Bayern, Ministerpräsident. Horst Seehofer, Innenminister, Joachim Herrmann, CSU
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, Innenminister Joachim Herrmann und Staatsministerin Emilia Müller (alle CSU) (v.l.n.r) bei der Pressekonferenz © Bayerische Staatsregierung

CSU-Flüchtlingspolitik

Seehofer will Asyl-Schnellverfahren gegen „Asylmissbrauch“

Unmittelbar und kontinuierlich sollen Flüchtlinge in Zukunft abgeschoben werden. CSU-Chef Horst Seehofer fordert eine viel härtere Gangart in der Flüchtlingspolitik. Kritik kommt vom Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg. Seehofer betreibe Brandstiftung.

Von Daniel Staffen-Quandt Mittwoch, 22.07.2015, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.07.2015, 20:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die bayerische Staatsregierung will Flüchtlinge künftig bereits bei ihrer Ankunft in zwei Gruppen unterteilen: diejenigen mit Schutzbedürftigkeit und diejenigen ohne Bleibeperspektive. Für letztere Gruppe sollen zwei neue Erstaufnahmeeinrichtungen in Grenznähe entstehen. Das hat das bayerische Kabinett am Montag bei seiner Klausurtagung in St. Quirin am Tegernsee beschlossen. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zufolge sollen dorthin Menschen aus „sicheren Herkunftsländern“ und den Balkan-Ländern gebracht werden. Die Asylverfahren dort sollen in der Regel nach zwei Wochen bereits entschieden sein.

Seehofer sagte laut Kabinettsbericht, dass der Freistaat angesichts des „dramatischen Anstiegs“ der Asylbewerberzahlen an die Grenzen seiner Belastbarkeit stoße. Dies gelte in organisatorischer, in personeller und in finanzieller Hinsicht. „Daher gilt es jetzt massiv entgegenzusteuern“, betonte der Regierungs- und Parteichef.

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Zudem müsse man „klar benennen, um was es geht, wenn Menschen ohne Schutzanspruch nach Deutschland kommen“. Ein solcher „Asylmissbrauch“ schmälere die Akzeptanz in der Bevölkerung für Flüchtlinge und auch die vorhandenen Kapazitäten „für Menschen mit Schutzanspruch“. Kleine Korrekturen genügten nicht mehr, man brauche grundlegende Änderungen in der Asylpolitik.

TBB: Seehofers Aussagen nicht hinnehmbar
Kritik ernete Seehofer für seine Äußerungen vom Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB). „Die Aussagen Seehofers sind nicht mehr hinnehmbar. Mit seinen jüngsten Forderungen begeht Seehofer geistige Brandstiftung“, erklärte TBB-Vorstandssprecherin Ayşe Demir. Diese rechtspopulistischen Aussagen dürften nicht länger salonfähig bleiben und müssten unmissverständlich geächtet werden. Derzeit komme es fast täglich zu Angriffen auf Menschen, die nicht „deutsch genug aussehen“ und deren Unterkünfte.

Demir erinnert an die Atmosphäre in den 90er Jahren, die zu zahlreichen rassistischen Angriffen auf Flüchtlinge geführt hat. „Warten wir darauf, dass wieder Menschen getötet werden“, fragt Demir und ruft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sich klar gegen rechtspopulistische Äußerungen aus ihren eigenen Reihen zu positionieren. Extremismusforscher sehen in Rechtspopulismus die Vorstufe zu rechtsextremen und rechtsterroristischen Straftaten.

Abschiebung unmittelbar und kontinuierlich
Konkret beschlossen hat das Kabinett unter anderem, zwei neue, möglichst grenznahe Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge „mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit“ zu schaffen. In den ersten drei Tagen sollen die Flüchtlinge medizinisch untersucht werden, ihren Antrag auf Asyl stellen und gegebenenfalls an andere Bundesländer weitergeleitet werden. In den Einrichtungen setze sofort „die Beratung zur freiwilligen Ausreise“ ein. Über die Asylanträge soll innerhalb von zwei Wochen entschieden werden – bei offensichtlich unbegründeten Anträgen soll innerhalb von zwei weiteren Wochen auch gerichtlich entschieden werden. Die Abschiebung erfolge „unmittelbar und kontinuierlich“.

Zugleich richtete das bayerische Kabinett einen Forderungskatalog an den Bund: So seien die Verfahren für Asylbewerber zu beschleunigen. Dazu müsse das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) noch dieses Jahr 1.000 zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Zudem müssten im Jahr 2016 weitere 1.000 Stellen in der Behörde geschaffen werden. Somit könnten auch die mehr als 237.000 Bestandsverfahren der Behörde baldmöglich abgearbeitet werden. Außerdem fordert die Staatsregierung die Aufnahme von Albanien, Kosovo und Montenegro in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten. Zudem sei zu prüfen, ob weitere, vor allem afrikanische Länder, auf die Liste gehören, hieß es.

Zugleich legte das Kabinett Seehofer eine Forderungsliste an die Europäische Union vor. Die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU führe „nach wie vor zu einer einseitigen Belastung einiger weniger“ Mitgliedsstaaten. Das EU-Asylsystem nach Dublin III müsse konsequent umgesetzt, die Grenzkontrollen verschärft werden. Zudem hält die Staatsregierung „die Rückführung von Asylsuchenden in neu zu schaffende europäische Asylzentren in Nordafrika“ für sinnvoll. Dort soll dann ein „europäischen Standards entsprechendes Prüfverfahren“ vorgenommen werden. Zudem solle sich der Bund für die Einsetzung eines EU-Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen starkmachen.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums kommen derzeit rund 40 Prozent der Asylbewerber in Deutschland aus Staaten des Westbalkans. Deren Asylanträge haben wenig Aussicht auf Erfolg, weil sie in der Regel nicht als politisch Verfolgte gelten. Aktuell Politik

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