Gelichter

Sweet Little Fifteen

Rund 15 % haben bei der Oberbürgermeisterwahl in Dresden rechtsaußen gewählt – AfD und Pegida. Fast genauso viele haben auch der CDU ihre Stimme gegeben; zieht man die Nichtwähler ab, sogar nur 8 %. Was bedeutet das für Deutschland? Von Sven Bensmann

15 %. In Worten: Fünfzehn Prozent. Das ist das Ergebnis, das von der Oberbürgermeisterwahl in Dresden zunächst übrig bleibt. Jedenfalls bevor es dann in die zweite Runde geht.

15 % für Parteien und Einzelpersonen rechtsaußen, für Vogel und Festerling, für AfD und Pegida. Das ist der Achtungserfolg, der zu befürchten war, und der keineswegs nur in Dresden zu befürchten steht – um das ganz klar zu machen: Ob nun Dortmund, München oder Köln, viele Städte können einen harten rechtsextremen Kern vorweisen, ein latent fremdenfeindliches Bürgertum, dass darauf wartet von Ersteren erschlossen zu werden, und ein großes Fußballstadion, wo sich beide Gruppen begegnen können.

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Aber nicht nur die beiden Rechtsaußen kamen auf 15 %. Nein, ebenso fatal, zumindest für die versammelte deutsche Bourgeoisie, war ein weiteres Ergebnis der Wahl: 15 % der Wähler, mehr blieben nämlich auch der CDU nicht. Weniger sogar, wenn man bedenkt, dass rund 50 % der Wähler entschieden, gleich ganz zu Hause zu bleiben. Keine 8 % machten also in einer provinziellen, konservativen Stadt wie Dresden ihr Kreuz noch bei der Partei, von der selbst die zweitgrößte Partei des Landes überzeugt ist, dass sie alternativlos sei, ein Wahlkampf also praktisch keinen Sinn mache.

Wenn Merkel trotzdem alternativlos ist, obwohl in Großstädten kaum noch jemand CDU wählt – was bedeutet das für Deutschland?

Etwa, dass gesellschaftlicher Fortschritt in Zukunft vom deutschen Bauern abhängt, während selbst erzkatholische Länder wie Irland sich dazu bekennen, dass die raison d’être der Ehe keineswegs das Kindermachen ist, sondern vielmehr Ausweis der Liebe zweier Menschen, in Papierform festgehalten.

Vielleicht sogar, dass von der Zivilisation abgeschnittene Kuhdörfer wie jene im Cloppenburger und im Ems-Land oder bayrische Alpentäler der intellektuelle Kern unserer Gesellschaft sind oder sein werden, jene Flecken in Deutschland, in denen Wahlen noch nicht geheim sind und Wähler anderer Parteien noch immer auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden und Bürgermeister noch immer regieren wie dereinst Walter Ulbricht?

Auch eine Partei für Bauern weiß schließlich, dass Sie ohne Kontakt zum städtischen Bürgertum zu einer Partei von Bauern wird – so kaschiert die aktuelle Stärke der Union im Bund eigentlich nur die fortschreitende intellektuelle Inzestualisierung der Partei, die in einer Implosion münden könnte; einer Partei, die trotz interner Modernisierung ratlos vor der Implikatur des Niedergangs steht, die dem Konservativen ohnehin inhärent ist; deren Fähigkeit, zwischen zwei gesellschaftlichen Polen zu wandeln, zwar konservativ, zu sein auf der einen Seite, auf der anderen Seite nicht aber zurückgeblieben zu sein, offenbar erschöpft ist.