Law Clinic

Studenten beraten gratis in Asylverfahren

Wann kann ich arbeiten? Wie kann ich meine Familie nachholen? Flüchtlinge haben viele Fragen, wenn sie nach Deutschland kommen. Studenten beraten sie gratis. Was sie über Asylrecht wissen müssen, lernen sie in einer Refugee Law Clinic. Von Jana Hofmann

Wenn sein Vortrag auf Arabisch oder Farsi übersetzt wird, ist Julian Klauke erleichtert: Diese Menschen darf er meist beruhigen. „Geflüchtete aus Syrien oder Afghanistan haben in der Regel gute Chancen auf Asyl in Deutschland“, weiß der Student. Spricht der Dolmetscher hingegen Somali, brauchen seine Zuhörer viel Geduld: Sie warten oft ein Jahr auf ihre erste Anhörung, berichtet der 26-Jährige Klauke berät seit über zwei Jahren Geflüchtete zum deutschen Asylverfahren.

Der Student hält Vorträge in Gießens Erstaufnahmeeinrichtungen, unterstützt aber auch bei individuellen Problemen und verfasst Härtefallanträge. „Ich habe das Bedürfnis, den Unterschied zu machen“, sagt der Student der Friedens- und Konfliktforschung: „Das sind Menschen, bei denen es darum geht, dass sie zu ihrem Recht kommen.“

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Ausgebildet hat ihn Deutschlands erste Refugee Law Clinic an der Uni Gießen. Seit 2007 werden dort Studenten aller Fachrichtungen zu Asylrechtsexperten. Mit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen entstanden „Flüchtlingsrechtskliniken“ auch in anderen Städten wie Köln, Berlin, Hamburg und München.

Der Begriff der „Law Clinic“ stammt aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum. In den USA würden ähnliche Einrichtungen ärmere Menschen bei Rechtsproblemen unterstützen, erklärt der Gründer der Gießener Refugee Law Clinic, Paul Tiedemann.

Der ehemalige Richter am Verwaltungsgericht in Frankfurt baute auch das Ausbildungsprogramm auf, das sich auf ein Jahr erstreckt. Im ersten Semester besuchen die Studenten eine Vorlesung zu Asylrecht. In den Semesterferien absolvieren sie ein Praktikum bei einem Rechtsanwalt oder einer Nichtregierungsorganisation. Im zweiten Semester nehmen sie an einem Seminar und an weiteren Übungen teil, in denen sie sich mit praktischen Fällen auseinandersetzen. Zugleich hospitieren sie bei Beratungsgesprächen durch fortgeschrittene Projektteilnehmer oder hauptamtliche Berater. Dann erst starten sie selbst in die Beratung in den Erstaufnahmeeinrichtungen.

Während Vorlesung und Seminar allen Studenten offenstehen, müssen sich die angehenden Asylrechtsexperten auf Plätze in der Refugee Law Clinic bewerben. Teilnehmen können Studenten aller Fachrichtungen. Das Interesse ist groß: Rund 100 Studenten besuchten die Kurse im Wintersemester. Nur rund ein Dutzend von ihnen konnte aber vertiefend ausgebildet werden, weil die Praktikumsplätze und Betreuungsmöglichkeiten begrenzt sind. Sogar aus dem drei Stunden entfernten Karlsruhe pendelten Studenten nach Gießen, um an der Refugee Law Clinic ausgebildet zu werden, erzählt Tiedemann.

Viele der Geflüchteten kämen aus Ländern ohne geordnete Verwaltungsverfahren, sagt der Professor für Flüchtlingsrecht und Menschenrechte. „Asylsuchende werden in Deutschland in ein System hineingeworfen, das ihnen total fremd ist.“ Daher seien sie auf die Rechtsberatung angewiesen.

Info Spendenkonto: Landesbank Hessen-Thüringen BIC/SWIFT: HELADEFF IBAN: DE98500500000001006550 Verwendungszweck: Spende für Refugee Law Clinic

Klauke hat eine ambivalente Einstellung zu seiner Arbeit: „Ich finde es kritisch, dass das Asylverfahren ehrenamtlich erklärt werden muss.“ Eine Aufklärung über die einzelnen Schritte des komplexen Verfahrens könnten die wenigen hauptamtlichen Helfer nicht für jeden Geflüchteten leisten.

Sein Ehrenamt konnte Klauke auch für die Uni nutzen. Die Vorlesung und das Seminar ließ er sich für sein Studium mit zwölf Leistungspunkten anrechnen. Die Beratung, das Praktikum bei einem Wohlfahrtsverband in Berlin und die regelmäßigen Treffen der Studenten absolvierte er zusätzlich zu Unialltag, Nebenjob und Studentenleben.

Im Moment schreibt Klauke seine Masterarbeit, bald steht der Berufseinstieg an. Er möchte sich auch nach der Uni weiter mit Asylpolitik beschäftigen: „Die Beratungserfahrung hilft mir dafür sicherlich.“ Und er denkt weiter: „Ich glaube, dass Juristen später ihren Beruf in einer Bank oder einer großen Anwaltsfirma anders ausüben werden, wenn sie mal mit Menschen konfrontiert worden sind, die in existenzieller Not sind.“ (epd/mig)