Die Arbeitssklaven der Golfstaaten

Die dunkle Fassade hinter dem Glanz

Wer „Emirate“ hört, denkt an beeindruckende Glaspaläste, aufsehenerregende Wolkenkratzer und luxuriöse Einkaufszentren. An die widrigen Arbeitsbedingungen und das Schicksal der ausländischen Gastarbeiter denkt kaum jemand.

Abu Dhabi, die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, legt mit ihrer Skyline ein eindrucksvolles Zeugnis hin. Wie eine unwirkliche Fata Morgana schimmert die glitzernde Architektur Tag und Nacht im Wüstenlicht. Mittlerweile gehört sie zu den modernsten und reichsten Städten der Welt. Die Metropole Dubai hat sich, durch ihren Bauprojekten, zu einem beliebten Reiseziele am Persischen Golf gemacht.

Mit immer neuen Bauprojekten übertrumpft es sich selbst jedes Mal aufs Neue. Eines der derzeit höchsten Gebäude der Welt, der Burj Khalifa, das größte Einkaufszentrum Dubai Mall, sowie das luxuriöse Strandhotel Atlantis, sind hier zu bestaunen.

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Als außergewöhnlich gelten die künstlichen Inseln vor Dubais Küste. Auch die Wüstenwunderstaaten Bahrain und Katar, quasi das „arabische Monaco“, können sich sehen lassen. In Katar soll 2022 die Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden. Große Bauprojekte, wie die Lusail City, eine komplett neue Stadt, die in der Wüste entstehen soll mit einem Stadion, in dem 90.000 Menschen passen sollen, laufen bereits. Nach außen hin glänzen alle Bauwerke, doch wie viel Glanz steckt hinter der Fassade?

Arbeitssklaven aus Indien, Pakistan & Co.
Auf den größten Baustellen der Welt wirken hinter den glänzenden Kulissen der Golfstaaten Millionen Arbeitssklaven aus Indien, Pakistan, Bangladesch, Afghanistan und Sri Lanka. Über Rekrutierungsagenturen werden die Arbeiter an den Golf gelockt, um die milliardenschweren Investmentprojekte und die Visionen möglich zu machen. Doch die Not der Gastarbeiter wird von den Emeratis, die in der Liga der Weltmetropolen mitspielen wollen, aufs Brutalste ausgenutzt. Dies ist auch das schmutzige Geheimnis hinter dem unaufhaltsamen Fortschritt.

Die profitable Abzocke fängt schon bei der Rekrutierung der Arbeiter in den jeweiligen Herkunftsländern an. Mit falschen Lohnversprechungen werden sie angelockt und systematisch betrogen. Für ihre Vermittlungsdienste verlangen die Firmen bis zu 3.000 US Dollar. Das benötigte Geld leihen sich die verzweifelten Arbeiter aus und nehmen so eine Verschuldung in Kauf. Vom Hunger getrieben, trennen sie sich von ihrer Familie und ihrer Heimat. Den geringen Verdienst wollen sie dann nach Hause schicken, um ihren Angehörigen ein erträglicheres Leben zu ermöglichen. In ihren Ländern bestimmen Armut, Korruption und Arbeitslosigkeit den Alltag.

Doch das Einzige auf das sie in den „Märchenländern“ treffen, ist nackte Ausbeute. Direkt nach der Einreise werden den Arbeitern die Reisepässe abgenommen. Damit erhalten die Arbeitgeber die absolute Kontrolle. Verträge, die vor der Einreise abgeschlossen wurden, werden nach der Ankunft oft für ungültig erklärt. Neue Verträge müssen unterzeichnen werden, deren Bedingungen wesentlich schlechter sind.

In „Labor Camps“, die von den Baufirmen eingerichtet wurden, werden mehrere Arbeiter in einem Zimmer untergebracht. Morgens werden sie dann mit Firmenbussen zu den Baustellen gefahren und abends wieder zurück. Auf der Rückfahrt schlafen die meisten Arbeiter, müde von der harten Arbeit und den 10 bis 14 Stundenschichten.

Menschenrechtsorganisationen bezeugen hohe Arbeitszeiten und Löhne, die bei 150 bis 250 US Dollar liegen. Eine verspätete Entlohnung oder sogar die Einbehaltung der Löhne kommt nicht selten vor. Die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu wechseln, bleibt den Meisten verwehrt, da die Arbeitserlaubnisse von den Agenturen nur für einen bestimmten Arbeitgeber erteilt werden.

Obwohl die schnelle wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre und der heutige Reichtum der Golfstaaten auf die Gastarbeiter zurückgeht, ist keine Besserung der Arbeitsbedingungen in Sicht.

Dem Arbeitsministerium der beteiligten Länder ist das Wohl der Baufirmen wichtiger und so wird der Arbeitsschutz nahezu ausgeblendet. Offensichtliche, miserable Arbeitsbedingungen werden ignoriert. Auf wackligen Baugerüsten schuften die Arbeiter sechs Tage die Woche, bei hohen Temperaturen und ohne kostenloses Wasser. Schwere Verletzungen und Todesfälle kommen beängstigend häufig vor.

Nur die Fußballmillionäre sind wichtig
Obwohl dieses Problem schon seit Jahren bekannt ist und die Golfstaaten wegen zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehen, hat die FIFA die Entscheidung getroffen, die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar auszutragen. Ordnungsgemäße Vorbereitungen und oder den Mindestanforderungen entsprechende Arbeitsbedingungen wurden nicht sichergestellt. Allein in den letzten Monaten sind zahlreiche Gastarbeiter auf den WM Baustellen ums Leben gekommen. Verantwortung will Katar nicht übernehmen, die Bauunternehmen seien schuld.

Sollte sich an der Situation nichts ändern, wird die Anzahl der Opfer bis zum WM Beginn 4.000 überschreiten – so jedenfalls die Schätzungen. Dennoch sieht die FIFA nach wie vor keinen Anlass, einen offenen Diskurs über die Reise-, Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter zu führen. Viel zu wichtig scheinen die Millionenbeträge zu sein, die so eine WM kostet und einbringt. Und so bleibt den Arbeitern nichts anderes übrig, als unter zwangsähnlichen und menschenwidrigen Bedingungen weiterzuarbeiten.

Die einzige breite und öffentliche Diskussion, die – auch von der FIFA – über die WM in Katar geführt wurde, betraf die Frage, zu welcher Jahreszeit die WM stattfinden soll, zum Wohl der Millionäre auf dem grünen Rasen.