NSU

Das Zeugensterben geht weiter

Erneut wurde ein wichtiger NSU-Zeuge tot aufgefunden. Der 39-jährige V-Mann Thomas R. – alias Corelli – soll an einer Diabeteserkrankung gestorben sein. Von offizieller Seite wird ein Fremdeinwirken ausgeschlossen. Er ist schon der siebte Tote im NSU-Komplex.

Dem Oberlandesgericht (OLG) München gehen die Zeugen aus. Jedenfalls solche, die zur Aufklärung der immer mysteriöser erscheinenden NSU Morde hätten beitragen könnten. Zuletzt traf es Corelli, wie er beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geführt wurde. HJ Tommy nannten ihn seine rechten Kameraden.

An einer bisher nicht bemerkten Diabeteserkrankung soll der 39-Jährige allein in seiner Wohnung gestorben sein. Ein Fremdeinwirken schließen die Ermittler einem Spiegel-Bericht zufolge aus. Das BfV habe am Mittwoch vergangener Woche das parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages über den Tod des früheren Topspitzels informiert.

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Selbstmord an anderer Stelle
Corelli kam nach seiner Enttarnung 2012 in ein Zeugenschutzprogramm. In den Neunzigern war er in der Neonaziszene aktiv und hatte – entgegen anderslautenden offiziellen Angaben des BfV – Kontakt zum NSU. Vermutlich hätte er viel zur Aufklärung im NSU Prozess beitragen können. Ob er nützliche Hinweise gegeben hätte, steht auf einem anderen Blatt. Die bisher gehörten Zeugen glänzten bisher vor dem OLG eher mit Erinnerungslücken und widersprüchlichen Aussagen.

Der plötzliche Tod Corellis lässt aber auch aus anderen Gründen Zweifel aufkommen. So hatte Florian Heilig, ein weiterer wichtiger Zeuge, im September 2013 vermeintlich Selbstmord begangen – auf dem Weg zur Aussage zum Komplex Heilbronn, wo Michèle Kiesewetter vermutlich vom NSU ermordet wurde. Aus Liebeskummer – so die offizielle Version – soll er sein Auto in Brand gesetzt haben und nicht ausgestiegen sein.

Dubiose Umstände
Über den Komplex Heilbronn hätte wahrscheinlich auch Corelli berichten können. Er hatte Informationen über den deutschen Ku-Klux-Klan geliefert, den er selbst – zumindest – finanziell mit aufgebaut hatte. Recherchen der taz ergaben: Zu den Klan-Mitgliedern gehörten Kollegen der getöteten Polizistin Kiesewetter.

Das Geld hatte sich Corelli bei den Geheimdiensten verdient. Allein das BfV soll ihm rund 180.000 Euro für seine Dienste gezahlt haben. Damit finanzierte er außerdem ein Nazi-Blatt, in dem in den Jahren 2001/2002 zum ersten Mal der Begriff NSU auftauchte.

Unterm Strich ist Corelli bereits der Siebte, der unter dubiosen Umständen ums Leben gekommen ist. Die wohl bekanntesten Toten in diesem Zusammenhang dürften Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sein, die offiziell ebenfalls Selbstmord begangen haben, in dem Wohnmobil, das sie zuvor in Brand gesetzt haben sollen. Neuere Untersuchungen lassen allerdings weitere Zweifel an der offiziellen Version aufkommen: In den Lungen der Toten wurden keine Rußpartikel gefunden. Die drei anderen Toten waren hochrangige Beamte des LKA Thüringen, die mit der NSU-Fahndung befasst waren. Sie starben 2001/2002 ebenfalls unter mysteriösen Umständen. (bk)