Alleingänge

Streit über Grenzschließungen und Flüchtlingskontingente

Österreich will seine Grenzen mehr kontrollieren und Flüchtlinge nur noch nach Kontingenten ins Land lassen. Auch mancher deutsche Politiker sieht darin eine Lösung für die hohen Asylbewerberzahlen. Andere sind entschieden dagegen.

Österreichs Ankündigung, Flüchtlinge nur noch nach Tageskontingenten ins Land zu lassen, hat in Deutschland die Debatte um den Umgang mit Geflohenen weiter angeheizt. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) begrüßte die Initiative und erklärte, Obergrenzen bremsten den Zustrom. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hingegen sagte, das Hochziehen nationaler Grenzen führe nur zum Rückstau in anderen Staaten. „Wir lösen die Flüchtlingsfrage damit nicht, und wir können sie auch nicht delegiert lassen“, sagte sie im Interview der Woche im SWR.

Die EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen sprach sich ebenfalls gegen Grenzschließungen aus. „Der Vorwurf, Angela Merkel habe alle Tore geöffnet und Flüchtlinge wie ein Magnet angezogen, ist nicht gerechtfertigt“, sagte sie den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe. Europa, und besonders Deutschland mit seiner funktionierenden sozialen Marktwirtschaft, habe die rechtliche und moralische Verpflichtung, sich dem Flüchtlingszuzug anzunehmen.

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Seehofer hingegen sagte dem Spiegel: „Ich prophezeie Ihnen: Wenn Deutschland deutlich macht, dass es Grenzen für die Aufnahme gibt, dann wird auch die Zuwanderung abebben.“ Wenn eine europäische Lösung nicht vorankomme, müsse mehr auf nationale Maßnahmen gesetzt werden. „Konkret heißt das: Kontrolle unserer nationalen Grenzen und Rückweisung von Flüchtlingen.“

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) lehnt dagegen solche Maßnahmen ab. „Deutschland darf als die Führungsnation in Europa keine einsamen Entscheidungen treffen“, sagte er Focus. „Wenn jeder nur sein nationales Ding macht, verändert das Europa in rasender Geschwindigkeit zum Schlechten.“

Auf Einladung Österreichs hatten sich am Mittwoch in Wien zehn Länder auf einer Westbalkan-Konferenz auf nationale Maßnahmen für eine stärkere Grenzsicherung verständigt. Zugleich hat Österreich eine nationale Obergrenze für Flüchtlinge geschaffen, lässt aber trotzdem weiterhin Flüchtlinge nach Deutschland durchreisen.

Laut Medienberichten bereiten sich die bayerischen Polizeipräsidien entlang der bayerisch-österreichischen Grenze auf mögliche Grenzschließungen vor. Die drei Präsidien Niederbayern, Oberbayern Süd und Schwaben Süd/West hätten den Auftrag, alle Vorbereitungen dafür zu treffen, innerhalb weniger Stunden alle Grenzübergänge wieder kontrollieren zu können.

Der Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, hält eine Grenzschließung jedoch nicht für möglich. „Eine geschlossene Grenze müsste immer überwacht werden. Dafür fehlt uns schon das Personal“, sagte er der Funke Mediengruppe.

Nach Informationen des Spiegel sind auf der Balkanroute vor allem Frauen und unbegleitete Jugendliche in Richtung Europa unterwegs. Sie machten bis zu 80 Prozent aller Flüchtlinge auf der Route aus, berichtete das Magazin unter Berufung auf das Protokoll einer Telefonkonferenz des Bundesinnenministeriums. „Es wird angenommen, dass dies bereits eine Reaktion auf die in Deutschland vorgesehenen gesetzlichen Änderungen mit Bezug auf Familiennachzug ist“, heißt es demnach in dem Protokoll. Der Bundestag hat am Donnerstag eine Verschärfung des Asylrechts beschlossen, die auch eine Aussetzung des Familiennachzugs vorsieht. (epd/mig)