Cemile Giousouf © Deutscher Bundestag/ Fotografin: Simone M. Neumann
Cemile Giousouf © Deutscher Bundestag/ Fotografin: Simone M. Neumann

Cemile Giousouf

„Ich fühle mich nicht nur deutsch – ich bin es“

Merkels CDU wendet sich verstärkt den Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu. Cemile Giousouf ist das deutsch-türkische Gesicht dieser Charmoffensive - ein Portrait

Von Gabriele Voßkühler Donnerstag, 27.11.2014, 7:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 13.02.2015, 13:42 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

So viele Kopftuchträgerinnen auf einmal hat man wohl selten in der Berliner Bundesgeschäftsstelle der CDU gesehen. CDU-Sympathisanten mit Migrationshintergrund haben sich an diesem verregneten Oktobertag hier eingefunden, um die CDU als die neue Integrationspartei zu feiern. Die Kanzlerin hat ihren Besuch angekündigt, Integrationspolitik soll bei der CDU Chefsache werden. Aus den Lautsprechern klingt Lounge Musik, die Stimmung ist gewollt locker. Jünger, weiblicher und bunter will die CDU werden. Und heute soll es mit dem Imagewechsel endlich etwas werden.

Das Interesse an der neuen aufpolierten CDU ist groß: Schwarze und weiße, dunkelhaarige und blonde Männer und Frauen in dezenter Businesskleidung treffen auf Parteianhänger in Jeans und Turnschuhen. Gemeinsam drängen sie sich auf der Suche nach einem Sitzplatz durch die Stuhlreihen. Die Integrationsbeauftragte der CDU, Cemile Giousouf, 36 Jahre und erste Deutsch-Türkin in der CDU-Bundestagsfraktion, ist eine von ihnen und gehört heute bereits zur ersten Reihe der Union. Direkt vor dem Podium, neben Peter Tauber, dem Generalsekretär der CDU, sitzt Giousouf an diesem Morgen.

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Schon farblich scheint die klein gewachsene Frau einen Akzent setzen zu wollen: Designerbrille, schwarzer taillierter Blazer, schwarze Bluse, Hochhackschuhe und knielanger Rock in leuchtendem Orange. Giousouf ist seit 2009 CDU- Parteimitglied, wurde 2013 für den Wahlkreis Hagen in den Bundestag gewählt, ist Vorsitzende des CDU- Bundesnetzwerks „Integration“ und seit Anfang diesen Jahres auch Integrationsbeauftragte der CDU- Bundestagsfraktion.

Die Rede

Peter Tauber nennt Cemile Giousouf in seiner Begrüßungsrede an diesem Morgen eine Frau mit „eigener Agenda“. Eine eigene Agenda lässt sich aus Giousoufs Rede dann jedoch nicht ableiten. Neben der ein oder anderen wagen Formulierung – „Wir brauchen eine einheitliche europäische Flüchtlingspolitik.“ – will Cemile Giousouf vor allen Dingen motivieren. Als sie das Publikum begrüßt, wirkt ihre Begeisterung ungekünstelt: „Es ist ein großartiges Bild, es ist ein Traum, es waren noch nie so viele Menschen mit Migrationshintergrund im Konrad-Adenauer-Haus – herzlich willkommen!“ Für Giousouf scheint es nicht abwegig zu sein, dass der deutsche Kanzler in 25 Jahren „Younes Ouaqasse, Heinrich Zertik oder Sylvie Nantcha“ heißen könnte. Tosender Jubel im Saal, alle Genannten sitzen an diesem Vormittag im Publikum.

Gegenüber der Presse hat Cemile Giousouf schon häufiger erklärt, wie wichtig ihr muslimischer Glaube für sie ist. Sie sei gerade wegen ihrer Religion zur CDU gekommen. Politische Vorbilder habe sie in den Katholiken Rita Süssmuth und Heiner Geißler gefunden. Und auch heute wieder beschreibt Giousouf Religion als ihr persönliches Bindeglied zu den Christdemokraten: „Ich bin CDU-Mitglied geworden, weil mir Religion wichtig ist.“

Die Kanzlerin und ihre Integrationsbeauftragte

Als Angela Merkel im Anschluss zu den geladenen Gästen spricht und Wulffs Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ wiederholt, klatscht Giousouf kräftig, nickt. Sie stützt sich mit dem Unterarm auf ihrer Stuhllehne ab, will ihre Sitzhaltung, wie einem Konzentrationsprogramm folgend, begradigen. Am Ende appelliert die Bundeskanzlerin noch einmal direkt an die CDU-Frauen, ruft sie auf, ihre wichtige Rolle in der Partei endlich einzunehmen: Es folgt ein großer Applaus. Cemile Giousouf steht sofort auf, macht mit ihrem Handy ein Foto von der Kanzlerin, ganz so als wolle sie diesen Moment im Bild bannen und damit festhalten.

Im Abgeordnetenbüro

Schauplatzwechsel, im Abgeordnetenbüro von Cemile Giousouf: Weiße Wände, schwarzes Ledersofa. Hier will sich jemand durch dekorative Nebensächlichkeiten ganz offensichtlich nicht von der Arbeit abhalten lassen. Frau Giousouf, ganz in schwarz gekleidet, sitzt gerade, mit überschlagenen Beinen leicht nach vorne gebeugt. Spreche man von ihr als eine neue Art von Politikerin mit Migrationshintergrund, die sich „deutsch“ genug fühlt, um konservative Politik zu machen, wäre ihr das recht?

Giousouf lächelt, ihr Blick ist selbstsicher: „Ich fühle mich nicht nur deutsch – ich bin es.“ Es gehe ihr in erster Linie um „wertekonservative“ Politik.

Das Gespräch kommt auf das Thema Religion und Giousoufs Verbindung zur CDU: „Ich verstehe Eltern, die sich dagegen wehren, wenn St. Martin abgeschafft werden soll.“ Vor ein paar Tagen habe sie selber mit ihrer Nichte bei einem Martinsumzug mitgemacht. Bildungsthemen ließen ihren Puls schneller schlagen. Selber habe sie in der Schule aufgrund ihrer Herkunft aber keine Nachteile gehabt. Auf Nachfrage erzählt Cemile Giousouf dann aber doch, dass ihre Lehrer sie lieber auf die Realschule geschickt hätten. Aufs Gymnasium sei sie trotz der Einsen auf dem Zeugnis nur gekommen, weil ihre Eltern das so wollten.

Befragt man junge Abgeordnete zu ihren Erfahrungen im Berliner Polit-Alltag so berichten sie häufig von Hektik, Tempo und Termindruck. Auch Cemile Giousouf weiß davon ein Lied zu singen. Während des Gesprächs schaut sie hin und wieder auf ihr Handy, den nächsten Termin habe sie um eine halbe Stunde nach hinten verschoben. Die junge Politikerin schildert den „Lernprozess“, den sie während ihres ersten Parlamentsjahres durchgemacht habe: „Man muss aufpassen, dass man seinen Wahlkreis nicht vernachlässigt.“ Das könne bei der Termindichte schnell passieren. Ganz offensichtlich ist Cemile Giousouf längst angekommen im Berliner Polit-Alltag: Gehetzt leben hier nämlich alle. Interview Leitartikel Politik

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  1. Derso sagt:

    Kann ich für mich nicht bejahen. Nicht nur, dass ich nicht deutsch bin, ich fühle mich auch nicht deutsch.

  2. Comrigu sagt:

    Bei ihrem kaukasischen Aussehen gelingt das „sich als Deutsche fühlen“ bestimmt besser als beim dunkelhäutigen, in Deutschland geborenen „Migranten“.