Horst Seehofer, Angela Merkel, Sigmar Gabriel, Pressekonferenz, Flüchtlingspolitik
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) (v.l.n.r.)

Obergrenze

Koalitionsparteien streiten über Flüchtlingspolitik

Der Druck auf Bundeskanzlerin Merkel in der Flüchtlingspolitik wächst. CSU-Chef Seehofer droht mit einer Verfassungsklage gegen die Bundesregierung. Selbst die sogenannten Sozialdemokraten verlangen ein Ende der "chaotischen Zuwanderung". Bundesinnenminister de Maizière prüft derweil schnellere Abschiebungen von Nordafrikanern.

Montag, 18.01.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 20.01.2016, 8:49 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerät mit ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik innerhalb der Regierungskoalition zunehmend unter Druck. CSU-Chef Horst Seehofer drohte mit einer Verfassungsklage, falls die Bundesregierung nicht wieder „rechtlich geordnete Verhältnisse“ an den Grenzen herstelle. SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangte ein Ende der „chaotischen Zuwanderung“. Zugleich sprach sich der Vizekanzler wegen des Flüchtlingszuzugs für Milliarden-Investitionen für den sozialen Zusammenhalt aus.

Angesichts von 1,1 Millionen Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen, wächst der Druck auf die Kanzlerin, eine spürbare Verringerung des Zuzugs zu erreichen. Wenn die Maßnahmen im Frühjahr nicht wirkten, „bewegen wir uns auf Zahlen zu, die schwierig werden“, sagte Vizekanzler Gabriel den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

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Gabriel fordert feste Kontingente

Er rate „uns allen, diese Grenze, die das Land aufzunehmen in der Lage ist, nicht auszutesten“, sagte der SPD-Vorsitzende. Deutschland könne zwar deutlich mehr als die von Seehofer genannten 200.000 Flüchtlinge im Jahr aufnehmen. Das Kontingent müsse aber deutlich unter den Zahlen des vergangenen Jahres liegen.

„Wir müssen von einer chaotischen zu einer planbaren Zuwanderung kommen“, forderte Gabriel. Deutschland müsse „feste Kontingente“ für die Aufnahme von Flüchtlingen einführen. Zugleich seien bessere Grenzkontrollen nötig. Zur Gewährleistung des sozialen Zusammenhalts schlug der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister massive Investitionen für Schulen, Kindergärten und den sozialen Wohnungsbau vor. „Wir brauchen ein richtig großes Paket für gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Größenordnung von fünf Milliarden Euro pro Jahr“, sagte Gabriel.

Seehofer droht mit Verfassungsklage

Der bayerische Ministerpräsident Seehofer stellte erneut eine Verfassungsklage gegen die Bundesregierung in Aussicht, falls diese an den Grenzen nicht wieder „rechtlich geordnete Verhältnisse“ herstelle. „Wenn sie das nicht tut, wird der Staatsregierung gar nichts anderes übrig bleiben, als vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen“, sagte der CSU-Chef dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte dem Boulevardblatt Bild am Sonntag: „Wir wollen schnellstens eine Lösung. Europa ist dazu gemeinsam nicht fähig. Wir haben immensen Zeitdruck. Die Begrenzung muss jetzt erfolgen.“

Auch in Merkels eigener Partei wird die Kritik am Kurs der Kanzlerin schärfer. „Wir sehen, dass der jetzige Kurs uns ins Unglück stürzen kann“, sagte die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach der Bild am Sonntag. Wenn Merkel jetzt nicht umkehre, „dann trägt sie dazu bei, die Demokratie in ihren Grundfesten zu erschüttern“, sagte Steinbach. Ihr Kollege Klaus-Peter Willsch forderte: „Wir müssen die Einwanderungspolitik ändern. Es würden sich viele freuen, wenn das mit Angela Merkel möglich ist.“

Unterstützung aus eigenen Reihen

Unterstützung erhielt Merkel von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU). „Ich unterstütze aus voller Überzeugung das, was die Kanzlerin sagt: Wir müssen das Problem an den Außengrenzen lösen“, sagte Schäuble der Süddeutschen Zeitung. „Nicht jeder, der will, kann nach Europa kommen“, bekräftigte der Finanzminister.

Die Verteidigungsministerin sagte dem Boulevardblatt Bild, Merkels Kurs sei „auf Dauer der einzig tragfähige Weg“. Zugleich mahnte sie mehr Tempo bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise an. „Wir müssen schneller werden“, sagte sie. Das gelte unter anderem für die Sicherung der EU-Außengrenzen und für die Asylverfahren.

Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte europäische Lösungen und warnte vor einer Schließung der Grenzen. „Eine Schließung der Grenzen hätte schwerwiegende Folgen: humanitäre, europapolitische und wirtschaftliche“, sagte Kauder der Neuen Osnabrücker Zeitung. Klar sei aber, dass die Zahl der Flüchtlinge sich spürbar reduzieren müsse.

De Maizière will Asylbewerber aus Nordafrika schneller abschieben

Derweil sucht Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Medienberichten zufolge nach Wegen, um Asylbewerber aus Marokko, Algerien und Tunesien schneller abzuschieben. Nach Informationen der Funke Mediengruppe prüft der CDU-Politiker, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) anzuweisen, die Anträge aus den drei nordafrikanischen Staaten vorrangig zu bearbeiten.

Davon erhoffe sich de Maizière eine schnelle Antwort auf die steigenden Asylbewerberzahlen aus dieser Region. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden im Dezember über das Asyl-Erfassungssystem der Länder 2.296 Algerier und 2.896 Marokkaner registriert. Ein halbes Jahr zuvor, im Juni, waren es nur 847 Menschen aus Algerien und 368 aus Marokko.

Asylantragsteller aus diesen nordafrikanischen Ländern haben in der Regel keinen Schutzanspruch in Deutschland. Allerdings ist es oftmals schwer, die Asylbewerber wieder in ihr Land zurückzuschicken. In der Praxis scheitern Abschiebungen beispielsweise an fehlenden Dokumenten oder der mangelnden Bereitschaft der Herkunftsländer. (epd/mig) Aktuell Politik

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