Saarland

Gerichtspräsident lässt auch letztes Kreuz abhängen

Sollte Rechtsprechung in einem neutralen Raum stattfinden? Der Gerichtspräsident des Oberverwaltungsgerichts im Saarland sagt Ja und lässt das letzte verbliebene Kreuz entfernen. Damit gibt er der Beschwerde eines jüdischen Antragstellers statt. Die Kirche zeigt sich enttäuscht.

Von Marlene Grund Freitag, 10.10.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.10.2014, 20:29 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Entfernung des letzten verbliebenen Kreuzes aus den Sälen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Saarlouis hat im überwiegend katholischen Saarland eine Diskussion unter Kirchen und Parteien ausgelöst. Gerichtspräsident Michael Bitz hatte unter Berufung auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts der Beschwerde eines jüdischen Antragstellers stattgegeben, der sich durch das christliche Symbol in seinem Grundrecht auf ein neutrales Verfahren gestört fühlte. Das Kreuz im Saal 1 des Gerichts wurde vor einigen Wochen abgehängt.

Das Kreuz solle keine „mobile Einrichtung“ werden, argumentierte der Gerichtspräsident. Diese Gefahr hätte bestanden, wäre das Kruzifix nur bei Verfahren mit Klägern anderer Glaubensgemeinschaften abgenommen worden. Bitz erinnerte an den heftig diskutierten Kruzifixbeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1995. Da es auch nach Jahren der Diskussion keinen politischen oder gesellschaftlichen Konsens in der „Kreuzfrage“ gibt, liegt die Entscheidung über Kreuze in saarländischen Gerichtssälen beim jeweiligen Gerichtspräsidenten.

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CDU bedauert, SPD äußert Respekt
Die CDU Saar bedauerte die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. „Das Kreuz, dessen Werte Grundlage auch unseres Rechtsstaates sind, hätte nicht abgehängt werden müssen“, sagte Generalsekretär Roland Theis. Als Alternative schlug er Säle mit und ohne Kruzifixe vor, die jedem gerecht würden.

Respekt vor der Entscheidung des Gerichts gab es von der SPD-Fraktion. Christiane Blatt, kirchenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, verwies dabei aber auch auf das Kreuz im Plenarsaal des Saar-Landtages, das „der Geschichte unserer Region entspricht, ohne dabei andere Religionen zurückzuweisen“. Blatt zitierte die Verfassung des Saarlandes, wo es in Artikel 4 heißt: „Glauben, Gewissen und Überzeugung sind frei. Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden dadurch weder bedingt noch beschränkt.“

Gericht: Abhängen ist konsequent
Das saarländische Parlament werde aus Sicht der SPD-Fraktion auch künftig „im Angesicht der Verfassung, des Kreuzes, des Landeswappens sowie der deutschen und europäischen Flagge seine Entscheidungen für die Menschen gleich welcher Religion treffen“. Seit die evangelischen Kirchen im Jahr 2011 der Landesregierung ein künstlerisch gestaltetes Kreuz für den Kabinettsaal schenkten – die Anregung dazu kam aus der Politik – finden auch die Beratungen der Minister unter diesem Zeichen statt.

Die kirchenpolitische Sprecherin der Links-Fraktion im Saar-Landtag nennt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts konsequent. Sie bringe Klarheit für alle Gerichtsparteien. „Der eigene religiöse Bekenntnisstand spielt vor Gericht keine Rolle, da das Gesetz für Gläubige verschiedener Religionen oder auch nicht gläubige Mitbürger gleichermaßen gelten muss“, sagte Heike Kugler.

Kirche bedauert und respektiert Entscheidung
Die Kirchen respektieren die Entscheidung des Gerichtspräsidenten, bedauern sie aber. Die Begründung, die Rechtsprechung müsse in einem neutralen Raum stattfinden, ist aus Sicht von Christian Weyer, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Saar-West, nicht stichhaltig: „Unsere Rechtsprechung ist kulturgeschichtlich geprägt.“ Das heutige Rechtsverständnis habe sich auch aus der Vorstellung eines barmherzigen, gerechten Gottes heraus entwickelt. Im Saarland ist etwa ein Fünftel der Bevölkerung evangelisch.

Die katholische Kirche, der knapp zwei Drittel der rund eine Million Saarländer angehören, sieht in dem Verschwinden des Kreuzes „ein Zeichen der fortschreitenden Säkularisierung“. Zunehmend prägten Minderheiten den öffentlichen Raum – zulasten der Mehrheit der Gesellschaft, sagte ein Bistumssprecher. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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  1. Tai Fei sagt:

    Berlinerin sagt: 11. November 2014 um 15:25
    „@Tei Fei Wenn Sie linke Schulpolitik nicht als gescheitert betrachten und alle kritischen Kommentare als “Getöns” und “Worthülsen” abtun, dann rate ich Ihnen: Besuchen Sie die Rütlischule!“
    Ich kann doch nichts dafür, wenn die Kritiker hier nur Floskeln anbringen. Sie sind doch ein guten Bsp., wer ist den bitte Ihre „Linke“ und wo bitte findet „linke“ Schulpolitik statt?
    Soweit ich weiß ist die Rütlischule, lt. Medienberichten, inzwischen ein Musterbsp. für gelungene Integration. Aber Sie wissen es vielleicht besser.

  2. Graubündener sagt:

    @ Tei Fei Dass linke Schulpolitik die Abschaffung des Gymnasiums angedacht hat – zugunsten einer Einheitsschule – ist doch Insidern seit den 60er Jahren bekannt.
    „Links“ bedeutet, dass alle gleich sein sollen, dass alle alles können, alles dürfen und keine Unterschiede bestehen. Jeder darf alles und alles ist finanzierbar. Das ist die Quintessenz linker Politik. Was können wir dafür, wenn Sie das Parteiprogramm der Linken oder der Grünen nicht lesen?

    http://www.lehrerverband.de/aktuell_Tagespost_0605123_Die_heimliche_Abschaffung_des_Gymnasiums.html

  3. Tai Fei sagt:

    Graubündener sagt: 12. November 2014 um 14:33
    „Dass linke Schulpolitik die Abschaffung des Gymnasiums angedacht hat – zugunsten einer Einheitsschule – ist doch Insidern seit den 60er Jahren bekannt.
    “Links” bedeutet, dass alle gleich sein sollen, dass alle alles können, alles dürfen und keine Unterschiede bestehen.“
    Das heist aber noch lange nicht, dass es keine gymnasial entspechende Bildungsstufe geben wird. Von alles gleichmachen kann keine Rede sein. Es gibt auch ein sozialistisches Leistungsprinzip:“Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“. Es ist einfach falsch zu behaupten, dass „linke“ Politik alles GLEICHMACHEN würde.

  4. Spötterin sagt:

    @Tei Fei Ist ja schön wenn sie „gemäßigt“ sind, aber glauben Sie mir, „Dogmatiker“ gibt es in Hülle und Fülle! Wenn der Heilige Franz sich für Politik interessiert hätte, wäre er bestimmt ein Wagenknecht-Fan geworden!

    http://www.sueddeutsche.de/politik/linke-fraktionschef-gregor-gysi-willy-brandt-gehoert-jetzt-uns-1.1170893-2

  5. Tai Fei sagt:

    Spötterin sagt: 13. November 2014 um 12:58
    „@Tei Fei Ist ja schön wenn sie “gemäßigt” sind“
    Kapier ich nicht! Wann habe ich den Begriff denn benutzt. Bitte mal den Zusammenhang posten. Danke.