Studie

Je stärker die Identifikation mit Deutschland, desto größer die Ablehnung von Muslimen

Was gehört zum Deutsch-Sein dazu? Dieser und weiteren Fragen gingen Forscher in einer neuen Studie nach. Ergebnis: Muslime werden ausgeschlossen. Dennoch: positive Identifikation mit Deutschland in allen gesellschaftlichen Lagern und über Herkunftsgrenzen hinweg.

Die Menschen in Deutschland identifizieren sich unabhängig von ihrer Herkunft in der großen Mehrheit stark mit ihrem Land. Je stärker jedoch die Identifikation mit Deutschland ist, desto größer ist auch die Ablehnung von Muslimen. Das ist das Ergebnis einer am Mittwoch vorgestellten Studie des Berliner Institutes für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt Universität (BIM). Dazu wurden den Angaben zufolge zwischen September 2013 und Mitte April mehr als 8.200 Menschen telefonisch bis zu 100 Fragen vorgelegt.

Demnach betont eine deutliche Mehrheit (85 Prozent) der Bevölkerung: „Ich liebe Deutschland.“ Ausgangspunkt des positiven Selbstbildes sei dabei die Wiedervereinigung, erläuterte die stellvertretende Institutsdirektorin Naika Foroutan. Sie stelle für jeden Zweiten (49 Prozent) in der Bevölkerung das historische Ereignis dar, das Deutschland heute am besten beschreibt. Ereignisse im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg seien hingegen kaum mehr prägend für das Selbstbild (16 Prozent), und der Holocaust werde nur von 0,5 Prozent der Befragten genannt, heißt es in der Studie.

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Özoğuz: Große Gefahr
Umso mehr verhindern Vorurteile und Stereotype gesellschaftlichen Zusammenhalt und Teilhabe. „Die pauschalen und negativen Einstellungen, die die Studie gegenüber Muslime festgestellt hat, bergen eine große Gefahr für das gute Miteinander in Deutschland. Genau aus solchen falschen wie einfachen Bildern versuchen gerade rechtspopulistische Parteien Kapital für ihre menschenfeindlichen Ziele zu schlagen. Deshalb müssen wir alle – auch und insbesondere die Politik – den falschen Bildern, den Vorurteilen und Stereotypen entschieden entgegentreten“, so Aydan Özoğuz, Kuratoriumsvorsitzende des BIM und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration im Bundeskanzleramt.

Allerdings kommt die Studie auch zu dem Ergebnis, dass eine starke emotionale Verbundenheit und eine Aufwertung nationaler Identität einhergeht mit ausgrenzenden Einstellungen gegenüber Muslimen im Land. Eine deutliche Mehrheit (67 Prozent) findet zwar, dass es das gute Recht von Muslimen in Deutschland ist, Forderungen zu stellen, und ebenso viele sagen, man sollte Muslimen mehr Anerkennung entgegenbringen. Ein Fünftel (20 Prozent) der Bevölkerung aber ist der Meinung, wenn Muslime Forderungen stellten, dann sei dies ein Zeichen von Unverschämtheit und 17 Prozent empfinden dies als Zeichen von Undankbarkeit.

Download: Die Studie „Deutschland postmigrantisch I. Gesellschaft, Religion, Identität – Erste Ergebnisse“ kann kostenlos heruntergeladen werden.

Kopftuch könne nicht deutsch sein
Wichtig ist den Befragten vor allem die Fähigkeit, deutsch sprechen zu können (97 Prozent), sowie der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit (79 Prozent). Trotzdem finden immerhin 37 Prozent der Bevölkerung weiterhin, dass deutsche Vorfahren wichtig sind, um Deutsche oder Deutscher sein zu können. Und über 40 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, man müsse dafür akzentfrei deutsch sprechen. Dieses sehr enge Verständnis von „korrekter Sprache“ als nationalem Kriterium offenbart eine fehlende Anerkennung der Realitäten einer Einwanderungsgesellschaft, in der die Dynamik der Veränderungen auch die Sprache vielfältiger werden lässt. Die Narrationen des Deutschseins bleiben an zentralen Punkten also immer noch exklusiv. Dies zeigt sich auch deutlich daran, dass 38 Prozent der Bevölkerung der Meinung sind, wer ein Kopftuch trage, könne nicht deutsch sein.

Winfried Kneip, Geschäftsführer der Stiftung Mercator, erklärt hierzu: „Die Studie zeigt am Beispiel von Einstellungen zu Muslimen auf, dass trotz eines insgesamt positiven Integrationsklimas Menschen mit Migrationshintergrund oft nicht als selbstverständlicher und gleichberechtigter Teil der Gesellschaft gesehen werden.“ Gefördert wurde die Umfrage von der Stiftung Mercator. (epd/mig)