Sorgloser Umgang der Medien

Der Tod von Tugçe – Was tun jetzt? Und was nicht?

Der Tod der jungen Studentin Tugçe hat in ganz Deutschland Fassungslosigkeit ausgelöst. Auch in den Medien hat der Fall hohe Wellen geschlagen – mit teils verheerenden Folgen. Bundestagsabgeordneter Josip Juratovic kommentiert:

Tuğçe A. lebt nicht mehr. Das ist tragisch und diese Worte zu schreiben erfüllt mich mit Trauer. Dabei finde ich das Wort „tragisch“ nicht ausreichend, da es zu häufig benutzt wurde und es der Trauer, die die Familie von Tuğçe empfinden muss, in keiner Weise gerecht wird.

Ich frage mich in diesen Tagen häufig, was der richtige Umgang mit dem Tod von Tuğçe ist. Dabei beziehe ich mich nicht auf die vielen Einzelpersonen, die in ehrlichem Mitgefühl der Familie in den letzten Tagen Beistand geleistet haben. Ich denke hingegen viel darüber nach, worin die Verantwortung der Politik und der Medien in der heutigen Zeit besteht. In welcher Art und Weise sollen wir uns positionieren, um unser ehrlich empfundenes Mitleid zu zeigen? Wie schaffen wir es, nicht gleichzeitig in die Falle zu geraten, den tragischen Vorfall für die eigenen Ziele zu benutzen?

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Die Antwort ist: Ich weiß es nicht. Ich weiß, dass mein Mitgefühl ehrlich gemeint ist und, dass es nicht mehr und nicht weniger Wert ist als das Mitgefühl all jener Menschen, die Tuğçe in ihren letzten Tagen begleitet haben.

Ich habe aber leider auch erleben müssen, wie manche Medien Tuğçes Tod benutzt haben, um die Sensationsgier zu befriedigen und weiter zu entfachen. Mich hat dabei vor allem die Berichterstattung über den mutmaßlichen Täter geärgert.

Manche deutsche Medien haben sich darauf konzentriert, aus Tuğçe und Sanel M. ein Gegensatz der gelungenen und misslungenen Integration zu machen. Dabei wurden gerade im Fall von Sanel M. Stereotype bemüht, die zur Stigmatisierung ganzer Gruppierungen führen können, so als ob seine soziale oder ethnische Herkunft ihn für die Tat vorherbestimmen würde. Die mutmaßliche Schuld von Sanel M. ist jedoch vor allem seine persönliche und nicht das reine Ergebnis der Umstände, in denen er groß wurde.

Währenddessen haben einige türkischsprachige Medien wiederholt versucht, die Herkunft des jungen Mannes in den Vordergrund zu rücken. Begriffe wie „serbischer Schlächter“, die stark an Bürgerkriege der 90er Jahre erinnern, wurden dabei verwendet. Dieser Vergleich missachtet auf der einen Seite die damaligen Opfer von gezielten und geplanten Auslöschungen. Auf der anderen Seite wird wiederholt ein gesamtes Volk an den Pranger gestellt, und wird nahegelegt, dass die Herkunft aus dem Staat Serbien für Gewalttaten prädestiniert. Ironischerweise handelt es sich in diesem Fall um einen Bosniaken aus Serbien.

Derart sorgloser Umgang mit der Berichterstattung kann nicht der richtige Weg sein, um das eigene Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen. Medien müssen, genauso wie wir Politiker, das hohe Gut der Objektivität schützen. Der Tod Tuğçes ist tragisch für sich allein und darf nicht für die Stilisierung von Stereotypen und Feindbildern missbraucht werden.

Möge Tuğçe in Frieden ruhen.