Forscherin

Beim Islam sollten Medien mehr auf Sprache achten

Andere Länder, andere Sitten. Das gilt vermutlich auch für Journalisten, wie Daniela Wehrstein berichtet. Zwar unterscheiden sich deutsche und französische Journalisten nicht sonderlich voneinander, doch gibt es Unterschiede – im Fall von Tuğçe beispielsweise.

Journalisten sollen nach Ansicht der Romanistin Daniela Wehrstein mehr auf ihren Sprachgebrauch beim Thema Islam achten. Oft würden Themen implizit und unbewusst miteinander verknüpft, sagte Wehrstein, die über das Islambild in deutschen und französischen Medien promoviert hat, am Freitagabend in Saarbrücken. Dabei unterschieden sich die deutschen und französischen Journalisten bis auf ihren Sprachgebrauch nicht sonderlich voneinander.

Vielfach spiele die Sozialisation in der Wahrnehmung eine große Rolle. „Zutreffende Fakten können zu unzutreffenden Schlüssen führen“, erklärte Wehrstein. Als Beispiel nannte sie einen Fall, in dem eine Frau aus Tunis, die polizeilich erfasst war, von zwei Männern in Marseille getötet wurde, wobei Steine eine Rolle spielten. In solchen Fällen verknüpften Journalisten die Nationalität oft mit der Religionszugehörigkeit. Ein Medium titelte beispielsweise „Die erste Steinigung in Europa“. Letzten Endes war die Religion laut Wehrstein aber nicht das Mordmotiv.

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In anderen Situationen erzeugten manche Wörter sofort eine bestimmte Assoziation, sagte Wehrstein. So wie „einerseits“ zu „andererseits“ gehöre, so werde „Kopftuch“ mit „Unfreiheit“ verknüpft und der „schwarze Bart“ stehe für Radikalismus und Terrorismus. Auch der Begriff „Deutschtürke“ erzeuge eine Abgrenzung. Jeder Einzelne müsse sich verdeutlichen, was auch das Unausgesprochene aussage. Hierfür forderte Wehrstein unter anderem eine bessere Medienkompetenzausbildung für Schüler.

Interessant ist der Romanistin zufolge der unterschiedliche Umgang mit dem Fall Tugçe. Die Studentin hatte in einem Schnellrestaurant in Offenbach zwei 14-jährige Mädchen vor Belästigungen durch drei junge Männer in Schutz genommen. Einer der drei schlug sie später nieder, bei dem Sturz zog sie sich tödliche Kopfverletzungen zu.

Französische Medien hätten häufig betont, dass eine „türkische Studentin“ zwei deutsche Mädchen beschützt habe, obwohl Tugçe Deutsche war, sagte Wehrstein. Dass sie einen doppelten Studiengang belegt habe, verdeutlichte für diese Journalisten ihre Offenheit. Dabei sei es nur in Frankreich nicht üblich, dass Lehramtsstudenten mehrere Fächer studierten. „Auch Journalisten haben einen begrenzten Wissenshorizont“, so die Forscherin.

In den deutschen Medien sei dagegen das „Türkische“ mit zunehmender Berichterstattung verschwunden und es sei vielmehr von der weltoffenen, engagierten jungen Frau die Rede gewesen, erklärte Wehrstein.