Beate Zschäpe

Ich bin’s nicht, Adolf Hitler ist’s gewesen

Nein, die kleine, unschuldige Zschäpe hatte nichts mit den NSU-Morden zu tun. Sie sei selbst Opfer. Das versuchte sie mit ihrer Einlassung jedenfalls zu erklären. Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Von Nasreen Ahmadi

Nach 249 Verhandlungstagen der Selbstinszenierung hat Beate Zschäpe im NSU-Prozess ihr Schweigen gebrochen. Ihr Verteidiger Mathias Grasel hat eine etwa 50-seitige Erklärung in ihrem Namen vorgelesen. Was wir jetzt wissen? Beate Zschäpe ist eine Heilige, mit einem sehr reinen Herzen.

Die kleine, unschuldige Zschäpe, die irgendwie in die Arme von Verbrechern gestolpert ist, mit denen sie über ein Jahrzehnt zum Leben im Untergrund genötigt wurde, war zu keinem Zeitpunkt Mitglied einer Vereinigung namens NSU. NSU? Wer oder was soll das überhaupt gewesen sein, verließ ihr Verteidiger vor dem Gericht in München.

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Das naive, junge Ding aus der DDR hatte eine schwere Kindheit und eine alkoholkranke Mutter. Zu keinem Zeitpunkt war es ihre Schuld, dass sie sich zu den beiden Neonazi-Uwes hingezogen fühlte und zu einer Nazibraut wurde. Das kleine, dumme Mädchen des NSU, das Sympathien für eine Ideologie empfand, die auf Fremdenhass und Gewalt aus ist, geriet in etwas hinein, was sie nie wollte. Als sie von den Morden erfuhr, ist sie entweder wie betäubt, fassungslos oder so aufgewühlt gewesen, dass sie erst einmal Sekt trinken musste und sogar die Katze vernachlässigte. Sogar ihre Katze, was für ein Alptraum!

Zur Polizei gehen und den gerausamen Morden ein Ende setzen? Nein, das konnte sie nicht. Dafür war die Liebe zu den Neonazi-Uwes zu groß – die beiden hätten ihr im Falle einer Anzeige mit Selbstmord gedroht. „Sie waren meine Familie.“ Das diese zwei die Familien der anderen zerstörten und Frauen und Kindern ihre Ehemänner und Väter nahmen, das lag nicht in ihrer Hand.

Von den zahlreichen Handfeuerwaffen, die in ihrer Wohnung gefunden wurden, ganz zu schweigen von „Trophäen“ wie den Handschellen der ermordeten Polizistin, hatte die arme Zschäpe zu keinem Augenblick Kenntnis gehabt. Hier hatte sich der Weihnachtsmann offenbar im Haus geirrt. Auch ihre Fingerabdrücke auf den Zeitungsartikeln, die im Brandschutt der von ihr angezündeten Wohnung in Zwickau gefunden wurden, sind reines Versehen gewesen und bestimmt anderes zu erklären, genauso die Stadtpläne mit den ausgespähten Anschlagszielen, die ebenfalls in ihrer Wohnung gefunden wurden. Wahrscheinlich waren das nur Ziele für eine Fahrradtour, die rein zufällig genau dort hinführten, wo die Opfer aus nächster Nähe mit einem Kopfschuss brutal hingerichtet wurden. Das gute, brave Frauchen, wollte nur eins: Liebe.

Das Frauenbild der Fünfzigerjahre wurde beim NSU-Prozess wie eine prächtige Kutsche vor eine knallharte, neonazistische Realität geschoben. Zahlreiche Zeugen, die bisher ausgesagt hatten, hatten ein anderes Bild geliefert: Zschäpe war nicht die emotional abhängige Mitläuferin, die daheim nur Butterbrote schmierte und Kaffee aufsetzte.

Dieser Prozesstag in München war für die Opfer und deren Hinterbliebenen ein Schlag ins Gesicht. Vor allem nach Zschäpes fragwürdiger „aufrichtiger Entschuldigung“. „Ich fühle mich moralisch schuldig, dass ich zehn Morde und zwei Bombenanschläge nicht verhindern konnte“. Warum hatte sie dann die letzten 248 Gerichtstage geschwiegen? Warum sagt sie den Familien der Hinterbliebenen nichts, die sich mit den quälenden Fragen, warum ihre Liebesten sterben mussten, bis heute noch auseinandersetzen müssen? Ihre Entschuldigung ist höhnisch, ja sogar beschämend. „Ich bin selber ein Opfer“ zieht nicht.

Was auch immer beim NSU-Prozess vor Gericht gesagt wird, eine wird zur Aufklärung nichts beitragen: Beate Zschäpe.