Kampf um Abschiebung

Bundesamt für Flüchtlinge gegen Kirchenasyl

Die Zahl der Kirchenasyle ist in Deutschland überschaubar. Trotzdem ist es aus Sicht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ein Ärgernis; für die Kirchen ein Instrument der Menschenrechtsarbeit.

Donnerstag, 11.12.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 16.12.2014, 17:42 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist das Kirchenasyl immer mehr ein Dorn im Auge. Wie nun bekannt wurde, sucht die Bundesregierung bereits nach Wegen, dieser Praxis einen Riegel vorzuschieben. Im Rahmen einer parlamentarischen Antwort teilt die Bundesregierung mit, sie prüfe derzeit, inwieweit sich „Ausländer durch den Gang in das Kirchenasyl dem Zugriff der Behörden entziehen“, können. Angefragt hatte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau (Die Linke), unter Berufung auf einen MiGAZIN Artikel.

Konkret geht es um das sogenannte Dublin-Abkommen. Danach müssen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, in dem sie erstmalig europäischen Boden betreten. Das sind vor allem die südlichen Küstenländer und EU-Länder in Osteuropa. Deutschland hingegen ist Dank seiner geografischen Lage bestens abgeschirmt, so dass Flüchtlinge regelmäßig abgeschoben werden können in die sogenannten Erstaufnahmeländer. Dort droht den meisten Flüchtlingen aber mangels eines fairen Asylverfahren die weitere Abschiebung in ihre Herkunftsländer.

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Es geht um ein faires Asylverfahren
Allerdings enthält das Dublin-Abkommen eine klare Fristenregelung. Bleibt ein Flüchtling mindestens sechs Monate in einem EU-Land, muss das jeweilige Land sein Asylgesuch prüfen. Das gilt auch für Deutschland. Aufgrund dieser Frist werden Flüchtlinge möglichst noch vor Ablauf dieser Sechs-Monats-Frist abgeschoben. Soweit die Praxis, wenn da nicht die Kirchen wären.

Die sehen sich nämlich aufgrund der zunehmend rigiden Abschiebepraxis zunehmend in der Pflicht, aus humanitären Gründen einzugreifen. Sie nehmen Flüchtlinge in besonderen Härtefällen auf, bis die Dublin-Frist verstrichen ist. Ziel der Gemeinden ist es, den Schutzsuchenden ein faires Asylverfahren in Deutschland zu ermöglichen. Aufgrund einer stillen Übereinkunft zwischen Kirche und Staat werden Schutzsuchende aus Kirchen nicht gewaltsam herausgeholt – in der Regel zumindest.

Eiskaltes Kalkül
Wie jetzt bekannt wurde, soll sich das aber ändern. Dabei setzen die Behörden weniger auf Polizeigewalt, sondern auf eine weitere Klausel im Dickicht der Dublin-Verordnungen. Danach gilt nämlich auch: Taucht ein Flüchtling unter, gilt er als flüchtig. In diesen Fällen verlängert sich die Sechs-Monats-Frist auf 18 Monate. Und genau diese Klausel möchte das BAMF in Zukunft ziehen, indem sie Flüchtlinge in Kirchen als „untergetaucht“ einstuft.

Darin sieht Linkspolitikerin Pau eiskaltes Kalkül. „Offenbar sollen die Ressourcen der Kirchengemeinden auf die Probe gestellt werden“, so Pau. Sie fordert die Bundesregierung auf, die Gemeinden nicht als störende Oppositionelle zu betrachten, sondern sie als zivilgesellschaftliches Korrektiv ernst zu nehmen. Noch im vergangenen Jahr habe die Bundesregierung erklärt, dass bei Kirchenasyl nicht von einem „Untertauchen“ ausgegangen werde. Heute drücke sich die Bundesregierung um eine klare Antwort herum und „prüfe“ plötzlich.

Kirchenasyl ist Menschenrechtsarbeit
Entsprechend scharf reagierte auch die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG). „Kirchenasyl ist und bleibt ein Instrument der Menschenrechtsarbeit. Dass nun begonnen wird, die humanitären Handlungspartner einzuschüchtern, ist unverständlich und kontraproduktiv“, so BAG-Vorsitzender Dietlind Jochims. Zur Zeit weiß die BAG von 190 Kirchenasylen, von denen ca. 157 das Dublin-Verfahren betreffen – trotz wachsender Zahl ein überschaubares Phänomen also.

Dennoch unterstreiche die Zahl der Kirchenasyle in Dublin-Fällen die dringende Notwendigkeit einer veränderten Flüchtlingspolitik. Menschenrechtliche Mindeststandards würden nicht überall in Europa eingehalten. Die Schutzbedürftigen sollten nicht die Leidtragenden dieser Tatsache sein, mahnt der BAG und fordert das BAMF auf, von einer Verlängerung der Fristen bei Kirchenasyl abzusehen.

Ob das eintritt, ist derzeit unklar. Eine BAMF-Sprecherin wollte sich dem Evangelischen Pressedienst gegenüber nicht äußern. Sie verwies aber darauf, dass das Kirchenasyl kein eigenes Rechtsinstitut sei und sich die Flüchtlinge der rechtmäßigen Überstellung in den zuständigen Staat entzögen. Das Bundesamt plane demnächst Gespräche mit Kirchenvertretern zum Thema. (hs/epd/bag) Leitartikel Politik

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