Flüchtling, Rassismus, Sachsen, Supermarkt
Bürgerwehr schleppt Flüchtling aus dem Supermarkt und fesselt ihn an einen Baum © Szene aus einem Vimeo-Video (Archiv)

"Was willst du hier?"

Bürgerwehr fesselt Asylbewerber an Baum

Der Überfall auf einen 21-jährigen Iraker im sächsischen Arnsdorf sorgt für Aufsehen. Der Mann wurde an einen Baum gefesselt. Die Polizei ließ die Täter zunächst laufen. Jetzt ermittelt auch der Staatsschutz.

Donnerstag, 02.06.2016, 15:58 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 31.07.2017, 10:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In Sachsen hat eine mutmaßliche „Bürgerwehr“ einen irakischen Asylbewerber aus einem Supermarkt gezerrt und mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt. Dabei wurde der 21-Jährige laut Medienberichten auch geschlagen. Die Polizei ließ die mutmaßlichen Täter zunächst laufen und ermittelte anfangs gegen Unbekannt. Inzwischen wurden mindestens drei Tatverdächtige ermittelt, wie die Polizei am Donnerstag in Görlitz mitteilte.

Der Vorfall, über den die Sächsische Zeitung und die Bild-Zeitung berichteten, ereignete sich bereits am 21. Mai in Arnsdorf im Landkreis Bautzen. Der Vorfall wurde durch ein Video öffentlich, das in rechtsextremen Kreisen über soziale Netzwerke verbreitet und menschenverachtend kommentiert wurde.

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„Was willst du hier?“

In dem Video ist unter anderem zu sehen, wie drei schwarz gekleidete Männer den Laden betreten und zielstrebig auf den Iraker zugehen. Einer ballt die Faust, ein anderer entwendet ihm eine Flasche, die er in der Hand hält, packt ihn und führt ihn in Richtung Ausgang. Der junge Mann wehrt sich, wird geschubst und geschlagen und schließlich brutal vor die Tür gebracht. Während des Gerangels ist zu hören, wie einer der Angreifer „Was willst du hier?“ schreit. Das Video endet mit den Worten einer Frau im Geschäft: „Ist schon schade, dass man ’ne Bürgerwehr braucht.“

Polizei macht Fall nach zwei Wochen öffentlich

Die Polizei ermittelte drei tatverdächtige Männer im Alter von 29, 49 und 54 Jahren, die im Raum Arnsdorf wohnen und bislang noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten waren, wie die Polizeidirektion Görlitz mitteilte. Auch seien zahlreiche Hinweise zu weiteren beteiligten Personen eingegangen. Die Untersuchungen der Ermittler, darunter Beamte des Staatsschutzes, dauerten an.

„Wir werden die Geschehnisse, auch das Handeln der vor Ort eingesetzten Streife, untersuchen“, erklärte der Görlitzer Polizeipräsident Conny Stiehl. Nach seinen Angaben hatte einer der nun Tatverdächtigen die Polizei am Abend des 21. Mai über den Vorfall informiert, allerdings einen Ladendiebstahl in dem Arnsdorfer Supermarkt gemeldet. Vor Ort habe sich der Sachverhalt dann anders herausgestellt. Einen Ladendiebstahl gab es laut Stiehl dort nicht. Warum die Polizei den Fall erst nach knapp zwei Wochen öffentlich gemacht hat, blieb unklar.

Einer der Angreifer ein CDU-Politiker

Nach Polizeiangaben zufolge ist der Iraker Patient des psychiatrischen Krankenhauses Arnsdorf. Er habe niemanden verletzt oder etwas beschädigt. Allerdings sei er nach Unklarheiten um eine von ihm gekaufte SIM-Karte wütend geworden und habe Mitarbeiter bedroht, hieß es.

Zeit Online berichtete von vier mutmaßlichen Tätern. Einer der vier Männer sei ein lokaler CDU-Politiker. Er wohne gegenüber des Supermarktes und habe spontan eingegriffen, als er am Gartenzaun mitbekommen habe, dass es laut wurde, heißt es in dem Bericht. Bei den Männern, die in dem Video zu sehen sind, handele es sich aber nach Aussagen des Lokalpolitikers nicht um eine Bürgerwehr.

Anton Hofreiter: Erschreckend

Der Politiker sitzt für die CDU im Gemeinderat. Dort soll er laut Zeit Online gesagt haben: „Wir haben Zivilcourage gezeigt.“ Auch wenn es ein Deutscher gewesen wäre, hätte er eingegriffen, wird der Politiker zitiert.

Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, erklärte: „Es ist erschreckend und zutiefst beunruhigend, was sich im sächsischen Arnsdorf abgespielt hat.“ Der Vorfall zeige, „dass Rassismus und Menschenfeindlichkeit zu einer traurigen Realität in Sachsen gehören“. „Bürgerwehren“, die meinten das Recht selbst in die Hand zu nehmen, dürften nicht zugelassen werden, forderte der Oppositionspolitiker. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel

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