Keine Einsicht

Sarrazin-Rüge der Vereinten Nationen bleibt folgenlos

Die UN-Rüge aufgrund rassistischer Äußerungen von Thilo Sarrazin bleibt Folgenlos. Weder sind Gesetzesänderungen geplant noch besondere Maßnahmen zur Sensibilisierung von Richtern und Staatsanwälten gegen Rassismus. Das teilt die Bundesregierung mit.

Dienstag, 26.11.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 29.11.2013, 6:53 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Sarrazin-Rüge des Antirassismus-Ausschusses der Vereinten Nationen (CERD) wird folgenlos bleiben. Einer Konkretisierung und Verschärfung der Straftatbestände der Volksverhetzung oder der Beleidigung steht die Bundesregierung mit Verweis auf die Meinungsfreiheit ablehnend gegenüber. Auch der Forderung, Rassismus bei der Aus- und Fortbildung von Staatsanwälten, Richtern und Anwälten stärker zu berücksichtigen, erteilt die Bundesregierung eine indirekte Absage. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei hervor.

Hintergrund der CERD-Rüge war eine Strafanzeige des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg e. V. (TBB) wegen Beleidigung und Volksverhetzung, der aufgrund des Interviews von Thilo Sarrazin in der Zeitschrift „Lettre International“ im Herbst 2009 bei der Berliner Staatsanwaltschaft gestellt wurde. Darin hatte Sarrazin unter anderem gesagt: „Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate. […] Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin.“ Später musste Sarrazin auf Nachfragen einräumen, dass diese Zahlen nicht belegt sind.

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CERD rügt Versäumnis
Dennoch wurde das Verfahren im Herbst 2009 von der Berliner Staatsanwaltschaft eingestellt. Sarrazins Äußerungen käme einer Aufstachelung zum Rassenhass nicht gleich und konnten den öffentlichen Frieden nicht stören. Außerdem seien sie von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Dieser Auffassung folgte CERD nicht. Der UN-Ausschuss befand, dass Deutschland eine effektive Untersuchung versäumt hat und dies eine Verletzung der Konvention über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung darstellt. Sarrazin verwende Attribute wie Produktivität, Intelligenz und Integration, um die türkische Bevölkerung und andere Zuwanderergruppen zu charakterisieren. „Während er diese Attribute in Bezug auf einige Zuwanderergruppen, z.B. die osteuropäischen Juden, in einer positiven Weise benutzt, verwendet er sie in Bezug auf die türkische Bevölkerung in einem negativen Sinn“, so CERD.

Keine Maßnahmen
Laut Ausschuss stünden CERD-Bestimmungen in Deutschland nur auf dem Papier. Im vorliegenden Fall seien die Straftatbestände der Volksverhetzung und Beleidigung zu eng ausgelegt worden. Die Ausübung der Meinungsfreiheit bringe spezielle Aufgaben und Verantwortlichkeiten mit sich, insbesondere die Verpflichtung, kein rassistisches Gedankengut zu verbreiten. Und Sarrazins Aussagen beruhten auf einem Gefühl rassischer Überlegenheit und enthielten Elemente der Aufstachelung zur Rassendiskriminierung. Der Ausschuss forderte Deutschland auf, die Rüge „breit“ bekannt zugeben, „auch unter Staatsanwälten und Justizorganen“.
Dieser Aufforderung sei man gefolgt, teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort mit. Die deutschen Übersetzungen der Rüge seien auf der Website des Bundesjustizministeriums veröffentlicht. Außerdem sei die Übersetzung an alle Justizverwaltungen der Länder sowie an das Bundesinnenministerium übersandt worden.

Auf die Frage, welche Maßnahmen die Bundesregierung getroffen hat, um eine aktive Auseinandersetzung durch Staatsanwaltschaft und Richterschaft zu gewährleisten und die Justiz für zeitgenössische Formen des Rassismus zu sensibilisieren, verweist die Regierung auf Schulungsprogramme der Deutschen Richterakademie. Diese stünden sämtlichen Richtern und Staatsanwälten in Deutschland offen.

Vorurteile gegen Einwanderer befördert
In ihrer Anfrage hatte Die Linke außerdem kritisiert, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) habe im Juni dieses Jahres in einem Interview Vorurteile gegen Einwanderer befördert. Der CSU-Politiker hatte Bulgaren und Rumänen „Missbrauch des Freizügigkeitsrechts“ vorgeworfen, die die Sozialsysteme „unbeherrschbar“ machen könnten.

Die Regierung erklärt nun, der „überwiegende Teil“ der Zuwanderer aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten erfülle die Bedingungen des EU-Freizügigkeitsrechts. Der Befund, dass ein großer Anteil der aus Bulgarien und Rumänien Zugezogenen in Deutschland einer Erwerbsarbeit nachgehe, widerspreche aber nicht den Äußerungen von Friedrich. (bk) Aktuell Politik

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  1. mickis39 sagt:

    Hallo Die Emotionale,

    „Am Wochenende bin ich extra von Frankfurt/Main nach Würzburg gefahren, um ursprüngliches Weihnachtsfeeling zu erleben. “
    Ich hoffe, Sie hatten eine schöne Zeit in Würzburg und auf dem Weihnachtsmarkt. Über Bayern kann ich nichts sagen – es hat mich schon immer zur See (Kellenhusen und Umgebung, Dänemark) gezogen. Das Meer, Strandspaziergänge, die Sonnenuntergänge, die Weite … ich glaube nicht, dass es sich ändern wird, dass ich ein „Meer Fan“ bin.

    „Alles, was Sie aufgeführt haben, finden Sie dort und noch einiges mehr in einer Kulisse die seinesgleichen sucht und was bei mir jedesmal Sehnsucht – nach was? – aufkeimen lässt. “
    Es gibt Momente, die, wenn es nach meinen Wünschen gehen würde, wesentlich länger andauern könnten, als sie es tun. Aber das würde ich nicht als Sehnsucht bezeichnen, auch sind diese Momente nicht an den Weihnachtsmarkt gebunden, sondern haben wesentlich mehr mit den Menschen zu tun, mit denen ich in solchen Momenten zusammen bin … „als hoffnungslos romantisch“ bezeichnen mich zwei oder drei von ihnen. :)
    Der Vater einer Bekannten hatte häufig „Sehnsucht nach früher“; dieses Gefühl kenne ich nicht.
    Sie schreiben sehr gut, haben Sie schon mal überlegt, Ihre Gefühle bei solchen Sehnsuchts Momenten aufzuschreiben oder evtl. schreiben Sie auch eine Art Tagebuch schon? Wenn Sie das Geschriebene dann mit etwas Abstand, so nach 2 od. 3 Tagen, noch einmal lesen wird Ihnen vielleicht bewusst, wonach Sie Sehnsucht haben. Ohne irgendwelche Vergleiche ziehen zu wollen … mir hat das aufschreiben von Gefühlen (nur für mich), neben sehr guten Freunden, die die Hauptarbeit gemacht haben, vor ein paar Jahren weitergeholfen.

    Das einzige was ich vermisse sind einige Menschen, die meinen Weg gekreuzt und ihre Spuren (im positiven Sinn) hinterlassen haben, dann aber mein Leben wieder verlassen haben. Ich hoffe, dass es allen gut geht, und dass es eine Zeit geben wird, wo wir wieder Kontakt haben werden.
    Weder möchte noch kann ich sagen, dass alle Menschen in Ihrem Alter wie Sie denken und fühlen, noch, dass alle Menschen in meinem Alter wie ich denken und fühlen. Wir alle sind unterschiedlich, so kann ich nicht beurteilen inwieweit oder ob der Altersunterschied eine Rolle spielt.

    Ich hatte noch nie aufgrund von Einwanderern das Gefühl nicht zu Hause zu sein in Deutschland. Wer mir das Gefühl hier nicht zu Hause zu sein vermittelt, sind z.B. die Herren Stürzenberger, Sarrazin und Ulfkotte.

    Nochmal schnell zurück zu Weihnachten — ich habe gelesen, das Tiffany & Co. sehr schöne weihnachtliche Schaufensterdekorationen haben (http://www.desired.de/tiffany-co-traumhafte-weihnachtsschaufenster/id_66777834/index). Unter anderem in Frankfurt, vielleicht haben Sie sie ja schon gesehen. Auf jeden Fall habe ich an Sie gedacht, als ich davon gelesen habe. :)

  2. Die Emotionale sagt:

    Hallo mickis39

    Ich schreibe hier bei Migazin schon sehr lange, mindestens seit 2011, allerdings war ich damals mehr pragmatisch (Pragmatikerin). Mein jetziger Nick drückt mehr meine Gefühle aus, wenn ich Forenteilnehmer bei Migazin lese und dann auch antworte :-)

    Da ich zu dem Thema Dr. Thilo Sarrazin früher schon einige Beiträge geschrieben habe, möchte ich mich nicht wiederholen. Ausserdem haben sich doch einige Dinge geändert, positiv wie negativ, so dass ich oft der Meinung bin, es geht langsam aber stetig in die richtige Richtung.

    Es war nett mit Ihnen einige Gedanken ausgetauscht zu haben. Finden Sie Ihren Weg und machen Sie, was Sie für richtig halten.

    Die Emotionale :-)

    P.S. den Frankfurter wie den Offenbacher Weihnachtsmarkt besuche ich nicht, da bekomme ich keine Sehnsüchte, lol ;-)

  3. victor hugo sagt:

    Ich habe zum Thema des Artikels einen passenden Artikel auf DTN gefunden von Akif Pirincci. Das beschreibt eigentlich relativ gut, wie simplizistisch (um nicht zu sagen „platt“) Deutschland-Kritiker denken. Ich musste teilweise echt lachen beim Lesen, da ich mich ständig an das Migazin erinnert gefühlt habe.

    http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2013/12/495164/akif-pirincci-gegen-sibylle-berg-was-fuer-eine-brut-diese-deutschen/

  4. Han Yen sagt:

    In der Sarrazin-Debatte wurde völlig falsch interveniert. Die Kritik richtete sich auf falsche Anwendung der Statistik und arbeitete mit einem persönlichen Rassismus-Vorwurf.

    Die Tatsache der institutionellen Diskriminierung der migrantischen Bevölkerung durch die förderale Organisation der amtlichen Statistik in der BRD und der EU wurde völlig außer Acht gelassen.

    Das Grundgesetz schreibt das Sozialstaatsgebot vor. Allerdings werden in der amtlichen Statistik absichtlich Erhebungsmethoden verwendet, die zu völlig unzuverlässigen Statistiken bei Armen führen. Deshalb sind die Arutsberichte auch als wissenschaftlich unseriös anzusehen. Daten von Migranten werden kaum erhoben, obwohl sie bereits große Bevölkerungsteile stellen. Der Auftrag des Grundgesetzes an die Exekutive wird überhaupt nicht ernst genommen.

    Dasselbe Phänomen finden wir im EU Maßstab. Die Tatsache der europäischen Binnenmigration wird überhaupt nicht in den EU-weiten Statistiken berücksichtigt. Fatal ist das insbesondere im Bausektor. Der Organisationsgrad der nationalen Gewerkschaften geht dramatisch zurück, weil die Baufirmen mittels Subunternehmer EU-Ausländer anwerben und die Löhne drücken. EU-Ausländer haben zwar die Arbeitserlaubnis, aber nicht die vollen sozialen Rechte. Die EU Staaten geben sich große Mühe den Verstoß gegen die Verteilungsgerechtigkeit zu verbergen in der amtlichen Statistik. Auch die Frage der Steuergerechtigkeit wird unterschlagen – EU Ausländer auf dem Bau sind hochmobil und werden dennoch voll steuerpflichtig in der BRD. Andererseits sind den Bau-Konzernen eine Reihe von Wahlmöglichkeiten bei der Steuerbemessungsgrundlage eingeräumt worden.

    Die richtige Antwort auf Sarrazin wäre gewesen die amtliche Statistik in den EU Staaten nach dem Vorbild der USA zu reorganisieren. Der Neuaufbau der Migrationsstatistik hätte zusammen mit den Weltbank und der UNO geschehen müssen.

    Im Gegensatz zu Sarrazin haben Migranten kein Interesse mit Statistik zu lügen. Gerade die Statistik ist unser Freund. Je genauer die Statistik wird, um so erfolgreicher werden die Makroökonomen sein, Politiker von Migrationsrechten zu überzeugen. Wir brauchen eine Migrationsstatistik, um die Weltökonomie lenken zu können.

    Transnationale Familien bilden den Konjunkturpuffer gegen planetarische Finanzkrisen, Naturkatastrophen, Hungerkrisen und Rezession. Nichts kann es ersetzen. Es gibt nicht viele Migranten gemessen an der Weltbevölkerung – es sind nur etwa 3%. Diese Gruppe hat aber eine enorm positive Wirkung auf die Weltökonomie. Dafür fordern Migranten legitimerweise mehr Rechte auf Mitbestimmung in den Einwanderungsländern, Auswanderungsländern und den supranationalen Organisationen. Insbesondere sollten die intransparenten Verhandlungen in der transgovermentalen Netzwerken wie dem Global Forum On Migration And Development öffentlich gemacht werden. Keine Geheim-Klausel mehr und die EU muss aufhören Drittstaaten mit Entwicklungshilfe und Marktzugang zu bestechen, damit die Auswanderungsstaaten gegen die Interessen ihrer eigenen Auswanderer handeln.

    Die Multikulti-Taktik der Bundesregierung mit den Islamverbänden ist einfach eine Verschleierungstaktik. Islamverbände sollen einfach authentischere und kritischere Stimmen in der akademischen Debatte, den Nichtregierungsorganisationen und den Gewerkschaften zu marginalisieren und die Menschen vom Gebrauch der öffentlichen Vernunft abhalten.