Doppelpass-Debatte 12/12

„Falsch! … Nochmals falsch!“

Politik ist langweilig und trocken? Die Bundestagsdebatte vom 5. Juni 2013 beweist das Gegenteil: Regierungs- und Oppositionspolitiker debattieren über die doppelte Staatsbürgerschaft. Das MiGAZIN dokumentiert die Reden im Wortlaut inklusive Zwischenrufe in einer 12-teiligen Serie. Heute Ingo Wellenreuther (CDU).

Ingo Wellenreuther (CDU/CSU)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zur Abstimmung stehen mehrere Anträge und Gesetzentwürfe, die die Abschaffung der sogenannten Optionspflicht und im Kern die Zulassung von doppelten und mehrfachen Staatsangehörigkeiten zum Inhalt haben. Kollege Veit, Sie beklagen, dass die Debattenkultur knapp über der Grasnarbe angekommen ist, gleichzeitig bezeichnen Sie aber einen Parteifreund von Ihnen als menschenverachtenden Psychopathen. Ich muss sagen: Das spricht für sich.

Die Opposition hat schon mehrfach dieses Thema zur Debatte gestellt, und zwar – der Kollege Mayer hat darauf hingewiesen – meistens kurz vor Wahlen, mit dem Ziel, hieraus Kapital zu schlagen.

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Ich komme auf die Fakten zurück. Im März haben wir eine Sachverständigenanhörung durchgeführt, und es liegen die Ergebnisse zweier Studien des BAMF vor, die die Koalition in Auftrag gegeben hatte, um das Optionsmodell bzw. das Staatsangehörigkeitsrecht zu überprüfen. Zum einen handelt es sich um eine nicht repräsentative qualitative Studie zur Optionspflicht, in deren Rahmen ausführliche Interviews mit 27 betroffenen jungen Menschen geführt wurden. Zum Zweiten gibt es Ergebnisse einer repräsentativen Studie. Im Rahmen dieser sogenannten Einbürgerungsstudie 2011 wurden unter anderem 401 Optionspflichtige befragt.

Unsere Auffassung war immer, die Anhörung und die Studien abzuwarten. Das war auch genau richtig; denn es wurden klare und bemerkenswerte Ergebnisse zutage gefördert. Die Sachverständigen haben deutlich gemacht: Das Optionsmodell und das Prinzip der Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeiten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie sind vor allem verfassungs- und europarechtskonform. Die zugrunde liegenden Fragen sind deswegen vor allem eine politische Entscheidung. Wir von der Union haben dazu eine ganz klare Haltung: Für uns gilt der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit. Deshalb halten wir an der Optionspflicht fest.

Lesen Sie auch die anderen Debattenbeiträge:
Renate Künast (GRÜNE)
Ole Schröder (CDU/CSU)
Thomas Oppermann (SPD)
Hartfrid Wolff (FDP)
Sevim Dağdelen (LINKE.)
Reinhard Grindel (CDU/CSU)
Daniela Kolbe (SPD)
Serkan Tören (FDP)
Memet Kılıç (GRÜNE)
Stephan Mayer (CDU/CSU)
Rüdiger Veit (SPD)
Ingo Wellenreuther (CDU/CSU)

Unsere Position wird durch die Studienergebnisse eindeutig gestützt. Der Kollege Mayer hat bereits darauf hingewiesen; ich werde nachher darauf zurückkommen. Die Studien widerlegen nämlich die Argumentation der Opposition, die immer wieder vorgebracht wird. Ein beliebtes Argument ist, dass es die jungen Menschen in schwere Konflikte bringe und verunsichere, sich zwischen einer der Staatsangehörigkeiten entscheiden zu müssen. Nun wurde bestätigt: Diese Behauptungen treffen weitestgehend nicht zu. Über 70 Prozent der betroffenen jungen Menschen bestreiten, dass das Aufgeben der anderen Staatsangehörigkeit Gewissenskonflikte verursacht. Nur 6 Prozent der Befragten geben an, dass die Verpflichtung, sich für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sie hinsichtlich ihrer familiären oder beruflichen Lebensplanung verunsichert. Das zeigt: SPD, Grüne und Linke haben jahrelang einen Popanz aufgebaut und Ängste geschürt, die sich nun in Luft auflösen.

Auch die zweite immer wieder vorgebrachte Behauptung ist schlichtweg falsch, dass die jungen Optionspflichtigen sich von Deutschland abwenden würden; auch das hat der Kollege Mayer angesprochen. 98 Prozent der jungen Menschen, die sich aufgrund der Optionspflicht zu entscheiden hatten, haben sich für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden. Fast alle bekennen sich also zu unserem Land. Das ist ein eindeutiges Votum für Deutschland und zeigt: SPD, Grüne und Linke haben ein vollkommen falsches Bild von den jungen Menschen ausländischer Herkunft in unserem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Gründe der optionspflichtigen jungen Menschen, sich für die deutsche Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sind ganz pragmatisch. Sie entscheiden sich auch deshalb für uns und für die deutsche Staatsangehörigkeit, weil sie in Deutschland bessere Zukunftsperspektiven sehen, der Arbeitsmarkt für sie erfolgversprechend ist, die Qualität von Bildung und Ausbildung in unserem Land überzeugt, aber auch weil sie der hohe Standard unseres Rechtssystems beeindruckt. Bemerkenswert ist, dass gerade junge Frauen als Motiv für die Wahl der deutschen Staatsbürgerschaft angegeben haben, dass sie das Frauenbild in ihrem Herkunftsland als problematisch empfinden.

Die wichtigste Erkenntnis aus der Studie ist für mich aber noch eine ganz andere: Fast durchgängig geben die jungen Menschen an, sich mit Deutschland emotional verbunden zu fühlen. Das entspricht doch gerade dem, was wir immer gesagt haben: Integration ist eine Sache des Herzens. Ein Zugehörigkeitsgefühl kann nicht mit der Aushändigung von Papieren geschaffen werden. Deshalb bleibt es für uns dabei: Der Erwerb der Staatsangehörigkeit sollte nicht am Anfang eines Integrationsprozesses stehen,

(Rüdiger Veit [SPD]: Das hat keiner gesagt!)

sondern die Folge sein, wenn der Prozess gelingt.

Ich sage ganz klar: Wir wollen, dass dieser Prozess bei uns möglichst vielen gelingt. Wir tun auch einiges dafür. Ich möchte nur die Stichworte „Integrationskurse“ und „Sprachlehrgänge“ nennen. Für uns, für die Union, steht eine gute Integration im Vordergrund. Dafür ist das Erlernen der deutschen Sprache der entscheidende Schlüssel. Wir wollen im Übrigen auch, dass sich möglichst viele derer, die die Voraussetzungen erfüllen, dann auch tatsächlich einbürgern lassen. Dadurch wird die Zugehörigkeit zu unserem Land am besten ausgedrückt. Es entsteht damit vor allem auch eine tiefe wechselseitige Verantwortung.

In diesem Zusammenhang ist positiv darauf hinzuweisen, dass die Gesamtzahl der Einbürgerungen das vierte Jahr in Folge gestiegen ist. Das ist ein ganz erfreuliches Zeichen. Zum einen zeigt dies, dass wir in Deutschland ganz überwiegend eine offene Gesellschaft haben, in der sich Menschen anderer Herkunft wohlfühlen. Zum anderen spiegeln sich darin Erfolge der integrationspolitischen Bemühungen der unionsgeführten Bundesregierung wider.

Die Studie zum Einbürgerungsverhalten hat auch deutlich gemacht, dass wir keine übertriebenen Einbürgerungsvoraussetzungen und -anforderungen stellen. Denn nur 16 Prozent der Eingebürgerten empfinden sie als zu hoch. Bei denjenigen, die noch im Verfahren stehen, sind es auch nur 22 Prozent.

Als Fazit lässt sich feststellen: Aktuell gibt es keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, was das Staatsangehörigkeitsrecht und das Optionsmodell angeht.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch!)

Das lässt sich heute aufgrund der Studienergebnisse sagen, auch wenn die Ausübung der Optionspflicht für die ganz überwiegende Zahl der betroffenen jungen Menschen erst noch bevorsteht. Aus diesem Grund sowie aus all den weiteren von mir genannten Gründen lehnen wir Ihre Anträge ab.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nochmals falsch!)

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)