Regierungskrise in Marokko

Auswirkungen auf marokkanische Community in Deutschland

Die Regierung in Marokko steht vor dem Aus. Die Istiqlal-Partei hat ihren Austritt aus der Koalition verkündet. Das hat Auswirkungen auf die marokkanische Community in Deutschland.

Schon seit Längerem häuften sich Berichte über interne Konflikte in der Istiqlal-Partei. Einige Funktionäre und Führungsriegen lieferten sich öffentlich aggressive Machtkämpfe. Andere sind in schwere Korruptions- und Wahlfälschungsaffären verstrickt. In der Jugendorganisation „Schabiba Istiqlalia“ tobten ebenfalls heftige Streitereien. Die Wähler und die Basis sind schwer verunsichert. Der Partei droht eine Zerreißprobe mit ungewissem Ausgang.

Das Ausscheiden ihrer Minister aus der Regierungskoalition und dem Kabinett hatte die Istiqlal-Partei bereits vor mehreren Wochen verkündet – aus Protest gegen Premierminister Abdelilah Benkirane von der islamischen Partei PJD. Ihm werfen sie Missmanagement und Rücksichtslosigkeit gegenüber dem kleineren Regierungspartner vor. Auch konnte sich der neue Istiqlal-Parteichef Hamid Chabat mit seinem Wunsch nach einer Kabinettsumbildung nicht durchsetzen.

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Der marokkanische König Mohamed VI. hielt sich bis Mitte Juni im Ausland auf und lehnte das von Hamid Chabat inszenierte Rücktrittsersuchen ab. Die Istiqlal-Minister mussten Weiteres auf ihren Posten ausharren. Eine große Peinlichkeit für die älteste Partei Marokkos, aber nicht die einzige. Nur einige Tage später soll der marokkanische König auch den Forderungskatalog, den Parteichef Chabat als Bedingung für eine Fortsetzung der Regierungskoalition aufstellte, abgelehnt haben. Eine neue Regierung, unter Beteiligung eines neuen Koalitionspartners soll so rasch wie möglich gebildet werden.

Der Ausstieg der Istiqlal-Partei aus der Regierungskoalition hat direkte Folgen für die große Zahl der im Ausland lebenden Marokkaner und vor allem für die Migrantenorganisationen. Das Auseinanderbrechen der marokkanischen Regierungskoalition bedeutet auch das Aus für Abdellatif Maâzouz, bisher zuständiger Minister für die im Ausland lebenden Marokkaner.

Maâzouz war in den vergangenen Monaten wegen seiner Amtsführung zu-nehmend in die Kritik geraten. Verschiedene Migrantenorganisationen warfen ihm vor, er arbeite unprofessionell. Tatsächlich lud Maâzouz zu einem internationalen Studientag über die Zukunft marokkanischer Migranten ein, ohne einen einzigen marokkanischen Migrations-forscher zu beteiligen. Im Zusammenhang mit der Mittelverwendung seines Ministeriums attestiert ihm ein Kolloquium im Juni 2013 in Rabat vermeintlich schwere Verfehlungen und „politische Stümpereien“.

Darüber hinaus wird Minister Maâzouz vorgeworfen, er sei im Umgang mit den marokkanischen Auslandsgemeinschaften befangen und er spiele die zivil-gesellschaftlichen Akteure der Auslandsmarokkaner gegen-einander aus, indem er ausschließlich botschaftseigene Vereine unterstütze – die sog. „neuen Freundschaftsvereine“ (New- Widadiyaat).

In Deutschland fielen die New-Widadiyaat unter anderem dadurch auf, dass einige ihrer Akteure im Jahr 2012 vor dem Berliner Kammergericht angeklagt und rechtskräftig verurteilt wurden. Das Gericht konnte ihnen geheimdienstliche Agententätigkeiten nachweisen. Weitere Agenten im Tarnmantel der Vereinsarbeit konnte die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bereits 2011 entlarven. Gegen mindestens zwei marokkanische Agenten wurde Anklage erhoben und ein rechtskräftiges Urteil ausgesprochen.

Im Juni 2013 löste Minister Maâzouz mit seinem exklusiven Besuch eines botschaftsnahen Vereins in Berlin eine Welle der Entrüstung in der marokkanischen Community in Deutschland aus. In vielen EU-Ländern und Kanada läuft bereits Langem eine breite Kampagne gegen Maâzouz. Mit dem Slogan „Dégage Maâzouz“ (verschwinde Maâzouz) sammeln Marokkanerinnen und Marokkaner im Ausland Unterschriften für eine Petition zur Entlassung des unbeliebten Ministers.

Die Istiqlal-Partei, zu der auch Minister Maâzouz gehört, hat hoch gepokert und hoch verloren. Nun sind sämtliche ihrer Minister zurückgetreten, auch Minister Maâzouz. Die marokkanischen Gemeinschaften weltweit dürften vorerst besänftigt sein. Für die botschaftsnahen „New-Widadiyaat“ dürften schwierige Zeiten anbrechen, denn mit Maâzouz verlieren sie eine ihrer größten Stützen.