Medienmacher fordern

Journalisten sollen Menschenverstand gebrauchen

Im September waren alle Flüchtlinge gut, seit den Ereignissen in Köln sind sie Teil des Sexmobs. Journalisten fordern ihre Kollegen auf, vom „gesunden Menschenverstand“ gebrauch zu machen und Weitsicht zu zeigen in der Flüchtlingsdebatte.

Der Intendant der Deutschen Welle (DW), Peter Limbourg, hat in der Berichterstattung über Flüchtlinge zur Konzentration auf die journalistischen Kernaufgaben aufgerufen. „Wir Medien sollten über Flüchtlinge berichten wie über jedes andere Thema auch“, sagte Limbourg am Mittwoch in Berlin auf einer Konferenz der Civis Medienstiftung für Integration und kulturelle Vielfalt in Europa. Er forderte die Medienschaffenden dazu auf, wieder den „gesunden Menschenverstand“ zu gebrauchen.

Journalisten sollten nichts verschweigen und müssten Fakten wie sonst auch prüfen. Auch sollten sich Journalisten davor hüten, in der Flüchtlingsdebatte eine erzieherische Haltung einzunehmen. Zudem müssten die erheblichen Probleme mit Rechtsradikalen genauso berücksichtigt werden wie Schwierigkeiten bei der Integration von Migranten.

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Ein Rückblick auf die Medienberichterstattung von September 2015 bis heute zeige Irritationen und Verunsicherungen unter Journalisten, sagte Limbourg: „Im September waren alle Flüchtlinge gut, unsere europäischen Nachbarn allesamt herzlose und unsolidarische Gesellen, Skeptiker waren schnell in die rechte Ecke gedrängt.“ Heute hingegen würden „kulturelle Unterschiede großgeschrieben“. Nach den Ereignissen in Köln sei der Flüchtling nun nicht mehr „Teil der Flüchtlingswelle oder der Flüchtlingskrise, sondern er ist Teil des Sexmobs“.

Mascolo fordert Weitsicht in der Flüchtlingsdebatte

Auch der Journalist Georg Mascolo ruft Medien in der Flüchtlingsdebatte zu Weitsicht und Besonnenheit auf. Weitsichtig zu sein bedeute, „einen Teil der Probleme der Welt zu lösen, weil die Probleme sonst zu uns kommen“, sagte der Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ beim Jahresempfang der Evangelischen Akademie Tutzing am Mittwochabend. Deutschland müsse daher – auch aus Eigennutz – weiter seiner humanitären Verpflichtung nachkommen, etwa das UN-Welternährungsprogramm und fairen Handel zu unterstützen. Denn Globalisierung bedeute nicht nur steigenden Wohlstand, sondern auch die Flucht von Millionen von Menschen vom Elend dieser Welt.

Europa und Deutschland hätten zu lange dabei zugeschaut, wie junge Menschen sich radikal-islamischen Gruppen und Terrormilizen angeschlossen haben, kritisierte der deutsch-italienische Journalist, der bis 2013 Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ war. Nun sei man entsetzt über diejenigen, die sich einen Sprengstoffgürtel umschnallen und sich in Paris vor einem Fußballstadion in die Luft sprengen. Europa sorge sich „leider inzwischen“ zurecht darum, ob mit den Flüchtlingen auch Terroristen kommen. Darüber sollte man aber nicht vergessen, dass Europa lange den Terrorismus mit Waffenlieferungen exportiert hat, sagte Mascolo.

Das aktuelle Chaos werde nicht schnell verschwinden, äußerte sich Mascolo überzeugt. Nach Al Kaida und dem „Islamischen Staat“ (IS) werde es andere Gruppen geben, „deren Namen wir heute noch gar nicht kennen“. Die „religiöse Welle“ werde noch lange rollen. Dabei hofften die Terroristen auf Überreaktion: „Donald Trump ist ein Politiker, wie sie ihn sich wünschen.“ Die Heftigkeit der aktuellen Debatte tue nicht gut, „wenn mit der Ratlosigkeit der Geräuschpegel steigt“, mahnte Mascolo. Dabei hätten auch Journalisten eine besondere Verantwortung: „Liveticker und Sondersendungen nur dann, wenn es auch wirklich etwas zu berichten gibt.“ (epd/mig)