Österreichische Befindlichkeiten

Ägypten: Das Schweigen in der EU deckt die Diktatur des Militärs

So sehr sich kritische Medien wie auch das Migazin darum bemühen, gegen den Mainstream anzuschreiben; - das althergebrachte Bild über „den Islam“ als Negativ scheint in Stein gemeißelt. Vor dem jeweiligen außenpolitischen Gebot der Stunde ersteht es plötzlich wie von selbst wieder auf. Doch gerade Wahlkampfzeiten beweisen: seine Stunden sind gezählt.

Von Helga Suleiman Dienstag, 03.09.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 05.09.2013, 23:47 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Die ganze Palette der im westeuropäischen Bewusstsein verankerten Vorurteile wurde an Hand der Berichterstattung über die Umbruchsituation in Ägypten deutlich. Die demokratisch gewählte Regierung unter Präsident Mursi musste wohl oder übel anerkannt werden. Vorerst. Kaum brachen die Proteste gegen sie an, wurde die regierende Partei der Muslimbrüderschaft für die gesamte Schieflage der Situation verantwortlich gemacht. Hintergrundberichte über das Zustandekommen der schlimmen wirtschaftlichen Lage konnte man mit der Lupe suchen: zum Beispiel die Verweigerung eines Milliarden-Kredits des IWF, zum Beispiel die jahrzehntelang gewachsene Strukturen der Einflussnahme der USA auf das ägyptische Militär.

Die Zerstörungen koptischer Kirchen wurden pauschal den Muslimbrüdern angerechnet, obwohl es in arabischen Medien genug Stimmen gab, die von gezielten Provokationen sprachen, durch mehr als zweifelhafte Kräfte, die beabsichtigten das Land in Richtung Chaos und noch schlimmer Bürgerkrieg zu treiben. Solche Aktivitäten lieferten eine Rechtfertigung für den Militärputsch auf die Hand; sie wurden von den dominierenden Medien in der EU gerne und unhinterfragt aufgegriffen und weitertransportiert.

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Der Militärputsch findet – wenn überhaupt – nur schwache Verurteilung durch politische VertreterInnen der Europäischen Union. Die Massenproteste auf ägyptischen Straßen und Moscheen wurden in ihrem Ausmaß klein geredet oder ganz ignoriert. Während das ägyptische Militär wahre Massaker an den Protestierenden beging, hielten sich die Medien damit auf weiter nach Verfehlungen des Präsidenten Mursi zu suchen und sie zum x-ten Mal anzuprangern. Dass ein mehrheitlich gewählter Präsident ins Gefängnis gesteckt wird, noch dazu unbekannten Ortes, die Rede davon ist, dessen Partei überhaupt zu verbieten und AnhängerInnen pauschal als TerroristInnen etikettiert werden; – kein Aufschrei, kein Entsetzen, weder in Medien, Politik noch Öffentlichkeit.

Allein der religiöse Hintergrund des Präsidenten Mursi und seiner Partei kann nicht der Grund für dieses Schweigen sein. Mit anderen Regimes, die sich die Religion auf ihre Banner schreiben, sind westliche Staaten dick befreundet. Saudi-Arabien und Golfstaaten sind bereit, die ökonomische Krisensituation ihrer Partnerländer durch massenweise Waffenkäufe und andere Geschäfte abzufedern. Dass dort Minderheitenrechte, Menschenrechte und respektvoller Umgang mit Andersgläubigen missachtet werden, ist bei Besuchen von Staatsoberhäuptern maximal in Fußnoten Thema, und auch dann nur, um sich selbst in einem besseren Licht erscheinen zu lassen; denn dass westliche Demokratien permanent ihre Überlegenheit demonstrieren müssen, ist und bleibt das Gebot dieses Jahrhunderts.

Dabei müsste es eigentlich darum gehen, sich an den eigenen Maßstäben zu messen und nicht darum, sich woanders abzuputzen.

Hinter all den kriegerischen Invasionen gegen „bad guys“ und „Achsen des Bösen“, die dann konstruiert, wenn sie gebraucht werden, standen und stehen wirtschaftliche Interessen: Öl, Bodenschätze, strategisch-militärisches Kalkül, Gier nach Absatzmärkten, vor allem für die Waffenindustrie, die am meisten Geld in diverse Kassen spült. Irgendwann nach den Zerstörungen und Morden sind es die billigen Arbeitskräfte, die dem eigenen Land nichts, dafür den internationalen Konzernen Maximalprofite bescheren.

Auch für Ägypten haben sich Präsident Mursi und seine Partei als zuwenig gehorsam gegenüber den ehernen Wegweisern der Großmächte gezeigt. In erster Linie war die Politik der Solidarität mit den PalästinenserInnen den Verbündeten Israels ein Dorn im Auge. Mursi war nicht bereit, die Mubarak-Rolle des hinterhältigen Kampfhundes an der US-Leine zu spielen. Die Befürchtung, dass Israel nun durch eine starke arabische Stimme dazu gebracht werden würde, seinen permanenten Bruch internationaler Gesetze aufzugeben und in Friedensverhandlungen auf Augenhöhe einzusteigen, passte den Kolonisatoren absolut nicht ins Konzept der fortwährenden Hegemonie.

Am Beispiel Ägyptens zeigt sich, dass kein Land, das potenziell über Macht und Einfluss im arabischen Raum verfügen könnte, eine wirkliche Demokratie mit eigenständiger Außen- und Innenpolitik auch nur in Ansätzen entwickeln darf.

Über die bewährte Teile und Herrsche- Strategie wird alles daran gesetzt, die durch jahrzehntelange Geheimdienstarbeit ausgemachten potenziellen Bruchlinien in den arabischen Gesellschaften aufzusprengen. Die in Ägypten aktuell propagierte Spaltungskonstruktion verläuft zwischen „den Säkularen“ und „den Islamisten“. Hingegen: Es gibt vielfache Überschneidungen zwischen Parteien, Gruppen und AktivistInnen. Wer diesen Gegensatz konstruiert, missachtet die historischen Verbundenheiten der ägyptischen Gesellschaft mit den Religionen im Land.

An der Vermittlung kritischer Hintergrundanalysen hat die Europäische Politik kaum Interesse. Lieber bedient man in modriger Stumpfsinnigkeit weiter Stereotype über „den Islam“. Medienkonzerne käuen brav die Vorgaben der Politik wieder, anstatt sich ein differenziertes Bild zu machen, indem sie aus arabischen Medien zitieren. Es würde schon die Berücksichtigung der einfachen Regel des Bestrebens zu objektiver Berichterstattung genügen: die andere Seite zu Wort kommen zu lassen.

Zudem herrscht das Bestreben vor, die Innenpolitik medial von der Außenpolitik abzukoppeln. So ist es möglich, der Bevölkerung zu suggerieren, das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun. Dabei sind es die kriegerischen Interventionen und Einmischungen, die ungerechten und ungleichen Handelsbedingungen, der Export und die Förderung von korrupten Strukturen, die gezielt geschaffenen Abhängigkeiten von Krediten der Weltbank und IWF, die Flucht und Auswanderungsbewegungen hauptsächlich verursachen.

Da die meisten aktuellen Kriegsgebiete und Unruhesituationen Regionen mit hohem muslimischem Bevölkerungsanteil sind, kommen auch immer mehr Menschen dieses Glaubens in die EU. Außerdem gibt es bereits eine dritte Generation von ehemaligen GastarbeiterInnen, die ihre Religion pflegen. Solange MuslimInnen eine kleine Minderheit waren, die ihr Recht auf Mitbestimmung nicht aktiv wahrnahmen, konnten Wahlkämpfe immer wieder auf ihrem Rücken ausgetragen werden.

Zunehmend gilt es für alle Parteien einen Spagat zu bewältigen: Als WählerInnen werden MuslimInnen wichtiger. Sie dienen nicht mehr ohne weiteres als Blitzableiter für sozioökonomische Schieflagen im Wohlfahrtsstaat. Sehr schwerfällig noch kommen PolitikerInnen Bekenntnisse für Diversität oder klar formulierte Standpunkte gegen Islamfeindlichkeit über die Lippen.

Die Politik wird begreifen müssen: Mit der Differenzierung der Gesellschaft und der globalen Vernetzung wird es immer schwieriger, einer kritischen antirassistischen Zivilgesellschaft Zusammenhänge von Wirtschaft und Politik, Arm und Reich, Nord und Süd, Krieg und Frieden zu verschweigen.

Da sich MuslimInnen als Teil einer Ummah verstehen und ihnen als ZuwanderInnen die Situation in ihren Herkunftsländern am Herzen liegt, werden auch sie ihre Standpunkte immer nachhaltiger vertreten. Der Fluchtweg für WahlkämpferInnen aus der Globalisierung in die „Heimat“ ist eine Sackgasse. Auch das Schweigen zum Militärputsch in Ägypten wird WählerInnenstimmen kosten. Aktuell Meinung

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  1. openyourmind sagt:

    „Und wenn die Mehrheit keine „weltoffenen“ Moslems sind nach ihrem persönlichen Geschmack sind, dann schaffen wir sie einfach ab, die Demokratie. Aha!“

    Mit ähnlichen Vorwürfen war der österreichische Bundespräsident im Jahr 2000 konfrontiert, als er sich bei der Regierungsbildung zwischen der konservativen ÖVP und der weit rechts stehenden FPÖ dem „Volkswillen“ nicht gebeugt hat. Beharrlich hat er mehrere Ministerkandidaten nicht akzeptiert, welche ihm im Wahlkampf durch besonderen Populismus und Ausländerfeindlichkeit aufgefallen sind. Ich bin ihm posthum noch immer sehr dankbar dafür!

    Demokratie bedeutet natürlich auch eine persönlich missliebige Mehrheitsmeinung zu akzeptieren, allerdings im Rahmen von einzuhaltenden Spielregeln. Diese haben die Muslimbrüder meiner Überzeugung nach schon allein dadurch verletzt, indem sie ihre religiösen Glaubensätze zu allgemeinverbindlichen staatlichen Verfassungsgrundsätzen erheben wollten. Die Vorläuferbewegungen der seit 2002 regierenden AKP in der Türkei wurden auch mehrfach aus gutem Grund verboten und der derzeit amtierende Ministerpräsident saß meines Erachtens verdientermaßen im Gefängnis (Originalton Erdogan in den 1990ern: „Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette sind unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme, die Gläubigen unsere Soldaten“). Profitiert davon haben die türkische Demokratie und das Ansehen des Islam, welches Frau Suleiman zu Recht ein Anliegen ist.

    Die ägyptische Demokratie ist nicht tot, Neuwahlen sind nur eine Frage der Zeit. Gut Ding braucht Weile, nicht alles gelingt beim ersten Anlauf.

  2. Marie sagt:

    Die Muslimbrüder haben die demokratischen Speilregeln NICHT verletzt, denn die Verfassung wurde in einem Referendum zur Abstimmung gestellt und vom Volk ANGENOMMEN. Von so viel Demokratie können wir hierzulande nur träumen, nicht wahr. Die ägyptische Demokratie ist MAUSETOT, auch wenn Sie sich noch so sehr bemühen, einen Militärputsch, der den alten Machthabern der ägyptischen Mubarak-Diktatur wieder zur Macht verhalf, der zur Abschaffung der Pressefreiheit und zu Massakern und bürgerkriegsähnlichen Zuständen und zu Verhaftungswellen gegen Andersdenkende führte und weiter führt, schön zu reden. Wenn es in Ägypten zu Neuwahlen kommen sollte, dann lassen wir einfach so lange wählen, bis dem Westen das Ergebnis gefällt, nicht wahr? Ihren Ausflug zur AKP kommentiere ich nicht, weil er mit dem Thema rein gar nichts zu tun hat.

  3. aloo masala sagt:

    @Marie

    Die Kriege werden i.d.R. der Bevölkerung als Kampf gegen den islamistischen Terrorismus verkauft und nicht als Kampf gegen den Islam. Die kriegsführenden westlichen Nationen betonen bei ihren Interventionen regelmäßig, dass der Krieg nicht gegen die Muslime oder die Zivilbevölkerung geführt wird.

    Das Problem von Morsi ist weniger, dass er Muslim ist und Unterstützung der Muslimbrüder hat, sondern dass er nicht so funktioniert wie der Westen es gerne hätte. Ansonsten hat die westliche Außenpolitik keine Probleme mit Staaten wie Saudi-Arabien, den größten Fundamentalisten seit dem Fall der Taliban. Gegen Syrien bahnt sich ein Krieg gegen eine säkularen Diktator an, was vor allem islamistischen Extremisten hilft, die von Partnern der USA unterstützt werden.

    Hier werden einfach Dinge behauptet, die nicht stimmen und islamistischer Terror mit Islam gleichgesetzt. Frau Suleiman sollte nicht außenpolitische und innenpolitische Probleme in einem Topf werfen.

  4. openyourmind sagt:

    Die „Verfassung“ der Muslimbrüder war ja vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die Scharia in einem noch größeren Umfang direkte Erkenntnisquelle des Rechts werden sollte. Deren genaue Auslegung sollte dann Sache sunnitischer Religionsgelehrter sein. Mich würde wirklich interessieren, ob Frau Suleiman es legitim finden würde, wenn eine mögliche konservativ -katholische Bevölkerungsmehrheit die Bibel zur wichtigen Erkenntnisquelle des österreichischen Rechts erklären lässt und deren Auslegung katholischen Geistlichen überträgt.

    Das von Frau Suleiman beklagte Schweigen der EU halte ich daher für das weit angebrachtere Verhalten als die von der Autorin offenbar gewünschten Solidaritäts- und Sympathiebekundungen europäischer Politiker für Mursi.

    Allerdings gibt es auch noch andere islamische Sichtweisen in Österreich. Anbei eine Analyse von Ednan Aslan, Universitätsprofessor für islamische Religionspädagogik an der Universität Wien:

    http://derstandard.at/1378248357578/Die-Loesung-liegt-bei-den-Muslimen-selbst

  5. Marie sagt:

    Wenn eine „mögliche konservativ -katholische Bevölkerungsmehrheit die Bibel zur wichtigen Erkenntnisquelle des österreichischen Rechts erklären liesse und deren Auslegung katholischen Geistlichen übertragen würde“, wären selbstverständlich auch diesbezüglich die demokratischen Prinzipien zu beachten. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir, wenn die Mehrheit eine unseres Erachtens falsche Entscheidung trifft, Panzer rollen liessen, die gewählte Regierung mit militärischer Gewalt aus dem Amt entfernen ließen, die fiktiven katholischen Geistlichen ins Gefängnis werfen liessen und Massaker unter den demonstrierenden katholischen Geistlichen und ihren Anhängern anrichten würden?

    Und selbstverständlich wird bei Mursi seine Eigenschaft als Muslimbruder und die angeblich aus religiösen Gründen „bedrohte“ Freiheit herangezogen, um den Militärputsch zu rechtfertigen. Dass er nicht so funktionierte, wie der Westen das wollte, ist der wahre Hintergrund, die Religion einschließlich der darauf basierenden vom Volk legitimierten Verfassung war der Vorwand, unter dem der Staatsstreich legitimiert wurde. In Saudi-Arabien, das dem Westen genehm ist, spielen die religiösen Menschenrechtsverletzungen keine Rolle, in Afghanistan wurden Sie vorgeschoben, um einen Krieg zu legitimieren. Die Religion wird immer vorgeschoben, wenn es um wirtschaftliche und geostrategische Interessen geht, denn anders lässt sich der Krieg gegenüber dem eigenen Volk nicht legitimieren. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Berichterstattung über den „religiösen Terror“ der Taliban, deren Religion völlig in Ordnung gewesen war, solange sie das machten, was dem Westen im Kalten Krieg zupass kam. Hier wurden keineswegs Dinge behauptet, die nicht stimmen und im Falle Mursis ging es nun ganz gewiss nicht um „islamistischen“ Terror. „Betonen“ kann man viel – die Ergebnisse strafen die Betonungen Lüge und selbstverständlich wird jeder Krieg auch gegen das Volk geführt.

  6. Openyourmind sagt:

    @Marie:
    Weder katholische Geistliche noch sunnitische Religionsgelehrte besitzen eine demokratische Legitimation. Wer Kompetenzen zur Schaffung von staatlichem Recht an Angehörige seiner eigenen Religionsgemeinschaft überträgt, die bei den Wahlen gar nicht kandidiert haben, verstößt gegen die demokratischen Spielregeln in einer pluralistischen Gesellschaft und verlässt den Grundkonsens, der für das Zusammenleben verschiedener religiöser und weltanschaulicher Richtigungen unumgängich ist.

  7. Marie sagt:

    Wenn die Bevölkerung „die Auslegung katholischen Geistlichen überträgt“, hätten die katholischen Geistlichen selbstverständlich eine demokratische Legitimation. Übrigens haben erzkonservative Christliche hierzulande einen erheblichen Einfluss auf die Politik, der Saat bezahlt ihre Würdenträger, treibt ihre Steuern ein und auch jeder Nichtchristliche legt noch mal den doppelten Steuerbetrag obendrauf. Es gibt ein Sonderarbeitsrecht, das die staatlichen Arbeitnehmerrechten unterläuft und die Billigung der Gerichte findet, bis heute kassiert die Kirche “ hohe Entschädigungszahlungen, die auf der Säkularisation aus 1803! beruhen, sie hat erheblichen Einfluss auf die staatliche Gesetzgebung und Menschen, die keine heterosexuelle „heilige“ Ehe führen, werden bis heute massiv diskriminiert, Kreuze hängen im Einflussbereich der erzkonservativen C-Parteien in staatlichen Schulen u.v.a.m.

    Das gefällt mir überhaupt nicht – allerdings bin ich der Meinung, dass diese christlichen Auswüchse mit demokratischen Mitteln zu bekämpfen sind und nicht mit Militärputsch, Massakern oder Verhaftungen.

  8. mo sagt:

    „Die Muslimbrüder haben die demokratischen Speilregeln NICHT verletzt, denn die Verfassung wurde in einem Referendum zur Abstimmung gestellt und vom Volk ANGENOMMEN.“

    Die „Zeit“ schrieb dazu im Juni: „Die in Ägypten regierenden Islamisten haben vor dem obersten Verfassungsgericht eine schwere Niederlage erlitten. Die Richter sprachen dem von Muslimbrüdern und Salafisten dominierten Oberhaus des Parlaments die Legitimität ab. Das Wahlrecht, auf dessen Grundlage der Schura-Rat gewählt wurde, sei nicht verfassungsgemäß, begründeten die Richter ihre Entscheidung. (…) Das Verfassungsgericht erklärte zudem die Verfassungsgebende Versammlung für ungültig, die im Winter eine neue Verfassung erarbeitet hatte. Sie sei nicht unter gesetzeskonformen Umständen zustande gekommen, hieß es in dem Urteil. Damit wären die wichtigsten Neuerungen der islamistischen Führung zurückgenommen.“

    Natürlich, wenn man Verfassungsgerichte, die höchste juristische Instanz jeder Demokratie, einfach ignoriert, dann, ja dann war alles demokratisch.

  9. Marie sagt:

    Ach, wissen Sie, Herr Mo – die Zeit – und das ägyptische „Verfassungs“gericht, sehr überzeugend.

    Das hat ja am gewalttätigen rechtswidrigen Militärputsch zwecks Wiedereinsetzung der vom Westen gehätschelten alten Mubarak-Militärdiktaturgarden kräftig mitgemischt,das „Verfassungs“gericht. In welchem noch die alten Mubarak-Garden von Mubaraks Gnaden sitzen und der ehrenwerte Herr Präsident desselben, bis Juli Vizepräsident von Militär-Mubaraks Gnaden und jetzt Doppelpräsident von des Militärs-Gnaden, ist nunmehr gleichzeitig der Präsident Ägyptens- nicht überall wo Verfassungsgericht oder Recht draufsteht, ist Verfassungsgericht oder Recht drin.

    Aber ein „Präsident“ von des Militärs (und des Westens) Gnaden, ist natürlich „verfassungsgemäß“ und da passt auch zu, dass der Herr Militärdiktator und vom Westen gehätschelte Mörder Mubarak ruckizuck idank der ägyptischen „Justiz“ aus der Haft entlassen wurde.

  10. mo sagt:

    @Marie
    Achso, demokratische Spielregeln gelten also in bestimmten Fällen, in anderen nicht? Wenn ein Verfassungsgericht mit den Ihrer Meinung nach falschen Leuten besetzt ist, dann kann man sich einfach darüber hinwegsetzen (was keine Regierung 2 Sekunden überleben würde). Es war ja wohl – trotz allem – ein legitimes Verfassungsgericht. Sich darüber hinwegzusetzen bedeutet, die Demokratie außer Kraft zu setzen, denn Demokratie besteht zwingend aus Gewaltenteilung und wer diese abschafft, wie Mursi, verliert die Legitimation. Was in Deutschland in einem ähnlich gelagerten Fall passieren würde, brauch ich wohl nicht auszuführen. Der entsprechende Verfassungsartikel dürfte bekannt sein.

    Das Verfassungsreferendum halten Sie hingegen für demokratisch legitimiert, obwohl es offensichtlich nicht legitim zustande gekommen ist. Zitiert aus Wikipedia:

    „Menschenrechtsgruppen und Oppositionelle warfen den Muslimbrüdern vor die Wahlen zum Verfassungsreferendum manipuliert zu haben.
    So sollen sich zahlreiche Muslimbrüder in den Wahllokalen selber als den Wahlprozess überwachende Juristen ausgegeben haben, die dann jedoch Nein-Stimmen vielerorts nur vernichtet haben. Bürger sollen hierzu mehr als 4000 Verstöße gemeldet haben, die von Wahlbeobachtern jedoch ignoriert wurden. Auch sollen in manchen Gegenden Liberale, Christen und Linke an der Stimmabgabe gehindert worden sein.
    Die Nationale Heilsfront, in der die wichtigsten liberalen und säkularen Oppositionsparteien zusammengeschlossen sind, erklärte „Das Ausmaß der Manipulationen zeigt den klaren Willen der Muslimbrüder, den Willen der Wähler zu verfälschen, um die Verfassung der Bruderschaft durchzubringen“.“

    Aber seien Sie beruhigt, die Demokratie in Ägypten wird noch kommen. Dafür wird das äpytische Volk sorgen, und zwar eine vom Westen unabhängige – wenn man so will muslimische – Demokratie, die sich allerdings von Fundamentalismen absetzen wird.