Das lange Warten

„In der Schule könnte ich Freunde finden“

Laut der UN-Kinderrechtskonvention haben alle Kinder das Recht auf Schulunterricht, auch Kinder von Flüchtlingen. Die Realität sieht allerdings anders aus. Ein Gespräch mit Enis, Zejnebe und dem Vater. Sie warten schon seit Monaten auf einen Schulplatz.

Während deutsche Kinder sich oft nur maulend auf den Schulweg machen, wären der zwölfjährige Enis und seine neunjährige Schwester Zejnebe glücklich, wenn sie in die Schule dürften. Aber weil sie keine Anmeldung in Köln bekommen (sie sollen „umverteilt“ werden nach Eisenberg in Thüringen), warten sie darauf vergebens – seit nunmehr einem halben Jahr. Solange lebt die siebenköpfige Familie in der größten Flüchtlingsunterkunft der Stadt, der „Herkulesstraße“.

Knapp 700 Menschen leben hier hinter Maschendraht, bewacht von Uniformierten der Adlerwache, eines Sicherheitsdienstes, die mit ihren Schäferhunden ihre Runden drehen und jeden Bewohner und jede Bewohnerin beim Eintritt ins Heim, das doch mehr einer Massenunterkunft gleicht, kontrollieren. Besuch für die Bewohner ist verboten, deshalb findet das Interview mit Vllazim Asimi und seinen Kindern im Schulalter in einem Café statt. Bei einer Elterninformationsveranstaltung der Kölner Initiative „Schulplätze für alle“ hatte er um Hilfe bei der Einschulung seiner Kinder gebeten. Mit ihm und den Kindern sprach Ariane Dettloff.

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Ariane Dettloff: Wie lange leben Sie schon in Deutschland?

Vater: Seit sechs Monaten. Wir kamen aus dem Kosovo direkt nach Köln.

Warum sind Sie hierher gekommen?

Vater: Weil wir als Aschkali-Minderheit im Kosovo diskriminiert werden. Wir bekommen keine Stellen und keine Unterstützung. Viele Aschkali sind gezwungen, von dem zu leben, was andere wegwerfen. Die albanische Mehrheitsbevölkerung beschimpft uns als „serbische Söldner“. Denn im Sezessionskrieg 1998/99 waren viele Aschkali Soldaten in der jugoslawischen Armee. Das Kosovo war damals ein Teil Jugoslawiens. Die Nato unterstützte die Separatisten der UCK und bombardierte Städte und Dörfer. Wir mussten grausame Mordszenen erleben. Ich selbst war noch zu jung für die Armee. Wir alle wurden Kriegsopfer. Aber die Mehrheitsbevölkerung sieht uns pauschal als feindliche Täter. Und darum werden wir und unsere Kinder schlecht behandelt. Ich will, dass meine Kinder eine Zukunft haben. Darum sind wir hier.

Ihre Kinder haben ja laut der UN-Kinderrechtskonvention auch das Recht auf Schulunterricht. Aber bis jetzt haben sie keine deutsche Schule von innen gesehen. Hat man Ihnen denn keine Schulplätze angeboten?

Vater: Nein, wir hatten bis heute kein Angebot für irgendeine Schule. Wir hoffen aber, dass sie bald zur Schule gehen können.

Enis, du bist ja im Kosovo sechs Jahre zur Schule gegangen. Wie war es da für dich?

Enis: Da ging es mir nicht gut. Die Kinder haben mich auf dem Schulhof angegriffen, nur weil ich ein Aschkali bin.

Vater: Er war allerdings ein sehr guter Schüler und hatte in sämtlichen Fächern die Note 5 (das ist dort die beste).

Was möchtest du denn später werden, Enis?

Enis: Ich möchte einmal Arzt werden.

Und du, Zejnebe?

Zejnebe: Ich will Kindergärtnerin werden.

Wie ging es dir in deiner Schule?

Zejnebe: Gut und schlecht.

Vater: Sie hatte eine rassistische Lehrerin. Bei uns sitzen in der Schule die Mädchen vorne und die Jungen hinten. Aber Zejnebe musste noch hinter den Jungen sitzen.

Zejnebe: Ich hatte keine Freunde in der Klasse. Die Mitschüler haben mich immer als „Du Schwarze!“ beschimpft.

Vater: Und weil sie eine Aschkali ist, bekam sie niemals eine 5, sondern nur die Note 4.

Was machen Ihre Kinder jetzt hier den ganzen Tag?

Vater: Sie spielen auf dem Hof, und sie lernen Deutsch.

Wo denn?

Vater: Es gibt im Wohnheim zwei Räume, wo zwei bis dreimal in der Woche eineinhalb Stunden Deutsch unterrichtet wird.

Enis: Aber in einer richtigen Schule wäre es besser. Da könnte ich besser Freunde finden.