Australische Politik ohne Moral

In welches Land soll Europa „seine“ Flüchtlinge denn schicken, Miss Bishop?

Die australische Flüchtlingspolitik macht Schlagzeilen weit über die Grenzen des Kontinents hinaus. Sie ist berüchtigt für Grenzschutz ohne Rücksicht auf Verluste. Angesichts der Schiffsunglücke im Mittelmeer preist nun ausgerechnet die australische Außenministerin ihre Politik als Vorbild für Europa an. Von Annett Klinzmann

Manchmal fehlen die Worte. Julie Bishop, australische Außenministerin, kommentierte die Flüchtlingskatastrohe im Mittelmeer mit dem Verweis auf die „erfolgreiche“ Asylpolitik ihrer Regierung. Diese könne laut Bishop möglicherweise Modell stehen für strategische Ansätze Europas. Bishop, so muss man hinzufügen, scheiterte gerade bei dem Versuch, den Iran zur Rückführung „seiner“ Asylbewerber zu bewegen. Wären die Verhandlungen Bishops geglückt, hätte Australien die Gesamtzahl seiner Asylbewerber um 50 Prozent reduziert. Die iranische Führung bekundete jedoch kein Interesse.

Wie sieht nun die australische Lösung aus, die Bishop mit einem hohen Maß an Selbstvertrauen an Europa weiterempfiehlt? Als Mitte 2013 die liberale Koalition unter Tony Abbots die Regierung übernimmt, macht sie Grenzschutz zu einer seiner Prioritäten. Schlepperbanden, die versuchen per Schiff illegal Menschen nach Australien zu bringen, werden ab jetzt zur Umkehr gezwungen. Dies führt nicht nur zur Konfrontation mit dem Nachbarland Indonesien, sondern lässt auch Fragen über die Methoden des Grenzschutzes aufkommen. Die Öffentlichkeit wird jedoch nur spärlich über die Aktionen im Rahmen von „Operation Sovereign Borders“ informiert.

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Menschen, denen es trotz allem gelingt, die australische Küste zu erreichen, werden weiterhin in sogenannte „Immigration Detention Centre“ untergebracht bis ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist. Detention Centre sind mit Stacheldraht umzäunte Lager, die sich zumeist in weitabgelegenen Landesteilen oder auf Inselstaaten außerhalb (!) Australiens befinden. Die australische Lösung besteht damit in der Ver- bzw. Auslagerung von Asylbewerbern nach Papua-Neuguinea und Nauru. Dort werden ihre Asylanträge bearbeitet und – sollten sich Antragsteller als genuine Flüchtlinge herausstellen – mit Hilfe australischer Steuergelder angesiedelt. Australien verfolgt damit eine Abschreckungspolitik, die seine Wirkung nicht verfehlt. Die Zahl der Flüchtlingsboote hat sich tatsächlich stark verringert.

Aber seit wann rechtfertigt der Zweck die Mittel? Hier werden moralische Grenzen so verschoben, dass Einwanderung um jeden Preis kontrollierbar bleibt. Seit Jahren wird Australiens „Detention Centre-Politik“ von UNO, Amnesty International, der australischen Presse und linksgerichteten Politikern kritisiert. Angemahnt werden die unwürdigen Lebensbedingungen in diesen Lagern, die zu Unruhen und Verzweiflungstaten führen. So kommt es beispielsweise im Februar 2014 auf Manus Island (Papua-Neuguinea) zu Auseinandersetzungen, die den Tod eines iranischen Asylbewerbers und Verletze zur Folge haben. Bei einer darauffolgenden Untersuchung berichten ehemalige Angestellte von den engen räumlichen Bedingungen des Lagers, den schlechten hygienischen Zustände und der Ablehnung durch die einheimische Bevölkerung. Man zweifelt diesbezüglich auch an der Vernunft eines Ministeriums, dass es 2014 für angemessen hält, 1189 alleinstehende Männer per Charterflug dorthin zu transferieren, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Insofern steht für mich persönlich eines fest, dass Australiens Asylpolitik nicht nachahmenswert ist.