Streit um Dublin

Deutschland: Flüchtlinge sollen anders verteilt werden

Bundesinnenminister Thomas de Maizière fordert eine Änderung der Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Das Dublin-Verfahren soll aber bleiben. Das stößt größtenteils auf Zustimmung. Nur die Linke ist dagegen. Dublin sei gescheitert.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stößt mit seiner Forderung, die Verteilung von Flüchtlingen in der EU zu ändern, auf grundsätzliche Zustimmung bei Sozialdemokraten, Grünen und Migrationsexperten. De Maizière hatte sich gemeinsam mit anderen europäischen Innenministern dafür ausgesprochen, bei Überlastung einiger Staaten temporär andere Mechanismen zur Verteilung von Flüchtlingen zu entwickeln. Am Dublin-System will er aber grundsätzlich festhalten.

Für die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), geht dieser Vorstoß in die richtige Richtung. Das seit 2013 bestehende gemeinsame europäische Asylregelung funktioniere nicht. „Deshalb müssen wir ehrlich, aber auch solidarisch darüber reden, was wir von einem europäischen Asylsystem erwarten“, sagte Özoğuz der Passauer Neuen Presse.

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Auch die Grünen sprechen sich für eine Reform der einschlägigen europäischen Bestimmungen aus. „Eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten fordern wir schon seit Langem“, erklärte Rebecca Harms, Grünen-Fraktionschefin im Europäischen Parlament, in derselben Zeitung.

Linke: Dublin gescheitert
Ähnlich sieht es die a Vorsitzende des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Christine Langenfeld. Es gebe überforderte Staaten. Das führe zu einer Aushöhlung des Systems. Flüchtlinge würden sich dann selbst aussuchen, in welches Land sie gehen. Einige Länder würden es sich möglicherweise leicht machen und keine oder wenige Flüchtlinge aufnehmen. Die Leidtragenden seien wiederum die Flüchtlinge. Dublin müsse daher im Prinzip erhalten, aber mit einem System temporärer Lastenverteilung flankiert werden.

Ganz anders argumentieren die Linken. „Ein gescheitertes System der bürokratischen Verteilung von Flüchtlingen durch ein anderes zu ersetzen, ist keine Lösung. Sinnvoller wäre es, EU-Staaten mit geringen Flüchtlingszahlen finanziell zur Entlastung der Hauptaufnahmestaaten heranzuziehen“, so Ulla Jelpke. Damit würden nur neue Schwierigkeiten geschaffen. „Gefragt ist eine solidarische Lastenteilung, bei der Länder mit niedrigen Aufnahmequoten zur Finanzierung der Aufnahme in den stärker beanspruchten Ländern herangezogen werden“, so die Linkspolitikerin.

Das Dublin-System
Die Dublin-Verordnung der Europäischen Union legt fest, welcher EU-Mitgliedsstaat für die Behandlung eines Asylgesuches zuständig ist. Grundsätzlich gilt: Ein Flüchtling muss in demjenigen EU-Land um Asyl bitten, das er als erstes betreten hat. Daraus ergibt sich, dass Länder mit EU-Außengrenze wie etwa Griechenland und Italien überproportional gefordert sind. Der Flüchtling darf laut den Regeln nicht in ein anderes Land weiterreisen und kann, falls er es doch tut, zwangsweise in das Ersteinreiseland zurückgeschickt werden. Ein großer Teil der Abschiebehäftlinge in deutschen Gefängnissen sind sogenannte Dublin-Fälle.

Um das Dublin-System in die Praxis umzusetzen, hat die EU die „Eurodac“-Datenbank eingerichtet, in der die Fingerabdrücke von Asylsuchenden und irregulären Einwanderern gespeichert werden. Eine Reihe von EU-Gesetzen soll gewährleisten, dass alle Schutzgesuche fair geprüft und die Migranten menschenwürdig behandelt werden. In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Reformen dazu, die in dem 2013 fertiggestellten „Gemeinsamen Europäischen Asylsystem“ (GEAS) mündeten.

Allerdings klaffen bis heute Theorie und Praxis weit auseinander. Die überforderten südlichen Außengrenzländer halten sich vielfach nicht an die vorgeschriebenen Standards, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und andere Flüchtlingsrechtler beklagen. Zu den Verstößen zählen etwa Gewalt gegen Migranten und sogenannte heiße Abschiebungen ohne Prüfung des Asylgesuches. Im Fall Griechenlands erkennen andere EU-Länder das Problem an und schicken keine Dublin-Häftlinge dorthin zurück. Grundsätzlich will die Mehrheit der EU-Länder jedoch derzeit nicht am Dublin-System rütteln.

Die Bundesregierung betont, dass eine Umverteilung von Flüchtlingen in Europa nur „auf freiwilliger Basis zeitlich befristet“ vorstellbar sei. Sie ist der Ansicht, dass sich andere europäische Länder noch deutlich mehr für den Flüchtlingsschutz engagieren sollten. Deutschland hat, obgleich es von anderen EU-Ländern umgeben ist, im Moment europaweit die meisten Asylanträge zu prüfen. Das liegt unter anderem daran, dass manche Flüchtlinge die Registrierung im Ersteinreiseland vermeiden oder mit dem Flugzeug kommen. Betrachtet man die Asylgesuche im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße, lag Deutschland 2013 auf Platz 7 in der EU. (epd/mig)