Heimatlos

Wir sollten nicht die gleichen Fehler machen

Uns Kindern von „Gastarbeitern“ fällt es schwer, Deutschland als Heimat zu bezeichnen. Es fühlt sich einfach nicht danach an. Das gleiche Schicksal könnten viele Menschen erleiden, die derzeit nach Deutschland kommen.

Von Montag, 06.10.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 11.05.2020, 19:06 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Unser Ursprungsland ist das Land, aus dem unsere Eltern und Großeltern stammen. Sie sind diejenigen, die vor ungefähr 50 Jahren in Zügen nach Deutschland kamen, um beim kriegsgezeichneten Land mit anzupacken. Als befristete Arbeitskräfte waren sie damals sehr willkommen.

Mit uns hat keiner gerechnet – wir, die Kinder dieser Menschen. Wir leben in Deutschland. Wir sind hier geboren, wir beherrschen die Sprache, sind „integriert“. Wir sind deutsch.

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Dennoch fällt es uns schwer, dieses Land, in dem wir schon immer gelebt haben, als Heimat zu bezeichnen. Warum das so ist, ist schwer zu erklären. Es fühlt sich einfach nicht nach Heimat an.

Heimat ist der Ort, an dem man sich bedingungslos wohlfühlt. Der Ort, in dem man immer sein will, den man vermisst, wenn man nicht da ist. Der Ort, an dem man nicht das Gefühl hat, fremd oder falsch zu sein, an dem man sich nicht ständig erklären muss, wo man bedingungslos akzeptiert ist, weil man selbstverständlich dazugehört. „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein“, wie es Goethe sagte.

Deshalb fühlt es sich hier nicht nach Heimat an.

Das Fatale ist, dass sich auch das Land unserer Eltern nicht wie Heimat anfühlt. Es ist das Land, in dem man den Urlaub verbringt; es zieht einen magisch an, man fühlt die Verwurzelungen. Es ist wunderschön, aber auch dort ist man fremd. Das Heimatgefühl ist dort ebenfalls nicht da.

Deshalb beneiden wir Menschen, die sagen können, wo sie leben, sterben und beerdigt werden wollen.

So werden wir wahrscheinlich nie sein können. Dafür leben wir schon zu lange mit diesem Gefühl.

Derzeit kommen neue Menschen nach Deutschland. Viele von ihnen kommen, weil ihre Heimat kriegsgezeichnet ist. Niemand weiß, wie lange sie bleiben und ob sie jemals zurückgehen werden. Kinder werden hier bei uns auf die Welt kommen. Wir sollten ihnen nicht das gleiche Gefühl geben, ihr Dasein nicht an Bedingungen knüpfen. Wir sollten aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Aktuell Meinung

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  1. Claudia sagt:

    Ich Teile Ihre Meinung nur bedingt.
    Die ganze Schulzeit über wurde ich diskriminiert und schikaniert, weil ich Polin bin (also meine Eltern sind Immigranten). Dann habe ich Freunde gefunden, für die es keine Rolle spielte. Für diese Menschen bin ich nun so gut integriert, dass ich Nazi genannt werde, wenn ich Integrationswilligkeit kritisiere. Kann ich ein Nazi sein? Ich bin keiner! Ich will eigentlich mehr miteinander und viele Gemeinschaften kapseln sich einfach ab. Das gilt für Türken genauso wie für Polen oder Russen. Ich fühle mich in Deutschland sehr wohl und will mehr dafür tun, dass andere das auch tun, obwohl mein Nachname mir bisweilen nur Nachteile gebracht hat. Die Gesellschaft nimmt mich also im gleichen Maße an, wie sie mich abstößt. Ich bin schrecklich verwirrt.