Trotz Integration

Junge Flüchtlinge ringen um Bleibeperspektiven

Mehr als 3.350 junge Flüchtlinge haben bis Ende vergangenen Jahres eine Aufenthaltserlaubnis nach den neu eingeführten gesetzlichen Erleichterungen bekommen. Für sie endet der unsichere Status der Duldung. Doch der Weg dahin ist nicht immer leicht.

Vor mehr als einem Jahr hat Mamadou Diallo (Name geändert) einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis gestellt, weil er alle Kriterien erfüllt, die aus Behördensicht für gut integrierte Jugendliche gelten: Er ist vor seinem 14. Lebensjahr eingereist, hat bereits mehr als vier Jahre in Deutschland gelebt und erfolgreich die Schule besucht. Und: Der Antrag wurde vor seinem 21. Lebensjahr gestellt. Aber Mamadou hat keinen Pass, und so wartet er trotz aller gesetzlicher Erleichterungen immer noch auf seine Aufenthaltserlaubnis.

Die Regelung, gut integrierten Jugendlichen einen gesicherten Aufenthalt leichter zu ermöglichen, wurde 2011 eingeführt, um jahrelange Kettenduldungen bei jungen Menschen zu vermeiden. Im August 2015 wurden mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung weitere Erleichterungen geschaffen.

___STEADY_PAYWALL___

Seitdem gilt nicht mehr die Voraussetzung, dass die Jugendlichen in Deutschland geboren oder vor Vollendung des 14. Lebensjahres eingereist sein müssen. Eine Aufenthaltserlaubnis, in der Regel für zunächst drei Jahre, ist bereits nach vierjährigem Aufenthalt und erfolgreichem Schulbesuch möglich. Die Altersgrenze wurde damals jedoch nicht, wie von Pro Asyl und Wohlfahrtsverbänden gefordert, von 21 auf 27 Jahre angehoben. Damit können Jugendliche, die mit 17 Jahren nach Deutschland kommen, nicht von dieser Regelung profitieren.

Bundesweit sind es mehr als 3.350 Jugendliche, die nach dem neuen Paragrafen im Aufenthaltsgesetz bis Ende vergangenen Jahres ihre Duldung in einen rechtmäßigen Aufenthalt geändert haben. Allein in Nordrhein-Westfalen waren es nach Angaben des Bundesinnenministeriums fast 1.200, in Baden-Württemberg über 318, in Niedersachsen rund 350, in Bayern 162 und in Hessen 174. In Berlin, Hamburg und Rheinland-Pfalz haben jeweils um die 130 Jugendliche einen befristeten Aufenthalt bekommen. Schlusslichter sind die neuen Bundesländer mit Zahlen zwischen 26 in Brandenburg und Sachsen-Anhalt mit 89 Jugendlichen. Dem Bundesinnenministerium liegen nach eigenen Angaben weder Informationen zur gesamten Zahl gestellter Anträge vor, noch zu den häufigsten Ablehnungsgründen.

Diallo kam als 13-Jähriger 2009 aus Guinea nach Hamburg. Er hat einen Hauptschulabschluss und einen Ausbildungsplatz. Der Weg dahin war lang: „Das Problem heißt Arbeitsgenehmigung“, sagt Franziska Gottschalk. Sie leitet die Beratungsstelle „Utkiek“ für junge Erwachsene.

Vieles habe sich für Menschen mit einer Duldung verbessert, sagt die Sozialpädagogin. Die Prüfung, ob auch ein Deutscher oder ein EU-Bürger den Job machen könne, entfalle bei Arbeitsangeboten. Gehe es aber um Ausbildungsplätze, entscheide die Ausländerbehörde. Die Bearbeitung der Anträge dort sei sehr zeitintensiv. Häufig werde unterstellt, dass Mitwirkungspflichten verletzt wurden, etwa wenn kein Pass beschafft werden konnte, berichtet Gottschalk. Einen Ausbildungsplatz gebe es dann nicht.

So war es auch bei Diallo, der zwar eine Geburtsurkunde, aber keinen Pass vorlegen konnte. Der Grund: Die Botschaft in Berlin stellt keine neuen biometrische Pässe aus. Ein Teufelskreis: ohne Pass keine Aufenthaltserlaubnis, ohne Aufenthaltserlaubnis in der Regel keine betriebliche Ausbildung. Erst ein Jahr nach seinem Hautschulabschluss erhielt Diallo, trotz Duldung, die Arbeitsgenehmigung für die Ausbildung zum Fachlageristen.

„Es bleibt schwierig, die Jugendlichen werden oft ausgebremst“, sagt Claudius Brenneisen, Rechtsanwalt in Hamburg. So würden afghanische Pässe häufig nicht akzeptiert, weil sie pauschal als nicht sicher gelten. Sie würden allenfalls in Kombination mit einer afghanischen Kennkarte, der sogenannten Tazkira, akzeptiert. Diese wiederum sei im Ausland besonders schwierig zu bekommen, vor allem für afghanische Jugendliche, die im Iran geboren sind, berichtet Brenneisen.

Das letzte Wegstück zu einer Aufenthaltserlaubnis hat Diallo geschafft: Bei einer guineischen Botschaftsdelegation, die vor kurzem in Berlin war, konnte er einen Pass beantragen. Wenn der vorliegt, kann dort seine Aufenthaltserlaubnis eingestempelt werden. (epd/mig)