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Die Europäische Flagge © fdecomite auf flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Flüchtlingspolitik

EU-Länder wollen 160.000 Flüchtlinge umverteilen

EU-Länder haben sich auf die Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen geeinigt. Welches Land wie viel aufnehmen soll, soll im Oktober konkretisiert werden. Fest steht bereits, welche weiteren Länder in Zukunft als sicher gelten. Die Türkei gehört nicht dazu.

Mittwoch, 16.09.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 21.09.2015, 20:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Mitgliedsstaaten der EU ringen weiter um eine gleichmäßigere Verteilung von Flüchtlingen in Europa. Auf einem Sondertreffen am Montag in Luxemburg einigten sich die EU-Innenminister im Grundsatz darauf, 160.000 Flüchtlinge aus besonders belasteten europäischen Staaten umzusiedeln. Allerdings ist noch nicht klar, welches Land wie viele Menschen aufnehmen wird. Über einen entsprechenden Quoten-Plan der EU-Kommission werde der Innenministerrat wohl erst am 8. Oktober einen Beschluss fällen, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).

Die politische Verständigung vom Montagabend sei ein „wichtiger Schritt“, unterstrich der Minister. Er sei „aber noch entfernt von dem, was wir erwarten an Solidarität innerhalb der Europäischen Union“. Die Bundesregierung gehört zu den maßgeblichen Befürwortern eines festen Verteilschlüssels für Flüchtlinge auf EU-Ebene. Widerstand kommt hingegen vor allem aus östlichen EU-Staaten. Auch Großbritannien bekräftigte bei der Sitzung, dass es sich nicht am europäischen Verteilplan beteiligen wolle.

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Gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Bernard Cazeneuve drängte de Maizière darauf, dass es rasche Fortschritte bei der Einrichtung sogenannter Hotspots in europäischen Außengrenzländern wie etwa Griechenland geben müsse. Mit Hotspots sind Aufnahmezentren gemeint, in denen Flüchtlinge vor einer etwaigen Umsiedlung registriert werden. De Maizière machte klar, dass die Hotspots tatsächlich der Ausgangspunkt einer Umverteilung sein müssten – so dürften keine Menschen einbezogen werden, die bereits auf eigene Faust in ein anderes Land gezogen seien.

Türkei kein sicherer Herkunftsstaat

Die europäischen Regierungen einigten sich laut Bundesregierung auch darauf, eine europäische Liste „sicherer Herkunftsstaaten“ zu erstellen. Asylanträge von Bürgern dieser Länder können im Schnellverfahren bearbeitet und die Menschen bei einem negativen Ergebnis schneller abgeschoben werden. Fürs Erste wollen die EU-Staaten die Balkanländer Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kosovo, Montenegro und Serbien als „sicher“ einstufen.

Die Türkei soll vorerst nicht auf diese Liste. Ein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission wurde beim Innenministertreffen nicht näher erörtert. Asylanträge von Bürgern „sicherer“ Länder können laut EU-Recht im Schnellverfahren bearbeitet werden. Etliche europäische Regierungen haben jedoch angesichts der Grundrechtslage in der Türkei Bedenken, den Bosporus-Staat als „sicher“ einzustufen.

Mehr Finanzhilfen für Transitländer

Die EU will außerdem mehr Druck auf Herkunfts- und Durchreiseländer ausüben, ausgewiesene Migranten wieder zurückzunehmen. Dies solle künftig auch möglich sein, wenn der betreffende Auswanderer keinen Pass mehr habe, erläuterte de Maizière – in einem solchen Fall werde ein europäisches Ausreisedokument ausgestellt. Zugleich sollen Transitländer wie etwa die Türkei sowie Staaten in Krisenregionen mit hohen Flüchtlingszahlen mehr Finanzhilfen aus Europa bekommen.

Die Europa-Parlamentarierin Ska Keller nannte die Ergebnisse des Ministertreffens enttäuschend. „Wenn die Mitgliedstaaten nicht endlich eine gemeinsame europäische Antwort auf die Flüchtlingskrise finden, treiben sie die EU selbst in die Krise“, sagte sie. „Die Mitgliedstaaten schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe – vage Andeutungen sind darauf keine angemessene Antwort.“

Gabriel: Europa hat sich blamiert

Auch Spitzenpolitiker der SPD haben sich tief enttäuscht über das Ergebnis des EU-Sondertreffens der Innen- und Justizminister geäußert. Europa habe sich „ein weiteres Mal blamiert“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Dienstag in Berlin. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sagte, es werde eine Gesamtanstrengung Europas gebraucht. Gabriel sagte, in Wahrheit seien die 160.000 Flüchtlinge „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. „Was wir jetzt erleben, bedroht Europa weit mehr als die Griechenlandkrise“, sagte der Vizekanzler.

Kritik kam auch vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR). Ein Sprecher der Organisation rief willige EU-Staaten auf, auch ohne formalen Beschluss weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Die Lage lasse keine weiteren Verzögerungen zu. Das Flüchtlingswerk kritisierte auch die restriktiven Grenzkontrollen an den EU-Außengrenzen. Wenn Flüchtlinge Europa erreichten, müssten sie willkommen geheißen und mit dem Nötigsten versorgt werden. Dies sei derzeit nicht der Fall. Zudem seien viele Flüchtlinge gezwungen, sich in die Hände von Schleppern zu begeben, weil legale Zuwanderungsmöglichkeiten fehlten. (epd/mig) Leitartikel Politik

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