Yasmin Fahimi

Davon ausgehen, dass viele Flüchtlinge auf absehbare Zeit bei uns bleiben

Angesichts steigender Flüchtlingszahlen stehen alle – Kommunen, Länder und Bund – in der Pflicht, eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen zu gewährleisten. Ein Gastkommentar von Yasmin Fahimi, Generalsekretärin der SPD.

Die Bilder von den Misshandlungen in einem Flüchtlingsheim in Burbach sind uns allen lebhaft vor Augen. Menschen, die zu uns nach Deutschland gekommen sind, um Schutz vor Vertreibung und Tod zu finden, mussten abermals um Leib und Gesundheit fürchten. Die Bilder von Burbach sind eine Mahnung an uns alle, dass wir unsere Bemühungen verstärken müssen, Flüchtlinge und Asylbewerber bei uns gut aufzunehmen.

Denn Flüchtlinge haben Anspruch auf Schutz und Sicherheit. Der Satz klingt simpel, er ist aber fundamental für eine Verfassungsordnung, die die Menschenrechte ernst nimmt. Nicht umsonst genießt das Grundrecht auf Asyl in der Bundesrepublik Verfassungsrang.

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Was viele Menschen bei uns oft vergessen: Das Gros der Flüchtlinge flieht nicht nach Europa, sondern findet Unterschlupf in den direkten Nachbarländern. Gegenwärtig tragen die Türkei, Jordanien und der Libanon beispielsweise die Hauptlast der Flüchtlingsbewegungen, die von den Konflikten in Syrien und Irak ausgelöst worden sind. Mehr als zwei Millionen Flüchtlinge hat allein der Libanon aufgenommen. Das ist eine imponierende Leistung für dieses kleine Land. Die Gesellschaften dieser Staaten leisten Außerordentliches, um eine einigermaßen menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge zu gewährleisten.

In jüngerer Zeit hat aber auch die Zahl derer zugenommen, die bei uns in Deutschland Zuflucht suchen. Die Fachleute rechnen für dieses Jahr mit 200.000 Flüchtlingen. Der Wert ist hoch, insbesondere mit Blick auf die vorangegangenen Jahre. Doch die Bundesrepublik ist ein wohlhabendes Land – und es steht uns gut zu Gesicht, Flüchtlingen bei uns Schutz zu gewähren. Bei dieser Aufgabe sind alle staatlichen Ebenen gefragt – der Bund, die Länder und die Kommunen. Niemand sollte jetzt versuchen, seine Verantwortung beim Flüchtlingsschutz wegzuschieben.

Die Flüchtlinge sind häufig traumatisiert von ihren Erlebnissen – sie müssen darauf zählen können, dass sie bei uns in Sicherheit sind und vor rassistischen Übergriffen geschützt werden. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Neonazis und andere ihren blanken Hass an diesen Menschen ausleben und Menschenleben gefährden. Das ist Aufgabe von uns allen.

Aufgabe der Politik ist es, ausreichend Unterkunftsplätze für die wachsende Zahl an Flüchtlingen anzubieten. Dazu gehört es aus meiner Sicht, für sie auch eine sozialpädagogische Betreuung sicherzustellen, damit sich die Flüchtlinge bei uns leichter zurechtfinden. Gerade in größeren Einrichtungen müssen wir bedenken, dass es zu Konflikten unter verschiedenen Gruppen kommen kann. Darüber hinaus brauchen wir eine ausreichende medizinische Betreuung, gerade um bestehende Traumata zu behandeln.

Die Unterbringungspolitik konservativer Prägung folgte fatalerweise lange der Logik: Wir gewähren keinerlei Hilfe zur Integration, weil ja gar nicht klar ist, ob diese Leute bei uns bleiben dürfen. Diese Politik hat die Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen erschwert, ja unmöglich gemacht. Sie führte dazu, dass Menschen oft viele Monate, ja Jahre in Deutschland waren, ohne je einen Sprachoder Integrationskurs absolvieren zu können.

Wir sollten davon ausgehen, dass viele Flüchtlinge auf absehbare Zeit bei uns bleiben werden. Darauf müssen wir unser Aufnahmekonzept ausrichten. Gerade hier hat sich in jüngerer Zeit einiges Gute getan. Wir haben das absolute Arbeitsverbot für Flüchtlinge aufgebrochen. Asylbewerber dürfen nun schon nach drei Monaten eine Arbeit suchen. Wichtig ist nun, dafür zu sorgen, dass diese Menschen auch tatsächlich Arbeit finden.

Ich werbe auch um etwas Geduld, denn im Augenblick fehlen uns vielerorts geeignete Unterkünfte. Fast zwei Jahrzehnte lang sind die Flüchtlingszahlen rückläufig gewesen, weshalb die Länder und Kommunen auch die Aufnahmekapazitäten verringert hatten. Jetzt müssen wir rasch Abhilfe schaffen. Ich betone: Wir dürfen die Städte und Gemeinden mit dieser Aufgabe nicht allein lassen. Ich halte es für überfällig, dass der Bund die Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen stärker unterstützt – finanziell wie organisatorisch.

Ich freue mich über zahlreiche private Initiativen, die dabei helfen, die wachsende Zahl an Asylbewerber_ Innen hier bei uns aufzunehmen und zu versorgen. Sie zeigen, dass diese Menschen bei uns willkommen sind. Und sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Integration. Überhaupt zeigt ein Blick auf die aktuelle Lage in den Städten, dass die Grundstimmung für die Aufnahme von Flüchtlingen positiv ist. Das dies so ist, ist auch das Verdienst vieler kleiner Initiativen vor Ort. Flucht und Wanderung sind eine Realität, der sich Deutschland und Europa stellen müssen. Wir dürfen uns vor der Verantwortung nicht wegducken.