Minderjährige Flüchtlinge

Bürokratische Hürden verhindern schnelle Hilfe

Es gibt viele Familien, die junge unbegleitete Flüchtlinge gerne aufnehmen würden. Doch bürokratische Hürden machen sowohl ihnen als auch den Jugendlichen unnötig das Leben schwer. Das demotiviere und mindere die Chancen auf eine bessere Zukunft.

Um die zunehmende Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge besser in Deutschland aufnehmen zu können, fordert die Hildesheimer Erziehungswissenschaftlerin Severine Thomas einen Abbau bürokratischer Hürden. Schon bei der Vermittlung deutscher Kinder in Pflegefamilien sei das System sehr formell, sagte die Wissenschaftlerin. Für die jungen Flüchtlinge sei dies umso schwieriger: „Es sind komplexe Verfahren, die auch Ängste auslösen.“

Vielerorts seien die Kommunen sehr um die zugewanderten Jugendlichen bemüht, sagte Thomas. „Oft gibt es ganz tolle Ideen, aber sie erfordern personelle Ressourcen.“ Die jungen Flüchtlinge müssten zudem schneller Chancen erhalten, beispielsweise durch eine einfachere Vermittlung in Bildungsprogramme und Ausbildungen.

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Die jungen Zugewanderten seien für das Land eine große Chance, betonte Thomas. „Sie kommen mit einem großen Bildungsanspruch und viel Motivation.“ Oft laste zusätzlich ein hoher Erwartungsdruck von den Familien in den Herkunftsländern auf ihnen. Zum Teil setzten sich die jungen Menschen selbst unter einen hohen Leistungsdruck, ihre Chance auf eine bessere Zukunft zu nutzen. „Das kann dazu führen, dass sie sich selbst in dieser belastenden Lebenssituation überfordern.“ Wichtig sei, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie nicht alles sofort können müssten.

Für Gast- oder Pflege-Familien bedeute es eine große Herausforderung, einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling aufzunehmen, mahnte Thomas. Die meisten von ihnen seien junge Männer im Alter von 16 oder 17 Jahren. „Da kommt kein fünfjähriges Mädchen.“ Die Familien müssten auch damit rechnen, dass die Jugendlichen die angebotene Hilfe vielleicht nicht annähmen. „Da treffen unterschiedliche Kulturen und Bedürfnisse aufeinander.“ Die Akteure benötigten viel Aufklärung und Verständnis gegenüber den jungen Flüchtlingen.

Begrüßenswert sei daher ein Modell, dass derzeit in Hildesheim starte, sagte Thomas. Dabei nehmen Familien, die sich zuvor beworben haben, einen minderjährigen Flüchtling zunächst für drei Monate als Gastfamilie auf. In dieser Zeit könnten beide entscheiden, ob sich eine langfristigere Perspektive entwickeln könne.

Derweil hat Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) weitere Anstrengungen gefordert, um Betreuungsangebote für Kinder und eine frühe Bildung zu gewährleisten. „Das ist insbesondere angesichts der aktuellen Herausforderungen, Flüchtlingskinder zu integrieren, unabdingbar“, sagte Schwesig am Donnerstag auf der Konferenz „Frühe Bildung lohnt sich“ in Berlin. Es sei notwendig, „gleiche Bildungschancen für alle Kinder“ zu erreichen. (epd/mig)