Reform

Jeder darf nun ein Girokonto haben

Miete überweisen, mit EC-Karte zahlen, Geld abheben – das erscheint ganz selbstverständlich. Doch nicht wenige Menschen sind von solchen Transaktionen ausgeschlossen: Denn sie haben kein Girokonto weil sie Asylsuchende sind oder mit einer Duldung leben. Das soll sich jetzt ändern.

Der Ausschluss vom bargeldlosen Zahlungsverkehr soll in Kürze der Vergangenheit angehören. Vom 19. Juni an hat jeder Bürger das Recht auf ein sogenanntes Basiskonto. Dieses Recht erhalten auch Asylsuchende und Menschen, die mit Duldung hier leben. Damit wird die Europäische Zahlungskontenrichtlinie in Deutschland umgesetzt.

Bereits 1995 versuchten Banken und Sparkassen, das Problem der Kontolosigkeit anzupacken: Der Zentrale Kreditausschuss (ZKA) erließ das Recht auf ein Guthabenkonto in Form einer freiwilligen Selbstverpflichtung. Funktioniert hat das allerdings nicht, sagt Helmut Hartl von der Schuldner- und Insolvenzberatung des Diakonischen Werks in Ingolstadt: „Die Selbstverpflichtung brachte wenig. Wir haben in unserer langjährigen Arbeit sehr viele Menschen erlebt, denen die Eröffnung eines Girokonto verwehrt wurde.“

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Das soll sich nun ändern, wenn es ab nächster Woche für alle Bürger in der EU das Recht geben wird, ein Konto zu eröffnen. Ohne Girokonto, sagt Hartl, sei man ein Mensch zweiter Klasse. Die Betroffenen hätten große Probleme, einen Job zu bekommen, Schwierigkeiten beim Zahlen laufender Beträge für Miete, Strom oder Telefon. Nach Schätzungen haben rund eine Million Menschen in Deutschland kein Girokonto.

Inhaber des neuen Basiskontos erhalten in der Regel kein Recht, Schulden zu machen – also keinen Überziehungsrahmen. Auf der anderen Seite erhalten sie einen besonderen Schutz: Banken dürfen gemäß der EU-Richtlinie nur „angemessene Entgelte“ erheben.

Weigerte sich ein Kreditinstitut bisher, ein Girokonto einzurichten, konnte sich der Kunde an den Ombudsmann der Öffentlichen Banken wenden. „Diesbezügliche Beschwerden stellen in den außergerichtlichen Schlichtungsverfahren der Kreditwirtschaft jedoch eine Ausnahme dar“, betont Kerstin Altendorf, Pressesprecherin des Bundesverbands deutscher Banken.

Ab 19. Juni darf eine Bank die Eröffnung eines Basiskontos nur in wenigen Fällen ablehnen – etwa wenn bereits ein funktionierendes Konto vorhanden ist. Die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen betont, dass ein Nein wegen einer schlechten Schufa-Auskunft oder bei laufenden Pfändungen hingegen nicht erlaubt sei. Außerdem müsse die Bank ihre Ablehnung schriftlich begründen.

Wird nun die Europäische Zahlungskontenrichtlinie umgesetzt, sei das für die Sparkassen nichts wesentlich Neues, sagt Pressesprecherin Eva Mang vom bayerischen Sparkassenverband. Denn die Sparkassen hätten 2012 eine bundesweite Selbstverpflichtung abgegeben. Danach erhalte jede Person auf Wunsch ein sogenanntes Bürgerkonto. „Damit sind Basisdienstleistungen wie Überweisungen, Ein- und Auszahlungen, Lastschriften und Kartenzahlung abgedeckt“, erklärt Mang.

Jürgen Gros von den Genossenschaftsbanken im Freistaat erwartet, dass es mit dem Recht auf ein Basiskonto „hierzulande keinen Ansturm auf die Bankfilialen geben wird“. Das sehe in anderen EU-Ländern allerdings anders aus: „Insbesondere in Osteuropa ist es um die Versorgung der Bevölkerung mit Bankdienstleistungen deutlich schlechter bestellt als bei uns.“ (epd/mig)