Vielfalt auch nach dem Tod

Einflüsse einer multikulturellen Gesellschaft am Lebensende

Muslime und Juden wollen ihre Toten schnell bestatten, Buddhisten wünschen sich kleine Häuschen auf ihren Gräbern, und Afrikaner würden auf dem Friedhof gerne tanzen: Mit den Einwanderern verändern sich deutsche Friedhöfe und gesetzliche Regeln.

Es war ihr innigster Wunsch: Nach ihrem Tod in Deutschland wollte die katholische Afrikanerin Augustine Lubondo va Kintimba wenigstens eine Bestattung nach heimatlichem Brauch. Also trugen die Hinterbliebenen auf dem Friedhof bunte Kleidung. Sie tanzten, trommelten und sangen freudige Lieder. Denn die Tote war für sie nun von Schmerzen erlöst und in einer besseren Welt. Aus Freude wurde der Sarg mit einem lauten „Yeah“ in die Höhe geworfen und wieder aufgefangen. Die deutschen Friedhofsmitarbeiter staunten nicht schlecht über das, was sie da zu sehen bekamen.

Die Vielfalt am Ende des Lebens nimmt zu. Das zeigt nicht nur das Geschehen auf dem Friedhof in Aachen, sondern auch die siebte Auflage der Bremer Kongressmesse „Leben und Tod“ Ende April mit 121 Ausstellern und vielen Vorträgen. Sie wendete sich insbesondere der Sterbe- und Trauerbegleitung in unterschiedlichen Kulturen zu. Bei der Geschichte von der Frau aus Ghana allerdings, die der Religionswissenschaftler, Sterbebegleiter und Lach-Yoga-Trainer Harald-Alexander Korp erzählt, wird schnell deutlich, dass da manches noch nicht zusammenpasst.

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Denn die Stadtverwaltung reagierte hartleibig und verhängte ein Bußgeld wegen Verstoßes gegen die kommunale Bestattungsverordnung. Begründung: „Die Beisetzung unter Trommelbegleitung erfolgte nicht in der Form eines ruhigen Trauerzuges, sondern tanzenderweise, wobei der Sarg mehrmals hochgeworfen wurde.“

Doch unabänderlich nehmen die Einflüsse unterschiedlicher Kulturen im Friedhofswesen zu. Während der Messe will Korp auch deutlich machen, dass es in allen religiösen Traditionen Riten gibt, die zum Ziel haben, den Tod mit Humor wenigstens erträglicher zu machen. Für Messe-Organisatorin Meike Wengler jedenfalls ist klar: „Gerade in Zeiten der Flucht und Trauer sollten wir mit Menschen aus anderen Kulturen in den Dialog treten – auch, wenn es um das Thema Sterben und Tod geht.“

Veränderungen zeigen sich auf den Friedhöfen bereits mit Blick auf besondere Gräberfelder beispielsweise für Muslime, die Richtung Mekka ausgerichtet sind. In Hamm sei vergangenes Jahr das europaweit erste Grabfeld speziell für Hindus eingerichtet worden, sagt die Religionswissenschaftlerin Corinna Kuhnen, die im Verlauf der Messe über Formen nichtchristlicher Bestattungen in Deutschland informiert. Ob das Angebot angenommen werde, müsse man allerdings erst abwarten: „Normalerweise bestatten Hindus die Asche ihrer Toten in einem fließenden Fluss, der für sie die Verbindung zwischen Erde und Himmel symbolisiert.“

Das Beispiel aus Hamm ist für die Expertin typisch für die Bestattungstraditionen von Einwanderern, die sich im Migrationsland angesichts struktureller, religiöser und sozialer Einflüsse verändern. „Die Rituale schwächen sich ab“, stellt Kuhnen fest. Sie verweist etwa auf den Mangel an hinduistischen Bestattungspriestern in Deutschland, auf gesetzliche Regelungen hierzulande und schlicht auf die Zeit, die es braucht, bis jemand unter die Erde kommt. Das soll bei Muslimen und Juden möglichst schnell geschehen, bei Juden beispielsweise innerhalb von 24 Stunden.

„Unter den deutschen Verhältnissen entsteht dann eine neue Bestattungskultur“, betont Kuhnen, die an der Universität Bremen mit einer Arbeit zum Thema „Fremder Tod“ promoviert hat. Sie findet es aber auch wichtig, dass sich das deutsche Bestattungsrecht mehr als bisher auf die Einwanderer einstellt. „Warum wird die Einrichtung eines muslimischen Friedhofs an das Körperschaftsrecht gebunden und wieso dürfen vietnamesische Buddhisten keine Häuschen über ihren Gräbern bauen, wie es bei ihnen Tradition ist?“, fragt sie und fügt hinzu: „Ich fände es schön, wenn die Friedhöfe bunter werden.“

Das würde sich ihr Kollege Korp auch mit Blick auf das Lachen auf dem Friedhof wünschen. Zumal Martin Luther schon gesagt haben soll, wenn er wüsste, dass der Herrgott keinen Spaß verstehe, „so wollte ich nicht in den Himmel kommen“. Für den Lach-Yoga-Trainer steht fest: „Wer dort lachen kann, wo er hätte heulen können, bekommt wieder Lust am Leben.“ Glücklicherweise, sagt er, gibt es dafür in Deutschland den Leichenschmaus, auch „das Fell versaufen“ genannt, bei dem es oft hoch her geht und mit einem Lachen ausgedrückt wird: „Das Leben geht weiter.“ (epd/mig)