Doppelte Staatsbürgerschaft

CDU befürchtet Loyalitätskonflikte wegen Erdoğan

Während Bremen Nägel mit Köpfen macht und die umstrittene Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsgesetz de facto abschafft, diskutiert die CDU im Bundestag immer noch über vermeintliche Loyalitätskonflikte.

Freitag, 17.01.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.01.2014, 0:57 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren sind, müssen sich in Bremen ab sofort nicht mehr bis zum 23. Geburtstag zwischen dem deutschen Pass und dem ihrer Eltern entscheiden. Die Hansestadt setzt den umstrittenen Optionszwang – wie bereits Hamburg – mit einer Übergangsregelung de facto aus.

Bis die Bundesregierung mit einem entsprechenden Gesetz für Rechtssicherheit sorgt, müssen Betroffene lediglich einen rein formalen Antrag auf Beibehaltungsgenehmigung für die deutsche Staatsbürgerschaft stellen. Damit schafft das Land Übergangsregelung und weist die Behörden darauf explizit hin. „Bis zu einer Änderung des Gesetzes durch die neue Bundesregierung ist Innensenator Ulrich Mäurer entschlossen, alles zu tun, um den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch die geltende Regelung zu verhindern“, heißt es dazu in einer Senatserklärung.

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Loyalitätskonflikte wegen Erdoğan
Unterdessen stellten CDU Politiker am gestrigen Donnerstag in einer Bundestagsdebatte zum Staatsangehörigkeitsrecht erneut unter Beweis, wie sehr sie mit der im schwarz-roten Koalitionsvertrag verankerten Abschaffung der Optionspflicht hadern. CDU Politiker Helmut Brand etwa sinnierte unter Beifall der CDU-Fraktion über die Vorteile der Optionspflicht. Als Hauptargument griff Brand auf mögliche Loyalitätskonflikte zurück. Auf Einwände von Oppositionspolitikern konterte Brand mit der Politik des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdoğan. Er versuche die Türkeistämmigen in Deutschland für sich zu vereinnahmen und nehme Einfluss auf sie.

Der Debatte waren gleich mehrere Vorlagen von den Grünen und der Linksfraktion vorausgegangen. Die Grünen drängten in ihrem Antrag unter anderem darauf, bis zur gesetzlichen „Abschaffung des Optionszwanges“ den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit von Betroffenen zu vermeiden. Angaben der Bundesregierung zufolge, verloren bereits 248 Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit im Zuge der Optionspflicht. Grünen-Politiker Volker Beck machte darauf aufmerksam, dass auf den Schreibtischen der deutschen Ausländerbehörden gegenwärtig weitere 5.000 Fälle liegen, denen wegen der bestehenden Optionspflicht der Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit droht.

Gesetzesentwurf in einigen Wochen
Beck forderte Bundesinnenminister Thomas de Maizière – ähnlich dem Bremer Vorbild – auf, die Behörden anzuweisen, „dass jeder, der eine Beibehaltungsgenehmigung beantragt, sie entweder sofort behält, oder man das Verfahren ruhen lässt, bis der Gesetzgeber die Optionspflicht abgeschafft hat“. Beck weiter: „Der Optionszwang war, rechtspolitischer, integrationspolitischer Unsinn. Da darf man diesen Unsinn auch nicht weiter praktizieren.“ Die Grünen und die Linkspartei fordern in ihren Anträgen zudem, dass Betroffene, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund der Optionspflicht verloren haben, auf Antrag unbürokratisch und gebührenfrei wiedereinzubürgern.

SPD Politiker Rüdiger Veit hingegen verwies auf das geltende Recht, das ohnehin die Möglichkeit vorsehe, einen Antrag auf Beibehaltungsgenehmigung zu stellen, damit kein Verlust der Staatsbürgerschaft eintritt. Wichtig sei lediglich, dass dieser Antrag vor dem 21. Lebensjahr gestellt werde. Veit appellierte in diesem Zusammenhang an die Ausländerbehörden, gerade in diesen Fällen möglichst praktische und wohlwollende Lösungen zu finden. Im Übrigen, so Veit weiter, werde man sich natürlich Gedanken darüber machen, wie Menschen, die bereits eine Staatsbürgerschaft aufgrund der Optionspflicht verloren haben, bessergestellt werden. „Ob wir da mit unserem Koalitionspartner weiterkommen werden, werden wir sehen“, so Veit.

Was dabei herumkommen wird, wird sich nach Aussagen von Unionspolitikern erst in einigen Wochen zeigen. Dann nämlich werde man einen ersten Gesetzesentwurf zur Abschaffung der Optionspflicht vorlegen. (iu) Leitartikel Politik

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  1. Han Yen sagt:

    Die türkische Diaspora hat ein Problem, weil sie als Fünfte Kolonne wahrgenommen wird. Neben der Türkei selbst hat auch die USA ein Interesse am EU-Beitritt, weil sich dann die Anzahl der US-Verbündeten in der EU vergrößert. Die BRD hat daran kein Interesse.

    Der Vorwurf des Loyalitätskonfliktes ist aber Unsinn. Die türkische Wirtschaft hängt vom Auslandskapital ab. Die AKP kann zwar durch die Beschwörung einer islamischen Identität die türkische Diaspora hinter die Fichte führen, und ein Bündnis mit dem Neoliberalismus eingehen. Jedoch ändert das nichts an den objektiven Geschehnissen einer erzwungenden Binnenmigration, Prekarität und Klientelwesen in der Türkei. Die türkische Diaspora ist selbst zum Teil aus der Binnenmigration und in deren Anschluß durch internationale Migration entstanden. Um der AKP Gefolgschaft zu leisten müßte sie sich selbst, ihre eigene Geschichte und ihre sozialen Interessen in der Türkei verleugnen. Es bestehen immer noch familiäre Bande in die Türkei.

    Faktisch interessiert die AKP die türkische Diaspora nur insoweit, dass sie durch Diaspora-Tourismus und Rücküberweisungen nützliche Idioten sind, die Handelsdefizite und den Wohlfahrtstaat mitfinanzieren, ohne etwas zu entnehmen. Die Loyalitätsforderungen der AKP an die türkische Diaspora hat zudem das Geschmäckle auch noch die Gefahr rassistischer Übergriffe auf sich nehmen zu sollen zum Wohl der Nation.

    Die türkische Diaspora hat ein starkes Interesse an einer Regionalisierung der Türkei, dass Auswanderungsregionen zu Subsouveränen macht, weil sie dann ihren Einfluss auf den türkischen Staat maximieren kann. Ihr stünden dann neben ihren eigenen Stimmen auch das ihrer Familienmitglieder zur Verfügung, um die Verteilung des Steueraufkommens zu ihren Gunsten zu entscheiden. Diesem politischen Interesse steht gegenüber die Furcht des türkischen Staates wegen der möglichen Stärkung ethnischen Separatismus.

  2. deutscher staatsbuerger sagt:

    Als hiergeboren und hieraufgewachsen und hierlebend aber von der Einbürgerungsbehörde bzw Ausländerbehörde ausgegrenzt, diskriminiert und grundlos abgelehnt, möchte ich andeuten, die hier lebenden Mitmenschen nicht weiter mit solchen menschenverachtenden und sinnlos zeitverschwendenden Debatten ihre wertvolle Zeit zu verschwenden. Bitte, die Menschenrechte dieser Mitmenschen in Ehren, aus mit dieser Debatte.

  3. Han Yen sagt:

    @deutscher staatsbürger

    Sie sind vielleicht ein naiver Mensch. Die Rhetorik mit der die Doppelte Staatsbürgerschaft bekämpft wird hat nichts mit den Motiven der türkischen Diaspora zu tun, sondern sehr viel mit den Interessenslagen der Parteien in Deutschland und der deutschen Gewerkschaften.

    Normalerweise entsteht durch die Auswanderung bei Diasporabevölkerungen mehrere Gruppierungen: Lobbyorganisationen für Inklusion, Kulturvereine, Presse und auswanderungslandsorientierte Vereine.

    Durch den Generationswechsel nimmt das politische Interesse am Auswanderungsland ab, während die Politikkompetenz zunimmt. Diasporabevölkerungen haben keine Wahl, ob sie sich mit dem Auswanderungsland befassen oder nicht. Denn der öffentliche Diskurs wird von der Interessenslage der dominanten Gruppen bestimmt. Die türkische Diaspora ist nützlich mit ihrer Alterität die eigene europäische Identität anzurufen. Sehr große Diasporagruppen sind dafür prädestiniert.

    Italien hat italienischen Immigranten in beiden Amerikas das Wahlrecht zugesprochen und sie werden im Zensus verzeichnet. Italien beabsichtigt nämlich mittels der Auswanderer Handelspolitik zu machen. Ich empfehle der türkischen Diaspora sich auf das Politikfeld Handel und Tourismus zu beschränken.

    Das Problem am Patriotismus für das Einwanderungsland oder das Auswanderungsland ist das Wesen des Nationalismus: die eigenen Interessen müssen dem großen Ganzen geopfert werden. Menschen sollten das nicht tun, wenn sie nur ein Leben haben.

    Ich halte es für unproblematisch, die egoistischen Motive von Nationalstaaten und ihren großen Brüdern den Großmächten klar herauszustellen. Für Auswanderungsstaaten sind Diasporas nur nützliche Idioten, die man an Einwanderungsländer verscherbelt, um gefährliche Klassen loszuwerden. Einwanderungsländer haben mittels rassistischer Ideologie wesentlich effektivere Unterdrückungsmechanismen als Auswanderungsstaaten.

  4. deutscher staatsbuerger sagt:

    Mit naiv hat meine Meinung nichts zu tun. Im Gegenteil, hier geht es um das Potenzial der ausländischen Mitbürger, deren Zeit mit künstlichen Hürden seitens irgendwelchen komischen politischen Gruppierungen verschwendet wird. Ich beispielsweise hätte die ca vier Jahre meines Lebens, die ich ergebnislos für die deutsche Staatsbürgerschaft verschwendet habe anderweitig einsetzen können. Bezahlt wurden diese Beamten der Taten mit unser allen Steuergelder, welche auch hätte anderweitig eingesetzt werden können. Mit der doppelten Staatsbürgerschaft hat das überhaupt nichts zu tun. Es könnte auch genau so gut depperte Staatsbürgerschaft heißen können. Was zählt ist, was hinter dem Namen steckt, welches für mich als einfacher Wunsch-Bürger im 21. Jahrhundert, in einem freiheitlichen sozialen Rechtsstaat, welches sich gerne modern und aufgeschlossen gibt und sich der ganzen Welt als Demokratie-Vorbild präsentiert, nicht nachzuvollziehen ist. Ich meine, ich bin doch kein Feind oder habe ich hier jemandem böses getan? Nicht das ich wüsste. Wer an meiner Loyalität zu meinem Geburtsland zweifel hat, sollte so schnell wie möglich in den Spiegel schauen und sich schleunigst seine innere Einstellung überprüfen. Diese sollten erst einmal ihre Loyalität gegenüber unser aller Steuergelder zeigen bevor sie mich in irgendeine Wunschschublade stecken.

    So verschwenden diese komischen Politiker unsere Zukunft mit sinnlosen Debatten. Ganz einfach, die frage lautet: willst du deutscher Staatsbürger werden? Die Antwort: ja ich will. Wieso ist jetzt niemand da, der oder die mich zum deutschen Staatsbürger erklärt?

    Hanyen, dieses Schubladendenken tut ihnen und den anderen nicht gut. Die Türken sind hier als ganz normale Menschen zum arbeiten gekommen. Die Eroberungszeiten gehören zum Mittelalter und sind schon längst vorbei. Diese Menschen möchten arbeiten, Geld verdienen, glücklich sein, eine friedliche Zukunft aufbauen. Diese Hollywood-Machtspiele sind für einen Thriller gut geeignet aber im echten Leben, heute, in Deutschland, wo Menschen aus komischen gründen einfach auf der Straße erschossen werden, ist sie als Unwahrheit einfach fehl am Platz. Türken sind auch Menschen, sowie alle anderen Menschen auch. Nicht mehr und nicht weniger.