Hürdenlauf zum Krippenplatz

Migranten müssen höhere Hindernisse überwinden

Einen Krippenplatz für die Kinder zu finden, ist allgemein schon schwierig. Wie eine aktuelle Studie jetzt zeigt, haben es Migranten besonders schwer. Außerdem stellt die Studie fest: Das Betreuungsgeld verstärkt den Anreiz für eine Erziehung zuhause.

Donnerstag, 06.06.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Eltern mit Migrationshintergrund stehen vor besonders hohen Hürden, wenn sie einen Krippenplatz für ihr Kind suchen. Viele wollen ihr Kleinkind in die Krippe geben, können aber die Zugangshürden nicht überwinden. Eltern mit geringer Schulbildung – mit und ohne Migrationshintergrund – erhalten häufig gar keinen Betreuungsplatz. Als Hürde nennen Eltern mit Migrationshintergrund vor allem die mangelnde interkulturelle Öffnung der Einrichtungen und die aus ihrer Sicht geringe Qualität der Betreuung.

Die Untersuchung des SVR-Forschungsbereichs, die in Kooperation mit der Vodafone Stiftung Deutschland entstanden ist, stellt große Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Zuwanderergeneration fest: während die erste Generation ein- und zweijährige Kinder überwiegend zuhause betreut, entscheidet sich die zweite Generation fast genauso häufig für eine Betreuung in der Krippe wie Eltern ohne Migrationshintergrund. Fast die Hälfte (48,6 %) der Familien der zweiten Generation und der binationalen Familien nutzt einen Krippenplatz für ihre Kleinkinder, wenn ein Elternteil Abitur hat. Bei den Familien ohne Migrationshintergrund sind es 51,3 Prozent.

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Bildungsstatus entscheidend
„Ob sich Eltern mit Migrationshintergrund für eine Kindertagesbetreuung entscheiden, hängt maßgeblich von ihrem Bildungsstatus ab“, sagte Dr. Jan Schneider, Leiter des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration. „Damit zeigt sich bei der Kindertagesbetreuung das gleiche Muster wie im Schulbereich: die Bildung der Eltern wirkt sich massiv auf die Startchancen von Kindern aus.“

Für den Policy Brief wurden die Antworten von 1.875 Eltern mit und ohne Migrationshintergrund ausgewertet, die im Rahmen der Studie „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A) des Deutschen Jugendinstituts (DJI) befragt wurden. Die Ergebnisse des SVR-Forschungsbereichs, die auf eigenen Berechnungen beruhen, sind repräsentativ.

Unterschiedliche Zugangshürden
Familien mit Migrationshintergrund stehen je nach Zuwanderergeneration und Bildungsstatus vor unterschiedlichen Zugangshürden. Eltern der ersten Generation nennen die als gering wahrgenommene Qualität als Hürde. Erste und zweite Generation geben an, dass sie ihr Kind in die Krippe geben würden, wenn es besser auf die Schule vorbereitet würde. Gewünscht wird auch eine stärkere Berücksichtigung von Kultur oder Religion. Die Kosten spielen für Eltern mit Migrationshintergrund sogar eine geringere Rolle als für Eltern der Mehrheitsgesellschaft.

Der SVR-Forschungsbereich kommt zu dem Schluss, dass Eltern angesichts der zahlreichen Zugangshürden häufig keine echte Wahl zwischen den Betreuungsalternativen „Erziehung zuhause“ und „Krippenplatz“ haben. Mit dieser Wahlfreiheit hat die Bundesregierung die Einführung des Betreuungsgeldes zum 1. August 2013 begründet. Nun ist zu befürchten, dass die Anreize für eine ausschließliche Erziehung zuhause durch das Betreuungsgeld verstärkt werden. Denn über ein Drittel der Eltern (36,9 %), die ihr Kind zuhause erziehen, werden von den Kosten der Kinderbetreuung abgeschreckt – und dies trifft insbesondere für Familien mit niedrigem Bildungsniveau zu. „Es spricht vieles dafür, dass sich diese Eltern in Abwägung von Kosten und Nutzen noch eher für eine Betreuung ihres Kindes zuhause entscheiden“, sagte Dr. Jan Schneider.

Hürden abbauen
„Solange die Zugangshürden zur Kindertagesbetreuung nicht beseitigt werden, gibt es keine echte Wahlfreiheit zwischen einem Krippenplatz und einer ausschließlichen Betreuung in der Familie“, sagte Schneider. Dabei profitieren gerade Kinder aus Zuwanderer- und bildungsfernen Familien besonders von dem Besuch einer Kindertageseinrichtung, z.B. beim Spracherwerb. „Deshalb muss alles daran gesetzt werden, Zugangshürden zur Kindertagesbetreuung abzubauen“, sagte Schneider. „Sonst wird diesen Kindern die Chance auf sozialen Aufstieg und gesellschaftliche Teilhabe verbaut.“

Der SVR-Forschungsbereich empfiehlt folgende Maßnahmen für den Abbau der Zugangshürden zur Krippenbetreuung: Die Schaffung von Betreuungsplätzen, Qualitätssteigerung, interkulturelle Öffnung der Krippen und Abbau finanzieller Hürden. (sb) Gesellschaft Leitartikel Studien

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  1. Es wird immer wieder deutlich, dass es in Deutschland ein hohes Maß an sozialer Ungerechtigkeit gibt.

    Man muss allmählich den Eindruck gewinnen, dass es kaum einen Bereich in Deutschland gibt, der nicht sozialen Selektionsmechanismen unterliegt.

    Ist es übertrieben in Deutschland strukturalfaschistische Tendenzen am Werke zu sehen ?

  2. Gero sagt:

    Ist es übertrieben in Deutschland strukturalfaschistische Tendenzen am Werke zu sehen ?
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    Ja, ist es.