Europawahl

Wer hat Angst vor der AfD?

Eurokritische, rechtspopulistische sowie national-konservative Strömungen liegen in ganz Europa im Trend. Nach dem Wegfall der Drei-Prozent-Hürde bei den anstehenden Europawahlen gilt der Einzug der rechtspopulistischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) als sicher – Daria Jablonowska über die Folgen.

Fakt ist, Parteien des rechtskonservativen Lagers mit europakritischen Programmen etablieren sich in vielen Ländern der Europäischen Union – in Großbritannien ist es die rechtspopulistische United Kingdom Independence Party (UKIP), in Frankreich ist es die Front National unter der Führung von Marine Le Pen und in Italien die Lega Nord. Ähnliche Bewegungen gibt es von Skandinavien bis Polen. In Deutschland spielt die 2013 gegründete „Alternative für Deutschland“ gekonnt mit fremdenfeindlichen Parolen, zeichnet ein fatales Zukunftsszenario verweile Deutschland länger in der Europäischen Union und schlägt einen ökonomisch höchst fragwürdigen „geordneten Austritt“ sowie die Rückkehr zur den jeweiligen Nationalwährungen vor.

Ohne ein geschärftes politisches Profil, bekannt als eine monothematische rechtspopulistische Protestpartei gegen die Europäische Währung, hat die AfD es binnen weniger Monate geschafft, so viele Wähler zu mobilisieren, dass der Einzug in den Bundestag im September 2013 mit 4,7 % der Wählerstimmen aufgrund der 5-Prozent-Klausel nur knapp verfehlt wurde. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA steht die AfD aktuell bei 8 % und wird mit ziemlicher Sicherheit in das EU Parlament einziehen. Selbst die FDP als eine demokratische und etablierte Partei steht vergleichsweise schlechter da.

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Keine direkte Einflussnahme
Obwohl das rechtspopulistische Lager des EU-Parlamentes nach den anstehenden Wahlen um neue Rechte erweitert wird, ist nach den bisherigen Erfahrungen keine direkte Einflussnahme auf dessen Arbeit zu befürchten. Das bestätigt auch die Stiftung Wissenschaft und Politik in der aktuellen Publikation „SWP-ktuell 2014/A“.

Europaskeptische Parteien bilden sogar seit Jahrzehnten einen festen Bestandteil des Europaparlaments (EP) und sind Ausdruck einer polarisierten, demokratischen Parteienlandschaft. Auch die Stimmenzuwächse im rechtsradikalen Lager sind aufgrund der Arbeitsorganisation und Fraktionsdisziplin der EU Parlamentes nicht als zu bedrohlich zu bewerten. Aufgrund ihrer nationalistisch geprägten, thematischen Heterogenität sind die rechtspopulistischen Parteien im EP so stark fragmentiert, dass sie nicht in der Lage sind, eine große, stabile rechtskonservative Fraktion zu bilden. Ideologische Fragmentierung mindert neben der geringen Abgeordnetenzahl in der Praxis den Einfluss auf die Arbeit des EP, so dass bei aktueller Stimmenverteilung eine Blockademöglichkeit als ausgeschlossen gilt, auch wenn die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) bestrebt sein würde, Abgeordnete der AfD in ihren Reihen aufzunehmen.

Anlass zur Sorge
Die Stimmenzuwächse bei europakritischen Parteien sowie der rasante Aufstieg der AfD geben dennoch Anlass zur Sorge. Zum einen bringt der Einzug der AfD der Partei neben demokratischer Legitimation ein hohes Maß an Medienpräsenz und die Arbeit im EP bietet ein öffentlich wirksames Forum. Damit wird die Ablehnung der Europäischen Werte als legitime Position manifestiert und rechtspopulistische Parteien gewinnen neben dem Zugang zu öffentlichen EU-Geldern an Bekanntheit in ihren Heimatländern.

Auf der nationalen Ebene stehen die etablierten Parteien und Regierungen unter Druck, antieuropäische Stimmungen zu bedienen und euroskeptische Positionen zu besetzen, um Wähler zurück zu gewinnen. Als Gesetzesvorstöße fließen diese Positionen durch den Ministerrat in die Institutionen der EU zurück und können so das System indirekt aushöhlen und den Integrationsprozess nachhaltig behindern.

KEINE Alternative für Deutschland oder für Europa
Eine europakritische Grundhaltung ist per se gar nicht verwerflich. Die Diskussion um die Funktionsfähigkeit von Institutionen sowie die Wahl geeigneter Instrumente gehören zu einem vitalen politischen Diskurs. Die EU ist kein Schlaraffenland und es gilt, bestimmte Bereiche wie den europäischen Bankensektor schnellstmöglich zu reformieren. Aber ebenso gilt es, die Errungenschaften der Europäischen Union wie Freizügigkeitsrechte, eine gemeinsame Währung und einen barrierefreien Binnenmarkt sowie das Gewicht der EU in einer globalisierten Welt hochzuhalten, anstatt die Lösung in einer naiven rückwärtsgewandten „geordneten Auflösungsstrategie“ hin zu einem homophoben D-Mark-Deutschland mit unkalkulierbaren Folgen für die ganze Eurozone zu propagieren.