Initiative Bildung Prekär

Prekäre Integrationskurse am Beispiel einer Volkshochschule

Katrin Rosjat hat 10 Jahre an der VHS Integrationskurse gegeben. Jetzt wurde sie rausgeschmissen, weil sie die schlechten Arbeitsbedingungen kritisiert hat und an die Öffentlichkeit gegangen ist. Von den VolksvertreterInnen ist sie enttäuscht. Hier ist ihr Bericht.

…Lieblingsfächer Geschichte und Deutsch, endlich Abitur, auf ins Studium… Was nehme ich? Natürlich meine Lieblingsfächer… 1998 bis 2003 Magisterstudiengang Geschichte, Deutsch als Fremdsprache, Neogräzistik – Schön war´s! Hochmotiviert startete ich ins Berufsleben, 24 Jahre alt, gut ausgebildet, schon einige Lehrerfahrungen, da ich seit 2001 neben dem Studium Griechisch unterrichtete – also, alles super! Aber: Der Zahn sollte mir schnell gezogen werden…

Die Bewerbungen mit Geschichte verliefen im Sande, man wollte meist eine Promotion. Griechisch war zu wenig gefragt für Vollzeit; o.k. Dann probiere ich Deutsch als Fremdsprache. Migranten gibt es viele! Ich fand relativ schnell etwas, aber auf freiberuflicher Basis. Na ja, man muss ja erst einmal ein paar Erfahrungen sammeln und dann wird’s besser, dachte ich. Nachdem ich vier Jahre für die Volkshochschule Leipzig täglich gearbeitet hatte, sprach ich mit den Kollegen (falsch: mit den Konkurrenten) darüber, wie sie das sehen, ob es nicht Zeit für eine Festanstellung wäre. Einige sagten mir: “Das brauchst du gar nicht erst zu probieren, dir werden sofort die Kurse gestrichen und du bist raus!“

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Ich fand die Argumentation in einem demokratischen Rechtsstaat nicht besonders beeindruckend, wollte aber die anderen nicht zu etwas überreden. Na gut, dann probieren wir es auf dem politischen Weg. Es gelang mir und einigen engagierten Kollegen über den Stadtrat, über die VHS direkt und über die Zuschüsse des BAMF im Laufe von fünf Jahren das Stundenhonorar von 14,50 Euro auf 18,00 Euro zu erhöhen (jetzt sind es wohl 20,00 Euro in den BAMF-Kursen). Im Sommer 2012 sah ich das Ende der Fahnenstange in Bezug auf das Stundenhonorar erreicht und fragte den Leiter der VHS, was er tun könne, um den sozial sehr schwierigen Status der DaF-Dozenten (ca. 800 Euro netto bei Vollzeit und keine soziale Absicherung – Nichts!) sprich Akademiker zu verbessern. Da er keine Alternative anbieten konnte, sagte ich ihm, dass ich das Clearing-Verfahren in Berlin machen werde, um den Sozialstatus zu klären. Er zeigte Verständnis und meinte, dass er mir keine Steine in den Weg legen werde und verabschiedete sich mit: Hic Rhodos, hic salta. (im Nachhinein erklärt sich das vorgeheuchelte Verständnis).

Im August sah ich durch Zufall einen Zettel in der Verwaltung der VHS Leipzig „Keine Verträge für Frau Rosjat“. Ich sah die Verschwörung auf mich zukommen, glaubte aber noch an das Gute im Menschen. Am 3. September ging ich wie die letzten neun Jahre auch zu Semesterbeginn zur Arbeit, wo ich erfuhr, dass mir auf Grund von Bauarbeiten die Kurse gekürzt wurden (ein Schelm, wer Böses denkt). Wütend ging ich in die Verwaltung, wo mir bestätigt wurde, dass es mit meiner Klärung von der Rentenstelle zu tun hätte. Dann traf ich auf den „Nichts-wissenden“ Chef, der die Bauarbeiten vorschob und so weiter… Ich legte sofort meine Arbeit (also das perfide Angebot der VHS, das nach der Kürzung übrig blieb und 500 Euro netto bedeutet hätte) nieder, ging zum Rathaus, schrieb eine Petition, eine Dienstaufsichtsbeschwerde, informierte alle Parteien, die im Stadtrat saßen, rief bei der BfA an, ging zur AOK und zum Arbeitsamt. Außerdem erstellte ich eine Online-Petition an den Leipziger Landrat und schrieb an die Beauftragte des Volkshochschulverbandes Frau S.

Im Oktober kam es dann zu einem konterkarierten Gespräch mit dem Kulturdezernenten der Stadt Leipzig, der mir mitteilte, wenn ich die Dienstaufsichtsbeschwerde und die Petition zurücknehmen würde, dass ich im Dezember unter den „gleichen“ Bedingungen wieder bei der VHS arbeiten könne. Ich verließ das Büro, nicht ernst genommen als Mensch und erst recht nicht als Frau. Ich schrieb aber trotzdem noch eine Petition an den Sächsischen Landtag.

Im Dezember 2012 kam endlich der Bescheid der BfA, welcher mir bestätigte, dass ich seit 2003 in einem nicht-selbständigen Verhältnis für die VHS gearbeitet habe. Die Freude war groß, endlich Gerechtigkeit! Im Februar teilte mir die BfA mit, dass die Stadt Leipzig bzw. die VHS Leipzig Widerspruch eingelegt hätte. Sechs Seiten zum Teil an den Haaren herbeigezogene Argumente. Ich schrieb elf Seiten!

Unterdessen versuchte ich auf Anraten meines Anwalts mich mit der Stadt Leipzig in Verbindung zu setzen. Keine Chance! Ich schrieb an den Bürgermeister, an den Personalleiter, an den Kulturdezernenten, da ich Antwort auf die Petition aus Dresden hatte (Dresden sagt, dass Leipzig dafür zuständig ist). Man fragt sich, warum man wählen geht und Volksvertreter wählt, wenn sie den Bürger nicht vertreten wollen. Schönen Gruß an die Demokratie!

Nachdem nun alle informiert waren, erhielt ich am 20. Juni 2013 den zweiten Bescheid aus Berlin, in dem alle Punkte zurückgenommen wurden und der erste Bescheid als ungültig erklärt wurde. Sehr komisch, dass ich kein Recht auf Widerspruch hatte. Nein, der Bürger muss Klage einreichen, die Stadt darf kostenfrei Widerspruch einreichen, obwohl sie die Beschuldigte ist.

Bevor ich die Klage einreichte, habe ich einen letzten Versuch unternommen, den Streit auf eine sachliche Art und Weise zu klären, indem ich erneut das Gespräch des Kulturdezernenten gesucht habe. Am Telefon wurde mir mitgeteilt, dass er kein Gespräch wünsche. Ich sagte der netten Sekretärin, dass die Stadt sich bei mir melden könnte, wenn sie an einem erwachsenen Kompromiss interessiert wäre, sonst werde ich die Klage einreichen und an die Medien gehen, wenn die Politik nicht für den Bürger da ist. Wer denkt, dass ich einen Anruf erhalten hätte, der irrt! Es ist wahrscheinlich zu viel verlangt, dass gewählte Volksvertreter sich mit dem Volk beschäftigen. Man sollte sie umbenennen, damit das Volk nicht solche komischen Ideen hat.

Resultat: Die Klage ist eingereicht, ich bin arbeitslos, bekomme Hartz IV, habe einen guten Studienabschluss, zehn Jahre Berufserfahrung, war ein guter Lehrer und es gibt genug Migranten, die Deutschkurse benötigen, um eine echte Chance in Deutschland zu haben!

Jedenfalls: Keine Antwort auf die Dienstaufsichtsbeschwerde, keine Antwort vom Leipziger Landrat auf die Petition, keine Antwort, nach fünfmaligen Anrufen, von Frau S. (ihr Büro ließ mitteilen, das „man“ die Statusabfrage abwarten wolle, obwohl meine Frage mit den Integrationskurse zu tun hatte und nichts mit „meiner“ Statusabfrage?!? Wer „man“ ist, durfte mir nicht mitgeteilt werden. Sehr demokratisch!)

Keine Hilfe von meiner Heimatstadt, meinem Land, von meinem demokratischen Recht, indem ich die Volksvertreter gewählt habe. Nichts! Mein erster Gang an die Medien war unausweichlich. Im Grundgesetz stehen die drei Gewalten und die vierte, die Medien, sind sehr oft ein lästiges Übel. Zu Unrecht habe ich sie während meiner Lehrtätigkeit in den sogenannten Orientierungskursen verteufelt. Jetzt weiß ich, wie wichtig sie sind, wenn unfähige Menschen die Verantwortung für andere Menschen übernehmen und ihre Position nicht mit Idealismus sondern nur mit Macht ausfüllen. Auf meinem Weg habe ich sehr oft den „blöden“ Spruch gehört: Recht haben ist nicht Recht kriegen. Warum gibt es dann einen Rechtsstaat, wenn der, der Recht hat, kein Recht bekommt? Wenn der Rechtsstaat genutzt wird, um aus Unrecht Recht zu machen, dann läuft gehörig was schief!

Jeder Mensch möchte eine Sicherheit, für mich ist das in Form von einem Arbeitsvertrag und sozialer Absicherung. Ein legitimes Recht und ein nachvollziehbarer Wunsch.

Weitere Infos: Dozentin zieht vor Gericht. Katja Rosjat will klären lassen, ob sie als Selbstständige gearbeitet hat oder nicht.

Die Bediensteten des Staates, Landes, der Stadt wollen doch auch nicht ohne Vertrag arbeiten. Ich habe fast zehn Jahre für meine Heimatstadt Leipzig gearbeitet, habe Verantwortung für sie und meine Arbeit übernommen – für mich aber keiner! Wie kann man als DaF-Lehrer den Migranten Lust auf Deutschland machen, wenn man selbst benachteiligt wird? Wie können die Bildungsträger Qualität garantieren, wenn sie nicht mal ihren Dozenten Garantien geben können? Wie kann der Staat guten Deutschunterricht garantieren, wenn die Bildungsträger bei einem Freiberufler gar nicht hospitieren dürfen? Wie kann ein Freiberufler mit seiner täglichen Unterschrift für die Bildungseinrichtung haften, wenn er als Selbständiger gar nicht haftbar ist? Wie kann ein Freiberufler über seine berufliche Qualifikation den Umsatz steigern, wenn es Honorartabellen gibt? Warum ist ein freiberuflicher Lehrer kein Lehrer, obwohl er unterrichtet und einen staatlichen sowie lehrenden Auftrag hat? All diese Fragen decken sittenwidrige Antworten auf und sind gegen das Grundgesetz!

Es ist Zeit etwas zu ändern!