"Schweden ist voll"

Rassismus gegen Flüchtlinge in einem ehemals toleranten Land

Angesichts der steigenden Zahl der Flüchtlinge wächst in Schweden die Zustimmung für die extrem rechten Schwedendemokraten. Mit ihrer rassistischen Hetze ist die Partei der ideologische und praktische Wegbereiter für Brandanschläge und gewalttätige Übergriffe auf Flüchtlinge. Von Michael Lausberg

Migration hat in Schweden eine lange und erfolgreiche Tradition. 1954 schufen Schweden, Dänemark, Norwegen und Island im Rahmen des „Nordischen Rates“ einen gemeinsamen Arbeitsmarkt. Ähnlich der erst später ins Leben gerufenen Freizügigkeit in der EU können sich die Bürger der nordeuropäischen Länder seither frei über Binnengrenzen hinweg bewegen und benötigen keine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis, wenn sie in einem nordischen Partnerstaat arbeiten wollen. Dem Freizügigkeitsabkommen trat später auch Finnland bei. Schweden hatte sich zu diesem Zeitpunkt zur führenden Wirtschafts- und Industrienation des Nordens entwickelt.

In den Sechziger- und frühen Siebzigerjahren wurden Arbeitsmigranten aktiv angeworben, zunächst in den Niederlanden, Westdeutschland, Italien, Österreich, Belgien und Griechenland, später auch in Jugoslawien und der Türkei. Bilaterale Abkommen wurden mit Italien, Österreich und Ungarn geschlossen und die Schwedische Arbeitsagentur Arbetsmarknadsstyrelsen richtete in Turin, Athen, Belgrad und Ankara Rekrutierungsbüros ein. Viele Migranten kamen auch aus dem damals im Vergleich zu Schweden weniger wohlhabenden Finnland. Anders als z.B. in Deutschland oder den Niederlanden verfolgte die schwedische Regierung keine „Gastarbeiterpolitik“, sondern ging von Beginn an davon aus, dass die zugewanderten Arbeitskräfte bleiben, sich integrieren und schließlich schwedische Staatsangehörige werden würden.

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1972/73 wurde die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte gestoppt, da die Wirtschaft erlahmte. Die Migrationsbewegungen setzten sich jedoch auch danach noch fort. Statt als angeworbene Arbeiter kommen Zuwanderer seither hauptsächlich im Rahmen des Familiennachzugs zu bereits in Schweden ansässigen Verwandten oder als Schutzsuchende (z.B. Flüchtlinge). Seit dem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 1995 gilt zudem auch in Schweden das Prinzip der Personenfreizügigkeit von EU-Bürgern. Auch dem Schengener Abkommen ist Schweden beigetreten, wodurch die Kontrollen an Grenzen mit anderen Vertragspartnern entfielen. Im Ergebnis führte Schweden an seinen Landgrenzen bislang keine Kontrollen mehr durch.

Schweden war lange Zeit das Land mit der großzügigsten Asylpolitik in Europa und nahm bereits vor den heutigen Flüchtlingsbewegungen – relativ zur Bevölkerungszahl von nur 9,8 Millionen Einwohnern – viel mehr Flüchtlinge auf als jedes andere EU-Land. Im Jahr 2014 wurden dort 13 % der Asylanträge in der EU registriert, während das Land weniger als 2 % der Einwohner hat. 2014 wurden insgesamt 81.300 Flüchtlinge in Schweden aufgenommen. Im Jahre 2014 kamen auf 1000 Einwohner 7,8 Asylbewerber, im Vergleich dazu waren es in Deutschland 2,1. Flüchtlinge erhielten nach der Anerkennung eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und konnten nach vier Jahren Aufenthalt die schwedische Staatsbürgerschaft erwerben. Bei Wohnraumbeschaffung, Familienzusammenführung und finanzieller Versorgung der Flüchtlinge wurde in Schweden großzügig verfahren.

Bereits bei der Reichstagswahl am 14. September 2014 erreichte die rechte Partei Schwedendemokraten knapp 13 % der Stimmen, in Umfragen vom August 2015 erreichte sie 23–25 %, mehr als jede andere schwedische Partei. Die Rechten warben als einzige Partei Schwedens schon immer dafür, weit weniger Flüchtlinge ins Land zu lassen als bisher, und wollen mit Anzeigen Flüchtlinge davon abhalten, ihre Flucht von der Türkei aus nach Schweden fortzusetzen.

Um eine unverhältnismäßig starke Konzentration der eingewanderten Bevölkerung an bestimmten Orten zu verhindern, versuchte die Regierung in der Vergangenheit, neu ins Land gekommene Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge über das ganze Land zu verteilen, ein Ansatz, der als „Ganz-Schweden“-Politik bekannt geworden ist. Dieser sollte auch erkennbaren Tendenzen der Alterung in entlegenen Regionen, insbesondere in Zentral- und Nordschweden, sowie der Entvölkerung kleiner Städte durch die Abwanderung junger Menschen in Städte im Süden des Landes entgegenwirken.

Die „Ganz-Schweden“-Politik hat im Laufe der vergangenen Jahre jedoch ein Dilemma heraufbeschworen: Gemeinden in Regionen, die unter Abwanderung und Überalterung leiden, erklärten sich bereit, Asylbewerber und Flüchtlinge aufzunehmen. Gleichzeitig aber mangelte es dort oftmals an Arbeitsplätzen, so dass Migranten, die dort untergebracht wurden, häufig versuchten, so schnell wie möglich in eine größere Stadt weiterzuziehen. In Städten wie Göteborg, Malmö oder Stockholm gibt es zwar tatsächlich eher freie Stellen, dafür aber nur wenige preiswerte Wohnungen. Dadurch kommt es verbreitet zur Konzentration von Migranten auf engem Raum in Vororten, was zu sozialen Spannungen beiträgt.

Die Prognose für die Zahl der 2015 gestellten Asylanträge wurde im Spätsommer 2015 von 90.000 auf 74.000 gesenkt, weil erhofft wurde, die im Vergleich zu Deutschland langen Bearbeitungszeiten würden potentielle Asylbewerber von einer Antragstellung in Schweden abhalten. In Anbetracht der Änderung der gesamten Situation wurde die Schätzung im Oktober 2015 auf bis zu 190.000 Asylsuchende im Jahr 2015 umgeändert. Es wurde mitgeteilt, dass die Menschen wohl nicht alle in winterfesten Unterkünften untergebracht  könnten. Die zusätzlichen Kosten der erhöhten Bewerberzahl bezifferte man auf 7,4 Milliarden Euro. Bei dem Besuch eines Aufnahmezentrums für Flüchtlinge Ende Oktober 2015 äußerte Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven in Anbetracht der angespannten Flüchtlingssituation im Land: „Wir sind in Schweden an der Grenze unserer Aufnahmekapazität“.

Anfang November 2015 erklärte der Ministerpräsident, dass die Kapazitäten nun „überdehnt“ seien und Flüchtlinge, die sich bereits in Schweden befänden, auf andere EU-Länder verteilt werden müssten. Eine Nachrichtenagentur verbreitete in dem Zusammenhang eine Kapazität von bis zu 54.000 Personen.

Am 11. November 2015 gab die Regierung Löfven bekannt, dass ab dem 12. November wieder Grenzkontrollen eingeführt werden. Von dieser Maßnahme, die zunächst auf zehn Tage befristet wurde, waren die Zug- und Autotrassen auf der Öresundbrücke sowie die Fährverbindungen in Südschweden betroffen.

Anfang Herbst stellten wöchentlich 10.000 Flüchtlinge in Schweden Asylanträge. Durch die ständig steigenden Flüchtlingszahlen, aber auch wegen der fehlenden Solidarität anderer EU-Länder fühlte sich die Regierung „überfordert“. Ende November 2015 beschloss die schwedische Regierung deshalb Verschärfungen im Asylrecht.

Auf Beschluss des schwedischen Parlaments wurden Mitte Dezember 2015 die bereits von Polizei und Transportunternehmen durchgeführten Passkontrollen auf den Fähren auf Busse und Züge, die aus Dänemark und Deutschland kommen, ausgedehnt. Flüchtlingen ohne Dokumente wurde die Einreise nicht mehr erlaubt. Außerdem ist vorgesehen, dass Personen, die als Flüchtlinge anerkannt werden, fortan nur auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt werden. Geplant ist auch die Einführung von zeitlichen Beschränkungen beim Familiennachzug und diesen nur noch zu gestatten, wenn ein Nachweis der finanziellen Selbstversorgung erbracht werden kann; praktisch ist dies meistens unmöglich. Die drastisch angestiegene Zahl von unbegleitet kommenden Flüchtlingskindern soll durch medizinische Alterstests begrenzt werden. Seit dem 4. Januar 2016 muss sich jede Person ausweisen, die aus Dänemark nach Schweden einreisen möchte. Am 7. Januar verlängerte Schweden diese Regelung bis zum 8. Februar 2016.

Die Regierung verschärfte die auch Regeln für die Aufnahme von Asylbewerbern. So wurde beispielsweise eine befristete Aufenthaltserlaubnis eingeführt. Einige Flüchtlinge, etwa Familien mit Kindern, sollen davon ausgenommen werden. Außerdem sollen Asylanträge schneller bearbeitet und abgewiesene Asylbewerber schneller zurückgeschickt werden, damit Unterkünfte für Neuankömmlinge frei werden. Am 28. Januar 2016 verkündete die Regierung Schwedens, dass das Land 80.000 Asylbewerber –das ist die Hälfte der 2015 aufgenommenen Personen– abschieben werde.

Auf ihrer Parteikonferenz Mitte Oktober 2015 schlugen die oppositionellen Konservativen eine Verschärfung der Praxis bei der Aufnahme von Flüchtlingen vor. Sie wollen die Vergabe von permanenten Aufenthaltsbewilligungen restriktiver gestalten und beim Familiennachzug strengere Kriterien einführen. Damit wandte sich die Parteichefin Anna Kinberg Batra vom Kurs ihres Vorgängers Fredrik Reinfeldt ab und begründete dies damit, dass sich die Situation geändert habe.

Diese wachsende Ablehnung der Einwanderung von Flüchtlingen und damit verbundene latente rassistische Stimmung war der Nährboden für Übergriffe auf Flüchtlinge, Brandanschläge auf deren Unterkünfte oder andere Gewalttaten bis hin zu Mord.

Bei einem Brandanschlag auf eine Moschee in Schweden am 23.12.2014 sind fünf Menschen verletzt worden. Der Sprengsatz entfachte einen Brand in dem Gotteshaus in Eskilstuna, rund 90 Kilometer westlich von Stockholm. In der Moschee, die sich im Erdgeschoss eines Wohnhauses befindet, hielten sich 15 bis 20 Menschen auf. Die Verletzten wurden mit Rauchvergiftungen, Schnittwunden und Knochenbrüchen ins Krankenhaus gebracht. Die Polizei leitete Ermittlungen wegen schwerer Brandstiftung ein. Der Vorsitzende der Vereinigung der Muslime in Schweden, Omar Mustafa, sagte im Radiosender SR, das Land erlebe einen zunehmenden „Hass gegen Muslime.“ 1

Aus rassistischen Motiven hat ein Mann, mit einem Schwert bewaffnet, in einer Schule in der Industriestadt Trollhättan Anfang 2015 einen Lehrer und einen Schüler getötet. Der Täter hatte im Internet Material verbreitet, in dem Adolf Hitler und Nazi-Deutschland glorifiziert wurden. Es ging demnach auch um Hetze gegen den Islam und Einwanderer.

Die schwedischen Medien berichteten im Oktober 2015 fast täglich von Zwischenfällen im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften. Ein Brand, der in einem bereits bewohnten Heim ausgebrochen war, wurde von der Polizei als „nicht spontan entstanden“ bezeichnet. Einen Tag später wurde in ein Gebäude nördlich von Stockholm eingebrochen, das als Flüchtlingsunterkunft vorgesehen war. Die Täter konnten jedoch fliehen, als Mitarbeiter eines Überwachungsdienstes auftauchten. Die Polizei fand später im Gebäude einen vorbereiteten Brandsatz. Andere Feuer in verschiedenen Teilen des Landes hatten ebenfalls einen rassistischen Hintergrund. So brannten in Arlöv in der Provinz Skaane Baracken nieder, in denen allein ankommende minderjährige Flüchtlingskinder untergebracht werden sollten.

In Städten wie Malmö an der Südspitze Schwedens oder Umeaa weit im Norden beschlossen die dortigen Behörden, die Adressen von vorgemerkten Gebäuden zur Unterbringung von Flüchtlingen aus Angst vor möglichen Brandanschlägen geheim zu halten.

Der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven zeigte sich über die Serie von Brandanschlägen „sehr beunruhigt“. Dies sei „nicht das Schweden, das ich sehen will und auf das ist stolz bin“. Gleichzeitig betonte er aber auch, dass das Land bei der Unterbringung von Flüchtlingen an die Grenzen seiner Kapazität stoße und gab damit der Ablehnung von Flüchtlingen weitere Nahrung.

Der gewaltsame Tod der 22-jährigen Flüchtlingshelferin Alexandra Mezher, die von einem 15-jährigen Jugendlichen Anfang Februar 2016 in einem Flüchtlingsheim erstochen wurde, schürte eine rassistische Pogromstimmung. Maskierte Männer hetzten in den folgenden Tagen Flüchtlinge durch die Straßen der schwedischen Hauptstadt: 50 bis hundert Angreifer gingen auf zufällig ausgewählte Migranten los. „Gebt den nordafrikanischen Straßenlümmeln die Prügel, die sie verdienen“, war auf den Flugzetteln zu lesen, die die Angreifer in Stockholm verteilt hatten. Die Polizei konnte die Angreifer vertreiben.

Das Svenska Dagbladet, eine der auflagestärkten Zeitungen in Schweden, schürte diese Stimmung und forderte die Ausweisung von straffällig gewordenen Ausländern.

Löfven war nach dem Mord sofort zum Ort des Geschehens geeilt, ein Vorort von Göteborg im Südwesten des Landes. Dort ist die Situation aufgrund der hohen Zahl der Flüchtlinge besonders angespannt. „Es gibt keine einfachen Lösungen“, sagte der Regierungschef.  Die Regierung kündigte in den folgenden Tagen an, die Ausweisung von Flüchtlingen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, mit mehr Nachdruck als bisher zu verfolgen. Mindestens 60.000 Menschen wären allein für das Jahr 2015 davon betroffen.

Der schwedische Geheimdienst hat als Verantwortliche für die diese Übergriffe Hooligans von lokalen Fußballclubs im Visier. Vor allem aus den Reihen der „Ultras“ der beiden Stockholmer Clubs AIK und Djurgarden sollen die Männer gekommen seien, die in der Stockholmer Innenstadt Jagd auf die Flüchtlinge gemacht hatten.

In Schweden hat die Polizei Anfang März 2016 insgesamt 14 Männer festgenommen, die offenbar ein Flüchtlingsheim überfallen wollten. Bei den Verdächtigen wurden Äxte, Messer und Eisenrohre gefunden. Die Ermittler gehen davon aus, dass eine Flüchtlingsunterkunft in Nynashamn, 60 Kilometer südlich von Stockholm, das Ziel des geplanten Anschlages war.

Neben den etablierten Parteien sind vor allem die rechten Schwedendemokraten mit ihrer rassistischen Hetze der ideologische und praktische Wegbereiter für Brandanschläge und gewalttätigen Übergriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte. So starteten die Schwedendemokraten zum Beispiel in dem Transitland Dänemark eine öffentlichkeitswirksame Kampagne, dass Schweden „voll“ sei.

Die Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna) wurden 1988 gegründet, seit 2005 ist Jimmie Äkesson ihr Vorsitzender. 2 Seit der Parlamentswahl 2010 sind die Schwedendemokraten im schwedischen Reichstag vertreten.

Im Herbst 2010 reklamierten die Schwedendemokraten etwa 5.000 Mitglieder für sich. Es gibt dreizehn regionale Verbände sowie etwa 200 lokale oder kommunale Vereinigungen.  Hauptthemen der Partei sind die Integrations-, Zuwanderungs-, Wirtschafts- und Familienpolitik.

Die Schwedendemokraten wollen die Steuern senken und den Einfluss der Politik auf die Wirtschaft begrenzen sowie kleine und mittelständische Unternehmen stärken. Durch eine rigidere Asyl- und Einwanderungspolitik will die Partei die Kosten, „die das multikulturelle Gesellschaftsexperiment verschlingt“, einsparen. Sie argumentiert, so seien Steuersenkungen möglich, ohne gleichzeitig Sozialleistungen kürzen zu müssen. In der Gesellschaftspolitik wird die traditionelle Familie in Form von Mann, Frau und Kindern bevorzugt. Zudem setzen sich die Schwedendemokraten für die Abschaffung der gleichgeschlechtlichen Ehe sowie gegen das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare ein.

Die bisherige Einwanderungs- Integrationspolitik wird als gescheitert betrachtet. Die Schwedendemokraten bezeichnen sich selbst als einzige Partei, die dies offen auszusprechen wage. Die Einwanderung habe soziale und ökonomische Probleme hervorgerufen, die es zu lösen gelte: „Eine homogene Gesellschaft hat bessere Voraussetzungen, eine friedliche und demokratische Entwicklung zu nehmen, als eine heterogene.“ Die Schwedendemokraten befürworten deshalb eine strikte Beschränkung der Einwanderung sowie die Ausweisung größerer Gruppen von Ausländern. Die Vision der Schwedendemokraten ist das „Volksheim“, eine homogene Gemeinschaft aller Schweden ohne störende Migranten. 3

Die lange Zeit dominante Form des klassischen, biologistisch argumentierenden Rassismus, transformiert sich bei den Schwedendemokraten zunehmend zu einem kulturalistisch argumentierenden Rassismus. Mittlerweile wird eher weniger auf „Rasse“ oder „Gene“, sondern mehr auf die angeblich unveränderliche „Kultur“ eines Menschen verwiesen, um ihn als „Störfaktor“ innerhalb einer homogen vorgestellten Gesellschaft zu klassifizieren. Es wird von einer „Völkerwanderung“ fabuliert, welche die „kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Grundlagen“ Schwedens und Europas zu „zertrümmern“ drohe. Die Flüchtlinge würden „Konflikte aus aller Welt“, „archaische Sitten“ und „unüberbrückbare kulturelle Unterschiede“ nach Schweden importieren. 4

In der Außenpolitik sehen die Schwedendemokraten „traditionelle schwedische Werte“ und die schwedische Kultur durch Einwanderung, eine aus ihrer Sicht stattfindende „Islamisierung“, Globalisierung und so genannten kulturellen US-Imperialismus bedroht. Darüber hinaus lehnen die Schwedendemokraten supranationale Einheiten wie die Europäische Union ab und befürworten stattdessen die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Staaten, vor allem zwischen den Ländern Nordeuropas. Sie lehnen überdies eine eventuelle EU-Mitgliedschaft der Türkei ab.

Die Partei stellt sich selbst offiziell als „national“ dar und gibt an, jede Form von Rassismus abzulehnen. Der Parlamentarier Kent Ekeroth ist Vorstandsmitglied der europäischen Partei „Europäische Allianz für Freiheit (EAF), an der auch Mitglieder des Front National, der FPÖ sowie des belgischen Vlaams Belang beteiligt sind. 5 Nach Medienberichten wurde die Partei von Alan Lake beraten, der als einer der Strategen der islamfeindlichen English Defence League gilt.

Die Schwedendemokraten finden vor allem in Südschweden Zuspruch und erreichen dort in einigen Kommunen teilweise zweistellige Ergebnisse. Sie sprechen vor allem junge und männliche Wähler an. Bereits unter dem früheren Parteivorsitzenden Mikael Jansson versuchte sich die Partei Ende der 1990er Jahre vom extrem rechten Milieu zu lösen und sich seriös und bürgerlich zu geben. Åkesson führte diese Strategie u.a. im Wahlkampf 2006 fort und richtete die Partei am Vorbild der österreichischen FPÖ aus. Die Politik der Schwedendemokraten findet in den letzten Jahren zunehmend Zuspruch. So erreichten sie in den Meinungsumfragen im August 2015 19,4 % der Stimmen, was einer Zunahme von 6,5 Prozentpunkten seit der Reichstagswahl 2014 entspricht. Der Zuwachs war vor allem unter jungen männlichen Arbeitern zu verzeichnen.

Die Schwedendemokraten bekamen bei der Wahl zum schwedischen Reichstag 2006 2,93 % der Stimmen und verfehlten damit die Vierprozenthürde für den Einzug ins schwedische Parlament. Bei der Reichstagswahl 2010 erreichten die Schwedendemokraten 5,7 % der Wählerstimmen. Sie entsandten damit 20 Abgeordnete in den Reichstag. Bei der Europawahl 2014 konnte die Partei erstmals in das Europäische Parlament einziehen. Die Partei erreichte 9,7 % der Stimmen und damit zwei Abgeordnete. Diese schlossen sich der Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ an. Bei der Reichstagswahl 2014 erreichten die Schwedendemokraten 12,9 % der Wählerstimmen. Sie zählt damit 49 Abgeordnete im Reichstag. 6

Die Schwedendemokraten erzielten im September 2015 bei einer Meinungsumfrage mit 27 % vor den regierenden Sozialdemokraten den höchsten Wert. Andere Erhebungen operierten jedoch mit weit niedrigeren Zahlen. Doch der politische Trend zu der Partei und ihren rassistischen Thesen innerhalb der schwedischen Bevölkerung lässt sich nicht leugnen.

Jimmie Akesson verlangte, die Aufnahme von Flüchtlingen stark zu begrenzen und stattdessen in „Krisengebieten vor Ort zu helfen“. Das angeblich „großzügige Wohlfahrtssystem“ Schwedens würde immer mehr Flüchtlinge anlocken und drohe zu kollabieren. Dass sich nun Akesson als Retter des Wohlfahrtsstaates aufspielt, ist angesichts der neoliberalen Politik seiner Partei schwer zu verdauen. Er unternahm den populistischen Vorstoß, eine „Volksumfrage“ zur Flüchtlingspolitik umsetzen zu wollen. Bei seiner Agitation gegen Flüchtlinge profitiert er von der Tatsache, dass die Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und Grünen bei der praktischen Bewältigung der vorläufigen Integration keine gute Figur abgibt.

Die Schwedendemokraten bezeichnen sich als „einzige Opposition“ im schwedischen Parlament und werden auch von Teilen der Bevölkerung so wahrgenommen. Dies liegt auch an der besonderen Konstellation im politischen Gefüge des Landes. Ministerpräsident Löfven steht einer Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Grünen vor, die sich bei Linken und Konservativen um Mehrheitsverhältnisse bemühen müssen.

Das Ausschließen der Schwedendemokraten als politischer Partner, zu dem sich die anderen Parteien seit dem Einzug der rassistischen Partei im Reichstag und in anderen Regionalparlamenten verpflichtet haben, wird mehr und mehr aufgeweicht. Vor allem in der Region Schonen im Süden des Landes, wo viele Flüchtlinge leben, gibt es Kooperationen der Konservativen mit den Schwedendemokraten.

In Teilen der Gesellschaft sind die Schwedendemokraten schon längst angekommen und werden als normale Partei behandelt. 7 Die Etablierung der Schwedendemokraten als neue „Volkspartei“ rief die Wirtschaft schon auf den Plan. Die schwedische Wirtschaftslobby hat sich deshalb heimlich mit Vertretern der Schwedendemokraten getroffen. Der Pressesprecher von „Svenskt Näringsliv“, dem größten Arbeitgeberverband des Landes, sagte in einer Stellungnahme: „Das ist eine große Reichstagspartei und wir behandeln sie wie alle anderen Parteien auch, auf die wir einwirken wollen.“

Die Interessenvertreter der schwedischen Wirtschaft sind mit der Politik der Regierung schon lange unzufrieden, da deren Steuerbelastung und die Arbeitskosten zu hoch seien. Laut einer Umfrage haben die schwedischen Unternehmer dreimal so viel Vertrauen in Akesson als in Löfven. 8

  1. Frankfurter Rundschau vom 26.12.2014
  2. Jungar, A. C.: Convergence by different means: The Finns Party and the Sweden Democrats, in: Decker, F./Henningsen, B./Jakobsen, K. (Hrsg.): Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa. Die Herausforderung der Zivilgesellschaft durch alte Ideologien und neue Medien, Baden-Baden 2015, S. 187 ff.
  3. Ebd., S. 188
  4. Ebd., S. 189
  5. Ebd., S. 189
  6. Ebd., S. 192f
  7. Ebd., S. 187ff
  8. Ebd.