Im Jahre 2013 hat der Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen (CERD) die Bundesregierung gerügt. Grund war die Untätigkeit der Staatsanwaltschaften nach den Äußerungen von Thilo Sarrazin. Trotz zahlreicher Anzeigen wurden alle Verfahren gegen ihn eingestellt. Laut CERD waren Sarrazins Äußerungen rassistisch und hätten geahndet werden müssen. Das sei nicht geschehen. Deshalb legte der Ausschuss der Bundesregierung auf, ihre Staatsanwälte und Richter im Sinne der CERD-Bestimmungen zu schulen.
Viel ist seit dem nicht passiert. Die Bundesregierung verschickte die Rüge – wie vom Ausschuss aufgetragen – in die Justizbehörden des Landes. Weitergehende Maßnahmen zur Sensibilisierung gegenüber Rassismus blieben jedoch aus. Im Gegenteil: Wie jetzt bekanntwurde, wurde in Berlin jetzt sogar eine Person befördert, der sich in der Vergangenheit ausgerechnet in diesem Kontext nicht mit Ruhm bekleckert hat.
Roman Reusch heißt der Mann. Er ist Vorstand des AfD-Landesverbands Brandenburg und seit Neuestem auch der neue leitende Oberstaatsanwalt in Berlin. Mit dieser Beförderung leitet er die Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter“. Dort wird entschieden, ob Inhaftierte an ihr Heimatländer ausgeliefert werden können.
Seine Meinung zum Thema hat Reusch unter anderem im Dezember 2007 bei einer Tagung der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung offengelegt: „Es muss erreicht werden, dass besonders auffällige ausländische Kriminelle außer Landes oder ’sonst aus dem Verkehr‘ gezogen werden können, damit sie – insbesondere nachwachsenden Kindern und Jugendlichen – kein Beispiel mehr geben und andere zur Nachahmung animieren können.“
In einer Spiegel-Ausgabe aus dem Jahr 2008 wird „Hardliner“ Reusch wie folgt zitiert: „Kinder krimineller Sippen“ sollten nicht eingebürgert werden, da sie aller Voraussicht nach „ihrerseits kriminell würden“. Damals saß Reusch noch bei der Staatsanwaltschaft Berlin in der Abteilung 47, die sich um jugendliche Intensivtäter kümmert. Er durfte aufgrund seiner Einlassungen nicht mehr mit der Presse reden und wurde von Justizsenatorin Gisela von der Aue versetzt. Das Boulevardblatt-Bild hatte ihn zum „Deutschlands mutigstem Staatsanwalt“ gekürt. In der TAZ wiederum stand über Reusch: „Er hat sich gezielt über das Recht hinweggesetzt.“
„Es ist ein Skandal, dass ein Staatsanwalt, der wegen seinen äußerst diskriminierenden Aussagen zuvor von der Intensivtäter-Abteilung der Staatsanwaltschaft versetzt worden war, nun leitender Oberstaatsanwalt wird“, so Ayşe Demir, Vorstandssprecherin des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg. Es sei schon mehr als besorgniserregend, dass ein Vorstandsmitglied der AfD, die sich bekanntlich Ressentiments gegenüber Geflüchteten und dem Islam bediene, nun eine wichtige Position erhalte, erklärt Demir. (es)