EuGH-Urteil

Wohnsitzauflagen für Flüchtlinge nur eingeschränkt möglich

Anerkannten Flüchtlingen darf nur bedingt ein Wohnort vorgeschrieben werden, urteilt der Europäische Gerichtshof. Die aktuellen Gesetzespläne für solche Beschränkungen in Deutschland sieht das Innenministerium dadurch aber nicht gefährdet. Opposition und Pro Asyl kritisierung das Vorhaben.

Wohnsitzauflagen für Flüchtlinge können einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zufolge nur bei Integrationsproblemen auferlegt werden. Die Luxemburger Richter urteilten am Dienstag, dass die Auflagen, die die Freizügigkeit sogenannter subsidiär Schutzberechtigter einschränken, grundsätzlich gegen EU-Recht verstoßen. Die Auflagen können allerdings rechtmäßig sein, wenn diese Menschen vergleichsweise große Integrationsprobleme haben, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) mitteilte (AZ: C-443/14 und C-444/14). In Deutschland, wo derzeit über eine Wohnsitzauflage auch für anerkannte Flüchtlinge diskutiert wird, stieß das Urteil auf ein geteiltes Echo.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) begrüßte das Urteil. „Danach sind Wohnsitzauflagen grundsätzlich mit dem Europarecht vereinbar, so wie wir das Urteil lesen, auch für anerkannte Flüchtlinge“, sagte der CDU-Politiker, der derzeit zu politischen Gesprächen in den Maghreb-Staaten ist. Gerade integrationspolitische Interessen benenne der Europäische Gerichtshof als legitime Begründung dafür. „Ich halte eine Wohnortzuweisung für Flüchtlinge für dringend erforderlich, damit es vor allem in Ballungsräumen nicht zur Ghettobildung kommt“, sagte de Maizière.

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Das Vorschreiben des Wohnorts soll in Deutschland dafür sorgen, dass die Belastung durch die Zahlung von Sozialleistungen gleichmäßig auf alle Bundesländer verteilt wird. Eine Wohnsitzauflage, die allein Personen mit subsidiären Schutzstatus aus dieser Erwägung heraus erteilt wird, stehe der Richtlinie aber entgegen, urteilte der Europäische Gerichtshof. Allein integrationspolitische Erwägungen erkennt er als Rechtfertigung für die Beschränkung an

In Deutschland gilt eine Wohnsitzauflage grundsätzlich für Flüchtlinge im Asylverfahren. Im Fall vor dem Luxemburger Gericht ging es um zwei 1998 und 2001 nach Deutschland gekommene Syrer, die als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt wurden. Der subsidiäre Schutz wird Flüchtlingen gewährt, die nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe politisch verfolgt werden, im Heimatland durch Krieg oder Folter aber ebenso bedroht wären. Flüchtlinge mit dem Anerkennungsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben dagegen derzeit volle Freizügigkeit.

Regierung weiter für Wohnsitzauflagen

Die Koalition will das ändern. Unter anderem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) haben sich für eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge ausgesprochen, um einen vermehrten Zuzug in den Städten zu verhindern.

Die Auflage soll laut Regierungskreisen für Flüchtlinge gelten, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen und könnte eventuell befristet werden. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, die Arbeiten an einem Gesetzentwurf könnten nach dem Urteil nun beginnen. Einen Zeitplan gibt es demnach aber noch nicht.

Der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städtetag begrüßten das Urteil ebenfalls und forderten eine schnelle Einführung der Auflage für anerkannte Flüchtlinge. „Ohne eine Wohnsitzauflage sind kommunale Integrationsangebote nicht planbar, und es ist nicht gewährleistet, dass sie die Flüchtlinge auch tatsächlich erreichen“, sagte Landkreistag-Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke.

Die Grünen und Pro Asyl lehnten die Pläne dagegen ab. „Wohnsitzauflagen dienen nicht der Integration, sondern erschweren sie“, sagte der Innenpolitiker Volker Beck. Das Urteil sei „kein Blankoscheck für weitere Schikanen gegen Flüchtlinge“. (epd/mig)