkritik zu äußern. Wieder ein mutiger Schritt.