Flüchtlingsdebatte

Verwirrende Zahlen und Statistiken schüren Angst vor Überfremdung

Einer Umfrage zufolge glauben zehn Prozent der Deutschen, dass Deutschland mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat. In Wahrheit sind es nur 42.500. Experten sind überzeugt, dass die Sprache, mit der die Flüchtlingsdebatte geführt wird, maßgeblich die Wahrnehmung beeinflusst.

In der deutschen Flüchtlingsdebatte schüren nach Einschätzung der Historikerin Simone Eick (43) verwirrende Zahlen und Statistiken eine diffuse Angst vor Überfremdung. Um dem zu begegnen, helfe nur eine transparente Form der Information und Aufklärung, sagte die Direktorin des Deutschen Auswandererhauses in Bremerhaven dem Evangelischen Pressedienst. Deutschlands einziges Migrationsmuseum rund um die Themen Aus- und Einwanderung besteht am Samstag zehn Jahre. Jährlich sehen eigenen Angaben zufolge etwa 200.000 Besucher die Ausstellungen im Haus.

Viele Menschen wüssten gar nicht, wie viele Flüchtlinge Deutschland anerkenne und dauerhaft aufnehme, verdeutlichte Eick. So habe das Team im Auswandererhaus 500 Besucher gefragt, wie groß diese Zahl im vergangenen Jahr gewesen sei. Die Antworten hätten gezeigt, dass die veröffentlichten Statistiken offenbar zu Fehleinschätzungen führten: „Nur zwei bis drei Prozent wussten, dass es etwa 42.500 Flüchtlinge waren, die dauerhaft aufgenommen wurden. Über zehn Prozent meinten, es seien über eine Million. Und die anderen haben sich irgendwo dazwischen bewegt.“

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Um das Verständnis für Zahlen und die Situation von Migranten zu verbessern, vermittelt das Auswandererhaus Fakten und Geschichten von Aus- und Einwanderern über emotionsgeladene Inszenierungen. So nehmen Besucher für die Dauer des Museumsbesuches die Identität eines Auswanderers an und erleben, was er damals erlebt hat. „Migration hat viel mit Hoffnungen, Mut und Ängsten zu tun“, betonte Eick. „Und Emotionen können sie nicht in eine Vitrine packen und ausstellen, die können sie nur auslösen.“

Für die Zukunft wünscht sich Eick eine sachliche und offene Debatte um Flüchtlinge und Migration, die Ängste nicht ausspare, gleichzeitig aber in einer angemessenen Sprache geführt werde. „Die Sprache ist wichtig, weil sie den Umgang mit dem Thema prägt.“ Das Auswandererhaus analysiere gerade für eine Sonderausstellung ab Herbst zum Verhältnis der Deutschen zu Fremden die deutschen Medien der 1970er Jahre. „Da entstehen Gewaltbilder im Kopf, wenn von Lawine, von Überrollen, von Türkenscharen gesprochen wurde.“ Das sei schon besser geworden. Das Auswandererhaus wollen dazu beitragen, dass sich das auch weiter verbessere. (epd/mig)