Flüchtlingspolitik

„Obergrenze“ soll jetzt „Kontingent“ heißen

Der Streit um eine von Teilen der Union geforderte Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen scheint nicht lösbar. Deshalb schlägt Innenminister de Maizière jetzt eine „Kontingentlösung“ vor. Sie sieht, wie die Obergrenze, eine automatische Begrenzung der Anzahl von Flüchtlingen vor.

Für die kommenden Wochen erwarten Nachrichtendienste und internationale Organisationen offenbar ein weiteres Ansteigen der Flüchtlingszahlen. Auch der bevorstehende Wintereinbruch in Europa werde nicht zu einem spürbaren Rückgang führen, zitierte die „Welt am Sonntag“ aus Berichten von Nachrichtendiensten. Es sei eher mit einer leichten Zunahme zu rechnen. Das Ziel vieler Flüchtlinge sei nach wie vor Deutschland.

Auch die Internationale Organisation für Migration (IOM) teilt dem Bericht zufolge die Einschätzung. Dabei werde Syrien als Herkunftsland die „Herausforderung Nummer eins“ bleiben. Nachrichtendienste meldeten dazu, dass sich die Situation in dem Bürgerkriegsland von Tag zu Tag verschlechtere. Auch in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer spitzt sich die Lage laut UN immer mehr zu.

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Kontingent statt Obergrenze

Im Streit der Unionsparteien über die Begrenzung des Zuzugs von Flüchtlingen setzt Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) offenbar auf eine Kontingentlösung. „Ein Kontingent bedeutet automatisch eine Begrenzung der Anzahl von Flüchtlingen“, sagte er dem Boulevardblatt Bild am Sonntag. Dies müsse aber auf internationaler Ebene gelöst werden, gleichzeitig müssten die EU-Außengrenzen „strikt geschützt“ werden.

Noch am Freitag hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut gegen eine nationale Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen. Angesichts der „Mega-Herausforderung“ der „vielen, vielen Flüchtlinge“ müsse alle Kraft auf eine europäische und internationale Lösung konzentriert werden, sagte Merkel in München auf dem Parteitag der CSU. „Wir brauchen eine faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas,“ forderte sie und erntete einen hörbar verhaltenen Applaus.

Vor der Rede der Kanzlerin hatte der Parteitag einen Leitantrag verabschiedet, mit dem sich die CSU für eine deutsche Obergrenze ausspricht. „Deutschland muss jetzt ein Signal senden, dass unsere Kapazitätsgrenzen bereits erreicht sind“, heißt es in dem Leitantrag. Der aktuelle „Zustand der Rechtlosigkeit“ in Europa führe dazu, dass täglich Tausende Menschen nach Deutschland durchgewinkt würden.

Oppermann für Einführung flexibler Flüchtlingskontingente

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann warnte angesichts der Forderung aus der CSU nach einer Obergrenze beim Flüchtlingszuzug vor einem „Rückfall in den Nationalismus“. Obergrenzen könne nur Europa festlegen, sagte der Grünen-Politiker am Sonntag im „Interview der Woche“ des Deutschlandfunks. Allein praktisch würden nationale Limits nicht funktionieren. „Dafür hat doch niemand eine Idee. Auch die CSU nicht. Sollen wir allen Ernstes Grenzzäune um Deutschland stellen?“, fragte er. „Sollen wir dort die Bundeswehr stationieren? Und sollen die zum Schluss wieder schießen?“

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann brachte die Einführung flexibler Flüchtlingskontingente ins Spiel. Das Parlament solle in Abstimmung mit der Europäischen Union und dem UN-Flüchtlingshilfswerk jedes Jahr aufs Neue über die Größe der Kontingente entscheiden, die Deutschland aufnehmen könne, sagte Oppermann dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Er kündigte ein umfassendes Integrationskonzept der SPD an. „Von Anfang an volle Konzentration auf Sprache, Kitas, Ausbildungsplätze, Arbeit, Regeln und Werte“, erklärte er. „Das sind die Grundvoraussetzungen für Integration. Da müssen wir klotzen statt kleckern.“

Spahn für Aussetzen des Mindestlohns für Flüchtlinge

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sprach sich unterdessen für ein befristetes Aussetzen des Mindestlohns für Flüchtlinge aus. „Wir haben doch schon die Ausnahme, dass der Mindestlohn für Menschen, die vorher lange Zeit arbeitslos waren, im ersten Jahr nicht gilt“, sagte Spahn der Rheinischen Post. Dies könne analog für Flüchtlinge gelten.

Darin sehe er lediglich eine Erweiterung der bestehenden Regeln, sagte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. „Wir als Koalition haben zu klären, ob wir die Integration von Hunderttausenden Flüchtlingen mit den Verabredungen im Koalitionsvertrag fördern oder erschweren.“ Integration gelinge nur über Arbeit. „Wir brauchen viel mehr Jobs für Geringqualifizierte, etwa im Dienstleistungssektor.“ (epd/mig)