Österreichische Befindlichkeiten

Ägypten: Das Schweigen in der EU deckt die Diktatur des Militärs

So sehr sich kritische Medien wie auch das Migazin darum bemühen, gegen den Mainstream anzuschreiben; - das althergebrachte Bild über „den Islam“ als Negativ scheint in Stein gemeißelt. Vor dem jeweiligen außenpolitischen Gebot der Stunde ersteht es plötzlich wie von selbst wieder auf. Doch gerade Wahlkampfzeiten beweisen: seine Stunden sind gezählt.

Von Helga Suleiman Dienstag, 03.09.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 05.09.2013, 23:47 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Die ganze Palette der im westeuropäischen Bewusstsein verankerten Vorurteile wurde an Hand der Berichterstattung über die Umbruchsituation in Ägypten deutlich. Die demokratisch gewählte Regierung unter Präsident Mursi musste wohl oder übel anerkannt werden. Vorerst. Kaum brachen die Proteste gegen sie an, wurde die regierende Partei der Muslimbrüderschaft für die gesamte Schieflage der Situation verantwortlich gemacht. Hintergrundberichte über das Zustandekommen der schlimmen wirtschaftlichen Lage konnte man mit der Lupe suchen: zum Beispiel die Verweigerung eines Milliarden-Kredits des IWF, zum Beispiel die jahrzehntelang gewachsene Strukturen der Einflussnahme der USA auf das ägyptische Militär.

Die Zerstörungen koptischer Kirchen wurden pauschal den Muslimbrüdern angerechnet, obwohl es in arabischen Medien genug Stimmen gab, die von gezielten Provokationen sprachen, durch mehr als zweifelhafte Kräfte, die beabsichtigten das Land in Richtung Chaos und noch schlimmer Bürgerkrieg zu treiben. Solche Aktivitäten lieferten eine Rechtfertigung für den Militärputsch auf die Hand; sie wurden von den dominierenden Medien in der EU gerne und unhinterfragt aufgegriffen und weitertransportiert.

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Der Militärputsch findet – wenn überhaupt – nur schwache Verurteilung durch politische VertreterInnen der Europäischen Union. Die Massenproteste auf ägyptischen Straßen und Moscheen wurden in ihrem Ausmaß klein geredet oder ganz ignoriert. Während das ägyptische Militär wahre Massaker an den Protestierenden beging, hielten sich die Medien damit auf weiter nach Verfehlungen des Präsidenten Mursi zu suchen und sie zum x-ten Mal anzuprangern. Dass ein mehrheitlich gewählter Präsident ins Gefängnis gesteckt wird, noch dazu unbekannten Ortes, die Rede davon ist, dessen Partei überhaupt zu verbieten und AnhängerInnen pauschal als TerroristInnen etikettiert werden; – kein Aufschrei, kein Entsetzen, weder in Medien, Politik noch Öffentlichkeit.

Allein der religiöse Hintergrund des Präsidenten Mursi und seiner Partei kann nicht der Grund für dieses Schweigen sein. Mit anderen Regimes, die sich die Religion auf ihre Banner schreiben, sind westliche Staaten dick befreundet. Saudi-Arabien und Golfstaaten sind bereit, die ökonomische Krisensituation ihrer Partnerländer durch massenweise Waffenkäufe und andere Geschäfte abzufedern. Dass dort Minderheitenrechte, Menschenrechte und respektvoller Umgang mit Andersgläubigen missachtet werden, ist bei Besuchen von Staatsoberhäuptern maximal in Fußnoten Thema, und auch dann nur, um sich selbst in einem besseren Licht erscheinen zu lassen; denn dass westliche Demokratien permanent ihre Überlegenheit demonstrieren müssen, ist und bleibt das Gebot dieses Jahrhunderts.

Dabei müsste es eigentlich darum gehen, sich an den eigenen Maßstäben zu messen und nicht darum, sich woanders abzuputzen.

Hinter all den kriegerischen Invasionen gegen „bad guys“ und „Achsen des Bösen“, die dann konstruiert, wenn sie gebraucht werden, standen und stehen wirtschaftliche Interessen: Öl, Bodenschätze, strategisch-militärisches Kalkül, Gier nach Absatzmärkten, vor allem für die Waffenindustrie, die am meisten Geld in diverse Kassen spült. Irgendwann nach den Zerstörungen und Morden sind es die billigen Arbeitskräfte, die dem eigenen Land nichts, dafür den internationalen Konzernen Maximalprofite bescheren.

Auch für Ägypten haben sich Präsident Mursi und seine Partei als zuwenig gehorsam gegenüber den ehernen Wegweisern der Großmächte gezeigt. In erster Linie war die Politik der Solidarität mit den PalästinenserInnen den Verbündeten Israels ein Dorn im Auge. Mursi war nicht bereit, die Mubarak-Rolle des hinterhältigen Kampfhundes an der US-Leine zu spielen. Die Befürchtung, dass Israel nun durch eine starke arabische Stimme dazu gebracht werden würde, seinen permanenten Bruch internationaler Gesetze aufzugeben und in Friedensverhandlungen auf Augenhöhe einzusteigen, passte den Kolonisatoren absolut nicht ins Konzept der fortwährenden Hegemonie.

Am Beispiel Ägyptens zeigt sich, dass kein Land, das potenziell über Macht und Einfluss im arabischen Raum verfügen könnte, eine wirkliche Demokratie mit eigenständiger Außen- und Innenpolitik auch nur in Ansätzen entwickeln darf.

Über die bewährte Teile und Herrsche- Strategie wird alles daran gesetzt, die durch jahrzehntelange Geheimdienstarbeit ausgemachten potenziellen Bruchlinien in den arabischen Gesellschaften aufzusprengen. Die in Ägypten aktuell propagierte Spaltungskonstruktion verläuft zwischen „den Säkularen“ und „den Islamisten“. Hingegen: Es gibt vielfache Überschneidungen zwischen Parteien, Gruppen und AktivistInnen. Wer diesen Gegensatz konstruiert, missachtet die historischen Verbundenheiten der ägyptischen Gesellschaft mit den Religionen im Land.

An der Vermittlung kritischer Hintergrundanalysen hat die Europäische Politik kaum Interesse. Lieber bedient man in modriger Stumpfsinnigkeit weiter Stereotype über „den Islam“. Medienkonzerne käuen brav die Vorgaben der Politik wieder, anstatt sich ein differenziertes Bild zu machen, indem sie aus arabischen Medien zitieren. Es würde schon die Berücksichtigung der einfachen Regel des Bestrebens zu objektiver Berichterstattung genügen: die andere Seite zu Wort kommen zu lassen.

Zudem herrscht das Bestreben vor, die Innenpolitik medial von der Außenpolitik abzukoppeln. So ist es möglich, der Bevölkerung zu suggerieren, das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun. Dabei sind es die kriegerischen Interventionen und Einmischungen, die ungerechten und ungleichen Handelsbedingungen, der Export und die Förderung von korrupten Strukturen, die gezielt geschaffenen Abhängigkeiten von Krediten der Weltbank und IWF, die Flucht und Auswanderungsbewegungen hauptsächlich verursachen.

Da die meisten aktuellen Kriegsgebiete und Unruhesituationen Regionen mit hohem muslimischem Bevölkerungsanteil sind, kommen auch immer mehr Menschen dieses Glaubens in die EU. Außerdem gibt es bereits eine dritte Generation von ehemaligen GastarbeiterInnen, die ihre Religion pflegen. Solange MuslimInnen eine kleine Minderheit waren, die ihr Recht auf Mitbestimmung nicht aktiv wahrnahmen, konnten Wahlkämpfe immer wieder auf ihrem Rücken ausgetragen werden.

Zunehmend gilt es für alle Parteien einen Spagat zu bewältigen: Als WählerInnen werden MuslimInnen wichtiger. Sie dienen nicht mehr ohne weiteres als Blitzableiter für sozioökonomische Schieflagen im Wohlfahrtsstaat. Sehr schwerfällig noch kommen PolitikerInnen Bekenntnisse für Diversität oder klar formulierte Standpunkte gegen Islamfeindlichkeit über die Lippen.

Die Politik wird begreifen müssen: Mit der Differenzierung der Gesellschaft und der globalen Vernetzung wird es immer schwieriger, einer kritischen antirassistischen Zivilgesellschaft Zusammenhänge von Wirtschaft und Politik, Arm und Reich, Nord und Süd, Krieg und Frieden zu verschweigen.

Da sich MuslimInnen als Teil einer Ummah verstehen und ihnen als ZuwanderInnen die Situation in ihren Herkunftsländern am Herzen liegt, werden auch sie ihre Standpunkte immer nachhaltiger vertreten. Der Fluchtweg für WahlkämpferInnen aus der Globalisierung in die „Heimat“ ist eine Sackgasse. Auch das Schweigen zum Militärputsch in Ägypten wird WählerInnenstimmen kosten. Aktuell Meinung

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  1. openyourmind sagt:

    „Auch das Schweigen zum Militärputsch wird WählerInnenstimmen kosten“

    Frau Suleiman beklagt sich – zu Recht – über modrige Stereotype über „den Islam“. Gleichzeitig versucht sie jedoch selbst pauschal „die Muslime“ im deutschsprachigen Raum für eine kritikwürdige politische Bewegung und einen fragwürdigen Politiker in Ägypten zu vereinnahmen und bedient dadurch diese falschen Klischees geradezu. Außerdem beleidigt sie damit die vielen aufgeklärten Moslems, die sowohl gegen Mubarak als auch gegen Mursi rebelliert haben. Erstaunlich ist auch, dass Frau Suleiman die Massenproteste der Bevölkerung, die zur Absetzung von Herrn Mursi geführt haben, in ihrem Artikel überhaupt nicht thematisiert. Der Militärputsch wird als ein allein vom Westen gesteuerter Blitz aus heiterem Himmel dargestellt, was natürlich gut in ihr Gut-Böse-Schema passt. Tatsächlich war er eine – sicher sehr bedauerliche – Notbremse, um dem zarten Pflänzchen Demokratie nochmals eine Chance für einen Neustart zu geben.

  2. Marie sagt:

    @Marie


    „FRAU Suleiman zieht m.E. genau die richtigen Schlüsse und den richtigen Schlüssen widersprechen auch nicht die Ausführungen Masalas. Offensichtlich hat Masala die Aussage Frau Suleimans nicht richtig verstanden.

    Das ist eine Aussage ohne Argument und Begründung. Wenn alles so offensichtlich ist, wird Ihnen sicher nicht schwerfallen, im Handumdrehen einige Argumente nachzureichen, die Ihrer Aussage etwas Substanz verleihen würde.“

    Ach wissen Sie, Herr Masala – ich finde Ihre Aussage: Frau Suleiman zieht die falschen Schlüsse“ durch nichts begründet. Ich bleibe bei meiner Aussage. Masala hat Frau Suleiman nicht verstanden. Die Ausführungen Masalas, nach denen Frau Suleiman angeblich „die falsche Schlüsse zieht“, sind nicht schlüssig, sie widerlegen Frau Suleimans schlüssige Ausführungen in keiner Weise. Ich schließe mich vollumfänglich den Ausführungen Frau Suleimans an, die alle notwendigen Begründungen in bestechend klarer und logisch nachvollziehbarer Weise bereits geliefert hat. Und ich habe dem gar nichts hinzuzufügen. […]

  3. Marie sagt:

    „Tatsächlich war er eine – sicher sehr bedauerliche – Notbremse, um dem zarten Pflänzchen Demokratie nochmals eine Chance für einen Neustart zu geben.“

    Demokratie durch gewaltsamen Militärputsch, Abschaffung der Pressefreiheit und Massaker? Sie haben ja eine äußerst sonderbare Vorstellung von Demokratie,

  4. openyourmind sagt:

    Die Iraner sind im Jahr 1979 vom Regen in die Traufe geschlittert. Die imperiale wurde von einer religiösen Diktatur abgelöst. Dieses Schicksal muss Ägypten unbedingt erspart bleiben! Frau Suleiman scheint ein traditionalistisches Religions- und konservatives Politikverständnis zu haben. Die Muslimbrüder vertreten nicht die Interessen von weltoffenen Moslems, genausowie die Partei von Herrn Kaczinsky jene von aufgeschlossenen polnischen Katholiken nicht repräsentiert. Viele Diktatoren kamen durch demokratische Wahlen an die Macht. Die NSDAP 1933, die tschechischen Kommunisten 1948; auch in Österreich gab es in den 1930er-Jahren ein katholisch-autoritäres Regime, welches anfangs demokratisch gewählt wurde. Die Sichtweise, die Frau Suleiman Herrn Mursi entgegenbringt, erscheint mir gefährlich naiv.

  5. aloo masala sagt:

    @Marie

    Meine Begründungen, weshalb Frau Suleiman die falschen Schlüsse zieht, stehen im Beitrag. Ich kann Sie Ihnen gerne erklären, wenn Sie etwas nicht verstanden haben.

    Das Sie eine andere Meinung haben und meine Argumente nicht teilen, wissen wir inzwischen alle. Aber wir wissen nicht, wie Sie Ihren Standpunkt begründen und wir kennen Ihre Gegenargumente nicht. Trotz meiner Bitte wiederholen Sie nur Ihren Standpunkt ohne ihn zu begründen. Das entspricht nicht gerade dem Sinn einer Diskussion, aber vielleicht haben Sie auch einfach überhaupt kein Gegenargument und Ihnen gefällt meine Meinung einfach nicht. Das ist völlig in Ordnung. Allerdings kann ich dann getrost Ihre Meinung als substanzlos verwerfen und brauche mir weiter keine Gedanken darüber machen.

  6. Songül sagt:

    Frau Suleiman schreibt:
    „Allein der religiöse Hintergrund des Präsidenten Mursi und seiner Partei kann nicht der Grund für dieses Schweigen sein. Mit anderen Regimes, die sich die Religion auf ihre Banner schreiben, sind westliche Staaten dick befreundet.“
    Die wahren Interessen sind laut Frau Suleiman folgende:
    „Hinter all den kriegerischen Invasionen gegen „bad guys“ und „Achsen des Bösen“, die dann konstruiert, wenn sie gebraucht werden, standen und stehen wirtschaftliche Interessen: Öl, Bodenschätze, strategisch-militärisches Kalkül, Gier nach Absatzmärkten, vor allem für die Waffenindustrie, die am meisten Geld in diverse Kassen spült. “

    Wer den Text aufmerksam liest, wird erkennen müssen, dass auch für Frau Suleiman nicht ein Kreuzzug, also ein Religionskrieg, sondern ein Stellvertreterkrieg vorherrscht, der auf dem Rücken „Unbeteiligter“ ausgetragen wird.

    Mit ihrer folgenden Ausführung hat Frau Suleiman für mich die Pointe gesetzt, der ich unbedingt beipflichte:
    „Am Beispiel Ägyptens zeigt sich, dass kein Land, das potenziell über Macht und Einfluss im arabischen Raum verfügen könnte, eine wirkliche Demokratie mit eigenständiger Außen- und Innenpolitik auch nur in Ansätzen entwickeln darf.“

  7. openyourmind sagt:

    Es ist richtig, dass die USA in den vergangenen Jahrzehnten in den verschiedensten Weltregionen aus politischem und wirtschaftlichem Kalkül Diktaturen gefördert haben. Auch kann dem Westen noch immer vorgeworfen werden, aus ökonomischen Überlegungen Regime mit Glacéhandschuhen anzufassen, die das wahrlich nicht verdienen würden (Saudi Arabien).Seit Ende des Kalten Kriegs ist diese Vorgangsweise immerhin rückläufig. Auch wenn die USA Mubarak lange die Stange hielten, haben sie letztlich dessen Sturz schließlich doch vorangetrieben und nicht gebremst.
    Völlig blauäugig ist jedoch die Annahme, im Nahen Osten würde die Demokratie blühen und gedeihen, wenn sich bloß der Westen heraushalten würde. Im Iran – zweifelsfrei außerhalb der amerikanischen Einflusssphäre -herrscht schon seit über 30 Jahren eine finstere faschistoide Religionsdiktatur. […]

  8. Marie sagt:

    „@Marie

    Meine Begründungen, weshalb Frau Suleiman die falschen Schlüsse zieht, stehen im Beitrag. Ich kann Sie Ihnen gerne erklären, wenn Sie etwas nicht verstanden haben.

    Das Sie eine andere Meinung haben und meine Argumente nicht teilen, wissen wir inzwischen alle. Aber wir wissen nicht, wie Sie Ihren Standpunkt begründen und wir kennen Ihre Gegenargumente nicht. Trotz meiner Bitte wiederholen Sie nur Ihren Standpunkt ohne ihn zu begründen. Das entspricht nicht gerade dem Sinn einer Diskussion, aber vielleicht haben Sie auch einfach überhaupt kein Gegenargument und Ihnen gefällt meine Meinung einfach nicht. Das ist völlig in Ordnung. Allerdings kann ich dann getrost Ihre Meinung als substanzlos verwerfen und brauche mir weiter keine Gedanken darüber machen.“

    Wie bereits erläutert, sind Ihre Begründungen nicht schlüssig und nicht geeignet, Frau Suleimans schlüssige Ausführungen zu widerlegen. Das eine hat nämlich mit dem anderen nichts zu tun und Kriege aus rein wirtschaftlichen Interessen können sehr wohl mit dem in Stein gemeißelten Negativ Islam zwecks Legitimierung derselben geführt werden. „Ihre Ausführungen: Außenpolitik ist nackte Interessenpolitik. Religion spielt dabei keine Rolle.“ ist insofern falsch, als dass die Religion sehr wohl eine Rolle spielt, um die kriegerischen Überfälle, die wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen dienen, als angeblichen Kampf für die Menschenrechte zu begründen. Man benötigt schließlich einen Vorwand, um dem Volk die Kriege gegen den „Terror“ schmackhaft zu machen. Das war so im Falle der Taliban in Afghanistan, und das war und ist so im Falle sämtlicher anderer angeblichen „Schurkenstaaten“. Den Vorwand liefert die Religion, und insofern ist das “ althergebrachte Bild über „den Islam“ als Negativ sehr wohl in Stein gemeißelt. Das Negativ Islam wird dazu benützt, um Kriege aus rein wirtschaftlichen Interessen als Kriege im Namen angeblicher Menschenrechte und angeblicher Demokratiebestrebungen dem Bürger zu verkaufen. Und nochmal, Herr Masala: Frau Suleiman hat ihre Ausführungen bestens begründet und selbstverständlich ist es im Rahmen einer Diskussion ausreichend, sich diesen Begründungen anzuschließen und sie nicht unnötigerweise noch einmal zu wiederholen. Dass Sie nicht unterscheiden können/wollen zwischen den zwecks „Legitimierung“ vorgeschobenen Gründen des angeblichen Kriegs gegen den religiösen Terror, die das Negativ Islam sehr wohl in Stein meißeln und den verschwiegenen echten Hintergründen (wirtschaftliche und geostrategische Interessen), dafür kann ich nun wirklich nichts.

  9. Marie sagt:

    Frau Suleiman schreibt:
    “Allein der religiöse Hintergrund des Präsidenten Mursi und seiner Partei kann nicht der Grund für dieses Schweigen sein. Mit anderen Regimes, die sich die Religion auf ihre Banner schreiben, sind westliche Staaten dick befreundet.”
    Die wahren Interessen sind laut Frau Suleiman folgende:
    “Hinter all den kriegerischen Invasionen gegen „bad guys“ und „Achsen des Bösen“, die dann konstruiert, wenn sie gebraucht werden, standen und stehen wirtschaftliche Interessen: Öl, Bodenschätze, strategisch-militärisches Kalkül, Gier nach Absatzmärkten, vor allem für die Waffenindustrie, die am meisten Geld in diverse Kassen spült. ”

    Wer den Text aufmerksam liest, wird erkennen müssen, dass auch für Frau Suleiman nicht ein Kreuzzug, also ein Religionskrieg, sondern ein Stellvertreterkrieg vorherrscht, der auf dem Rücken “Unbeteiligter” ausgetragen wird.

    Mit ihrer folgenden Ausführung hat Frau Suleiman für mich die Pointe gesetzt, der ich unbedingt beipflichte:
    “Am Beispiel Ägyptens zeigt sich, dass kein Land, das potenziell über Macht und Einfluss im arabischen Raum verfügen könnte, eine wirkliche Demokratie mit eigenständiger Außen- und Innenpolitik auch nur in Ansätzen entwickeln darf.”

    Wie ich sehe, liebe Songül, haben Sie die Ausführungen Frau Suleimans verstanden. Dass hinter den Kriegen wirtschaftliche Interessen stehen, hat Frau Suleiman nicht bestritten, sondern explizit ausgeführt. Wenn nun Masala behauptet, die hinter dem „Krieg gegen den Terror“ und gegen „die Achse des Bösen“ stehenden wirtschaftlichen Interessen würden Frau Suleimans Aussage bezüglich des Negativs Islam wiederlegen, beweist das m.E. nur eines: Masala hat Frau Suleiman nicht einmal ansatzweise verstanden. Masala ignoriert Frau Suleimans Ausführungen bezüglich der wirtschaftlichen Hintergründe des Krieges gegen „die Achse des Bösen“ und verkauft die wirtschaftlichen Hintergründe als Argument, das Frau Suleiman angeblich „widerlegen“ würde.

    Die Aussage Suleimans: “Am Beispiel Ägyptens zeigt sich, dass kein Land, das potenziell über Macht und Einfluss im arabischen Raum verfügen könnte, eine wirkliche Demokratie mit eigenständiger Außen- und Innenpolitik auch nur in Ansätzen entwickeln darf.” bringt die Dinge auf den Punkt.

  10. Marie sagt:

    „Die Iraner sind im Jahr 1979 vom Regen in die Traufe geschlittert. Die imperiale wurde von einer religiösen Diktatur abgelöst. Dieses Schicksal muss Ägypten unbedingt erspart bleiben! Frau Suleiman scheint ein traditionalistisches Religions- und konservatives Politikverständnis zu haben. Die Muslimbrüder vertreten nicht die Interessen von weltoffenen Moslems, genausowie die Partei von Herrn Kaczinsky jene von aufgeschlossenen polnischen Katholiken nicht repräsentiert. Viele Diktatoren kamen durch demokratische Wahlen an die Macht. Die NSDAP 1933, die tschechischen Kommunisten 1948; auch in Österreich gab es in den 1930er-Jahren ein katholisch-autoritäres Regime, welches anfangs demokratisch gewählt wurde. Die Sichtweise, die Frau Suleiman Herrn Mursi entgegenbringt, erscheint mir gefährlich naiv.“

    Dass Sie ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie haben, hatte ich ja bereits erwähnt. Vom Regen: „Besonders grausame Foltermethoden des SAVAK waren, dem Gefangenen Stromschläge zu verabreichen, zerbrochenes Glas oder heißes Wasser in den Enddarm einführen, Gewichte an den Hoden anzubringen und die Extraktion von Zähnen und Nägeln.[21] Der Spiegel berichtete im Januar 1979: „Zeugenaussagen von Betroffenen belegen die Vergewaltigung von Kindern in Gegenwart der Eltern, das Grillen von Opfern auf elektrisch erhitzten eisernen Bettgestellen, Einläufe von kochendem Wasser in den Anus, Ausreißen sämtlicher Finger- und Zehennägel sowie der Zähne. Der iranische Dichter Resa Baraheni berichtet in einem Buch über seine Gefängnis-Erfahrungen sogar von Kannibalismus.“ (wikipedia9 in die Traufe? So so.

    Die Muslimbrüder vertreten nicht die Interessen „von weltoffenen Moslems“. Aha – was sind denn „weltoffene Moslems“? Die, die Ihnen persönlich gefallen? Und wenn die Mehrheit keine „weltoffenen Moslems“ nach Ihrem persönlichen Geschmack sind, dann schaffen wir sie einfach ab, die Demokratie? Aha.

    „genausowie die Partei von Herrn Kaczinsky jene von aufgeschlossenen polnischen Katholiken nicht repräsentiert. “ Aha – was sind denn „aufgeschlossene Katholiken“? Und wenn die Mehrheit der Wahlbürger keine „aufgeschlossenen Katholiken“ sind, Ihrer Meinung nach, dann schaffen wir sie einfach ab, die Demokratie? Per Militärputsch, wie in Ägypten? Und sperren die „nicht aufgeschlossenen Katholiken“ ins Gefängnis? Weil die Minderheit der „aufgeschlossenen Katholiken“ gegen die Mehrheit der „nicht aufgeschlossenen Katholiken“ protestiert? Das ist wahrlich ein ganz spezielles „Demokratie“verständnis. Dass Sie Hitler mit den Machthabern im Iran vergleichen und die Zustände unter dem Schah als Regen gegenüber einer „Traufe“ verharmlosen, zeigt eines sehr deutlich: Ihnen geht es nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern um die zwangsweise Einführung der Ihnen genehmen Geisteshaltung weltweit.