Der Triebtäter

Vertriebenenpolitik

Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Denn Horst Seehofers Fähnchen flattert ein wenig im Winde - und der scheint gerade aus einer anderen Richtung zu wehen. Es gibt Neuigkeiten aus Deutschlands Musterland an Demokratiedefizit.

Von Dienstag, 16.07.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.07.2013, 2:22 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Man mag es als Ironie der Geschichte bezeichnen, als Beispiel für die allgemein verquere Logik der Bayern und derer gewählter Führer oder als Ausdruck des in der CSU und ihrer Wähler tief verwurzelten völkischen Denkens: Die absolutistische Staatspartei Bayerns ist eng mit den „Flüchtlings- und Vertriebenenverbänden“ verbunden. Nicht mit denjenigen Verbänden freilich, die sich für solche Menschen einsetzen, die Asyls bedürfen – gegen die will der bayrische Ministerpräsident weiterhin „bis zur letzten Patrone“ kämpfen. Die CSU setzt sich viel lieber für die Opfer der Nazis ein, also Juden und Slaven, Sinti und Roma, Behinderte, Homosexuelle und … – Moment, irgendwie kommt mir das…richtig, falscher Text. Mea Culpa.

Die Opfer der Vernichtungspolitik der Nazis sind für die CSU natürlich jene Deutschen, die Adolf Hitler zujubelten, mit der Wehrmacht marschierten, die Höfe vernichteter Einheimischer besetzten und mit der Niederlage des Faschismus nach Deutschland zurückkehren mussten. Dies sind für CDU und CSU die wahren Opfer der Nazis und verdienen, von der Politik verteidigt und vertreten zu werden.

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Nichtarische Flüchtlinge und Vertriebene andererseits, so bis heute die offizielle Asyldurchführungsverordnung Bayerns, sollen so untergebracht und versorgt werden, dass „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland“ gefördert werde. Eine juristisch wohl einwandfreie Anleitung zur Schikane, zu Diskriminierung und Bevormundung.

Andererseits steckt die CSU derzeit mitten im Wahlkampf, und obwohl sie bestens dasteht, sind die Parteioberen nach Nepotismus, Mollath und Seidel-Nazimillionen etwas dünnhäutig geworden. So kommt es, dass auf den Hunger- und Durststreik mehrerer Asylsuchender in München, der gewaltsam beendet wurde, entsprechenden Ankündigungen der Linken und die Angst vor einem erneuten Hungerstreik, nun ein Lippenbekenntnis der bayrischen Sozialministerin Haderthauer folgt.

Die hat selbst einen handfesten Skandal am Hacken kleben, hat mutmaßlich Strafgefangene für sich arbeiten lassen und dazu bisher beharrlich geschwiegen. Wohl auch, um hiervon abzulenken, kündigte sie nun an, zumindest den bereits zitierten Passus streichen zu lassen. Ändern soll sich dennoch scheinbar nichts an der allgemeinen Praxis – abgesehen von „mehr Flexibilität“, die den Bezirken bei der Essensvergabe zugestanden werden könnte – Naturalien könnten demnach theoretisch durch Gutscheine oder gar Bargeld ersetzt werden. Wenn die Bezirke das wollen – das aber ist fraglich. Und so wird sich in Bayern wohl rein gar nichts ändern, allein etwas Druck soll aus dem Kessel gelassen werden, mindestens bis zur Wahl.

Eine Taktik, die in dieser Republik leider immer neu verfängt – und, weil der Groschen einfach nicht fallen will, zu resignierter „Politikverdrossenheit“ führt. Die ist selbstverständlich und eigentlich eine „Politikerverdrossenheit“ – aber würde man das laut aussprechen, könnte man sich ja nicht so herrlich über die doofen Nichtwähler aufregen, die sich weigern, diesen Politikern ihr Vertrauen auszusprechen, wie das die Union, aber auch SPD, nach den Wahlen besonders gern tun. Aktuell Meinung

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  1. Torgey sagt:

    Zumindest grammatikalisch wird hier angedeutet, das Wort nichtarisch käme in der bayrischen Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes vor. Das ist natürlich Unsinn.

  2. Lionel sagt:

    1944/45 flohen etwa 12 bis 14 Millionen Deutsche aus Gebieten die jseit vielen Jahrhunderten Bestandteil Deutschlands waren, wie Ostpreußen, Pommern oder Schlesien.
    Diese Leute haben nie im Gefolge der NS-Eroberungspolitik irgendwelche Gehöfte in fremden Ländern okkupiert.
    Das traf allenfalls auf einige tausend Personen z. Bsp.im Wartheland (Polen) zu.
    Der ganz überwiegende Teil wurde von Haus und Hof, in denen zig Generationen ihrer Vorfahren lebten und die zu Deutschland gehörten, vertrieben.
    Der Autor hat Glück, aus Osnabrück, und nicht aus Breslau oder Königsberg zu stammen.

  3. Marie sagt:

    Ihre Geschichtklitterung ist beispiellos, Herr Lionel. Ungeheuerlich, um es genau zu sagen.

  4. posteo sagt:

    Lionel sagt: …“1944/45 flohen etwa 12 bis 14 Millionen Deutsche aus Gebieten die seit vielen Jahrhunderten Bestandteil Deutschlands waren, wie Ostpreußen, Pommern oder Schlesien.“

    Das ist so aber nicht ganz richtig: Nach dem 1. Weltkrieg hat Deutschland Pommern und Schlesien an Polen und Tschechien verloren. Das heißt die deutschen Minderheiten in Osteuropa (dazu gehörten auch die Böhmerwälder, und die Rumäniendeutschen) waren bis auf die Ostpreußen keine deutschen Staatsbürger und damit auch keine potientiellen Hitler-Wähler, noch NSDAP-Mitglieder, noch Wehrmachtssoldaten und daher an den Verbrechen der NAZI´s tatsächlich völlig unbeteiligt.

  5. Sigge sagt:

    Wie lange noch wird Deutschland von dieser pathologischen Geisteshaltung regiert werden?

    Das Schlimmste ist, daß die Vertreter derartiger Auffassungen, wie eben im obigen Beitrag, sich unwidersprochen als Avantgardisten oder unterdrückte Oppositionelle gerieren können, obwohl sie im wesentlichen die veröffentlichte Meinung aller (z.B. im Bundestag) etablierten politischen Kräfte, des Großkapitals und der Mainstream-Medien vertreten.

    Deswegen muß es aber auch erlaubt sein, festzustellen, wie krank es in Wirklichkeit ist, gerade als Angehöriger des betroffenen Volkes gegen das Gedenken des größten Vertreibungsunrechts der Menschheitsgeschichte mit Haßtiraden zu wettern und gleichzeitig jede kritische, nicht mainstream-konforme Auseinandersetzung mit den heute brennenden Fragen von Globalisierung und Einwanderung regelrecht tabuisieren zu wollen.

    Sigge

  6. Lionel sagt:

    @posteo

    Da eine eingehendere Darstellung der Vertreibungen aus den deutschen Ostgebieten den Rahmen sprengen würde, empfehle ich einfach Wkipedia/vertreibungen.
    Nach dem 1.WK verlor Deutschland die Provinzen Westpreußen und Posen an Polen, sowie Ost-Oberschlesien (nur ein kleiner Teil Schlesiens)
    Mir ging es um die Darstellung des Autors zu den Vertriebenen/Flüchtlingen.
    Und da haben die Leute in Stettin (das 1945 von Polen annektiert wurde) sich nicht anders verhalten als die in Osnabrück (da gab es niederländische Annexionspläne)

  7. Matthias sagt:

    Mal wieder erkenne ich beim Autor zweierlei:

    1. Gutes Ausdrucksvermögen

    2. Berichte auf einem Wahrheitsniveau weit unterhalb der Bild-Zeitung!
    Natürlich steht in keiner gültigen deutschen Verordnung das Wort Nichtarisch!

    Aber diese Deutschlandfeindliche Haltung scheint mir unter linken Intellektuellen zur bestimmenden Grundhaltung zu werden.

  8. HamburgerX sagt:

    Absolute Frechheit, Millionen von unschuldigen Opfern (Kriegsleiden, Vergewaltigungen, Plünderungen, Enteignungen) pauschal zu Naziprofiteuren und -sympathisanten zu deklarieren. Auf dem gleichen Niveau, wie allen Muslimen Terrorfreude zu unterstellen. Note 6.

  9. 1. „Ein Leser hats gut: er kann sich seine Schriftsteller aussuchen.“ – Kurt Tucholsky
    Dass hier so mancher keinen Unterschied zwischen Polemik und Boulevard kennt, ist bedauernswert, aber nicht mein Problem. Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, mein Niveau noch soweit zu senken, dass auch der letzte Depp mich verstehen kann. Da hör ich mir lieber das immergleiche Genöhle der immergleichen „Patrioten“ über „antideutsche Gutmenschen“ an und fremdschäme mich ne Runde.

    2. Als Enkel einer aus Ostpreußen vertriebenen Frau kenne ich das Leid, dass diesen Menschen widerfahren ist sehr wohl. Doch darum geht es hier gar nicht.
    Auch nicht darum, dass in den Ostgebieten die Begeisterung für Hitler oft besonders groß war (wie ich das im Text angedeutet habe).
    Vielmehr geht es darum, dass die höchste Repräsentatin der Vertriebenen diese Opferrolle besonders betont, als wäre die Vertreibung aus dem Nichts gekommen – obwohl sie zu exakt jener Gruppe gehört, die ich im Text beschriebenen habe. Wie man sich bettet, so liegt – und wie man sich repräsentiert, so wird man gesehen. Erika Steinbach steht damit als pars pro toto für die Geisteshaltung in den Verbänden, die ich im Text anprangere. Das das nicht für alle Vertriebenen gilt, nichtmal für alle, die sich in diesen Verbänden tummeln, dürfte jedem klar sein. Jedoch widerspricht es dem Wesen einer Polemik, allzu sehr zu differenzieren. ergo: „Si tacuisses…“

    3. Die alte völkische Ideologie, die der Grund des Weltkrieges, des genozidalen Vernichtungskrieges und damit auch der Vertreibung war, lebt in dieser Gruppe noch weiter. Nicht nur in der braunen Suppe, die unter den Mitgliedern gärt, sondern selbst in denen sie vertretenden Parteien, die sich zum „demokratischen Spektrum“ wähnen. Darum gibt es in den rechten Parteien von Union bis NPD ein so starkes gemeinsames Bekenntnis zu den „Vertriebenen“, aber eben nur jenen Ariern, die vor dem bösen Ivan fliehen müssten – während Mustafa, der vorm bösen Bashar flieht, besser heute als morgen abgeschoben werden soll, weil er ja eh bloß auf der faulen Haut liegen will, ehrlichen Inländern die Arbeit wegnimmt und nicht zuletzt nur die deutschen Frauen knattern will, um die deutschen aus dem Land zu populieren.

    Wäre es der Union ernst, sich für wirkliche Vertriebene einzusetzen, führe sie nicht diesen völkischen Kurs. Ob nun „arisch“ oder „nichtarisch“ auch in den Gesetzen und Verordnungen steht, spielt da keine Rolle, weil es schlicht politische Realität ist: Noch keinem arischen Ostpreußen ist meines Wissens je ein negativer Asylbescheid zugestellt worden, die wenigsten unter ihnen müssen ums tägliche Überleben kämpfen.

    Demokratischer Konsens ist, dass alle Menschen gleich seien. Für die Union sind sie das nicht.

    Und jetzt die Augen geradeaus! RECHTS um! WEITERMACHEN!

  10. Mevluede sagt:

    Hervorragend! Ihr Text, Nachhilfelehrer, jedes Wort ist wahr. Auch wenn die völkischen Ideologen sich noch so sehr aufregen.