Grexit-Berichterstattung

Studie wirft Öffentlich-Rechtlichen mangelnde Neutralität vor

Eine Studie im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung wirft ARD und ZDF vor, unausgewogen und parteiisch über die Staatsschuldenkrise in Griechenland berichtet zu haben. Die Sender weisen die Kritik zurück.

Die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF haben laut einer Studie in ihrer Berichterstattung auf dem Höhepunkt der griechischen Staatsschuldenkrise 2015 zentrale Qualitätskriterien verletzt. Die Berichterstattung sei vielfach unausgewogen gewesen, das Gebot der Neutralität oft verletzt worden, urteilen die Studien-Autoren rund um den Wirtschaftsjournalismus-Professor Kim Otto aus Würzburg. Die Autoren analysierten alle Sendungen von „Tagesschau“, „heute“, „Brennpunkt“ und „ZDF Spezial“ zur Staatsschuldenkrise. Die am Donnerstag veröffentlichte Studie wurde im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung erstellt. Die Sender weisen die Kritik zurück.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei zur Ausgewogenheit verpflichtet, erklärte Otto: „Dazu gehören das Gebot einer fairen und unabhängigen Berichterstattung und die Verpflichtung zur Überparteilichkeit.“ Dies sei nur teilweise erfüllt worden. In gerade einmal zehn Prozent der Beiträge zur Staatsschuldenkrise war die griechische Regierung mit einem Statement präsent, der Anteil der deutschen Regierung sei mehr als doppelt so hoch gewesen. Zudem sei die griechische Regierung zehnmal öfter von Journalisten kritisiert als positiv beurteilt worden. Auch hier kam die deutsche Regierung deutlich günstiger davon und wurde nur zweimal öfter negativ als positiv bewertet, erklärten die Autoren von „Die Griechen provozieren!“.

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Trennung von Nachricht und Meinung missachtet

Auch die Trennung von Nachrichten und Meinungen sei oftmals nicht eingehalten worden. In jedem zehnten Bericht hätten Journalisten eine Bewertung der griechischen oder deutschen Regierung aus dem „Off“ vorgenommen, im „Brennpunkt“ sei die Trennung sogar in jedem vierten Beitrag missachtet worden. Zudem sei die Berichterstattung nur auf wenige Reformvorschläge und Politikfelder fokussiert und damit weitgehend an der Oberfläche geblieben. In etlichen Beiträgen sei nur von „den Reformen“ gesprochen worden. Dies spreche für eine „geringe analytische Qualität der Nachrichtenberichterstattung“, erklärte Otto. Viele Beiträge hätten sich stark auf den möglichen „Grexit“ fixiert.

Der Geschäftsführer der Otto-Brenner-Stiftung, Jupp Legrand, warnte davor, die Ergebnisse der „empirisch breit angelegten und sorgfältig durchgeführten Studie“ einseitig auszuschlachten und zur pauschalen Diskreditierung öffentlich-rechtlicher TV-Berichterstattung zu nutzen. Die Sender seien nun gefordert, „sich dieser fundierten Kritik zu stellen und Anregungen zu nutzen, damit zukünftig solche Einseitigkeiten vermieden werden können“, betonte Legrand. Die Ausgewogenheit, Neutralität und Tiefe öffentlich-rechtlicher Berichterstattung sei vor allem in Krisenzeiten wichtig.

Die Berichterstattung über die Schuldenkrise in Griechenland war vor allem unter den in Deutschland lebenden Deutsch-Griechen auf Unverständnis gestoßen. Als zu einseitig wurden Nachrichtensendungen kritisiert, über Entwicklungen oder Argumente der grischichen Seite seien kaum berichtet worden.

ARD und ZDF weisen Vorwürfe zurück

Das ZDF teilte auf Anfrage mit, man nehme die Studie interessiert zur Kenntnis: „Die angewendete Methodik können wir dagegen an vielen Stellen nicht nachvollziehen.“ So seien Sendungen mit unterschiedlichen Aufgaben – Nachrichten und Sondersendungen – in einen Topf geworfen und Nachrichtenmagazine wie das „heute-journal“ trotz ihrer wichtigen Rolle ausgeklammert worden. Dass das ZDF als deutscher TV-Sender gerade auch über die hiesige Debatte zur griechischen Schuldenkrise berichtet habe, sei keine Unausgewogenheit, sondern Aufgabe des ZDF. Man könne die aus der Studie gezogenen Schlussfolgerungen „nicht teilen“, beteilige sich aber gerne an der kritischen Diskussion.

Die ARD kritisierte Methodik und Systematik der Studie mit deutlichen Worten. Sie sei „insgesamt leider pauschalisierend, nicht sachgerecht und wenig hilfreich“, erklärte ARD-Chefredakteur Rainald Becker. So definiere die Studie die zur Beurteilung herangezogenen Kriterien wie Neutralität, analytische Qualität und Ausgewogenheit rein quantitativ und nicht journalistisch. Dabei werde ein Bericht bereits als nicht neutral eingestuft, wenn er etwa „Adjektive, Substantive oder Verben“ enthalte, die „andere Akteure beschreiben“, wobei die „Ausrichtung der Wertung“ unerheblich sei. Das Zählen von Adjektiven ohne Kontext erlaube aus journalistischer Sicht „keine Aussage über die Qualität“. (epd/mig)